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Vietnam hofft weiter auf Deal mit USA
Die USA hat die angedrohten Zölle zunächst aufgeschoben. Sollten sie schlussendlich doch erhoben werden, hätte das verheerende Auswirkungen auf viele Exportindustrien in Vietnam.
15.04.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Während der ersten Amtszeit von Donald Trump hat Vietnam am meisten von den US-Strafzöllen auf chinesische Importe profitiert. Die US-Importe aus dem südostasiatischen Land haben sich von 2018 bis 2024 fast verdreifacht. Der vietnamesische Anteil an den Gesamteinfuhren der USA ist unter allen Handelspartnern am stärksten gewachsen.
Mittlerweile sind die USA das wichtigste Ziel für vietnamesische Exporte. Viele Firmen haben nach 2018 ihre Produktion oder ihren Einkauf zu Teilen in das südostasiatische Land verlagert. Damit ist aber auch das US-Handelsdefizit mit Vietnam gestiegen. Nur im Handel mit China und Mexiko verzeichneten die USA 2024 noch höhere Defizite. Weil die Diskrepanz zwischen den Importen Vietnams aus und Exporten in die USA besonders groß ist, hatten die Vereinigten Staaten dem Land mit 46 Prozent einen der höchsten Strafzölle in ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) auferlegt.
Die Höhe der Strafzölle hatte Unternehmer und Regierung in Vietnam geschockt, obwohl die US-Regierung das Land bereits in der Vergangenheit in handelspolitischen Fragen im Visier hatte. Während seiner ersten Amtsperiode hatte Trump Vietnam als "schlimmsten Missbraucher" im Handel mit den USA bezeichnet. US-Außenminister Marco Rubio hatte als Senator 2024 ein Gesetz vorgeschlagen, das die Umgehung von Strafzöllen ahndet.
Dies ist ein wunder Punkt: In den vergangenen Jahren ist wiederholt der Verdacht aufgekommen, chinesische Firmen würden Vietnam nutzen, um Strafzölle zu umgehen. Importe aus China würden nach minimaler Weiterverarbeitung als "Made in Vietnam" in die USA weiter exportiert. So hatte das US-Handelsministerium 2023 und 2024 chinesische Hersteller von Solarpaneelen in Vietnam mit Strafzöllen belegt. Trina Solar, JA Solar und Jinko Solar aus China hatten ihre Produktion für den US-Markt seit 2012 nach immer neuen Strafzöllen massiv nach Vietnam, Malaysia und Thailand verlagert.
Die Zollpolitik von US-Präsident Trump kommt für Vietnam zur Unzeit. Die Regierung hat vor einem wichtigen Parteikongress 2026 ambitionierte Wachstumsziele vorgegeben. Die Unsicherheit im Zusammenhang mit den Strafzöllen hat etliche Investoren dazu veranlasst, Großprojekte erst einmal auf Eis zu legen. Das dürfte das Wachstum 2025 belasten.
Aufgeschobene Investitionen und vorgezogene Exporte
Der am 9. April 2025 verkündete Aufschub der Zölle um 90 Tage erleichterte Unternehmen im Land. Allerdings zeigt die Unsicherheit über die neue zollpolitische Ausrichtung der USA bereits seit Trumps Amtsantritt Wirkung: Laut Standortberatern und Industrieparkbetreibern haben etliche Investoren größere Ansiedlungsvorhaben in Vietnam aufgeschoben.
Große Exporteure, gerade von Elektronik, hatten hingegen ihren Handel mit den USA kurzfristig hochgefahren, um mit vorgezogenen Ausfuhren höhere Zölle zu umgehen. Sie sind im 1. Quartal 2025 gegenüber dem Vorjahresquartal um 22 Prozent gestiegen, während die Gesamtexporte um 11 Prozent zulegten.
Zunächst bleibt nur der generelle Strafzoll von 10 Prozent bestehen. Weil er alle Länder weltweit betrifft, untergräbt er nicht die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Vietnam. Er dürfte aber die Margen der Exportunternehmen unter Druck setzen und 2025 die Konjunktur belasten.
Rückkehr zu hohen Strafzöllen wäre verheerend
Eine Rückkehr zu hohen reziproken Strafzöllen würde das Land in eine schwierige Lage bringen. Wichtige Exportbranchen in Vietnam sind stark vom US-Markt abhängig. Zudem wurden einige Standorte, mit welchen Vietnam im Wettbewerb um Investoren steht, mit geringeren Zöllen belegt. Darunter fallen Malaysia, die Philippinen, Thailand und auch Indien.
Wären die US-Zölle auf Vietnam längerfristig höher als für andere Standorte, würde die Fertigung in Vietnam an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Einkäufer würden Waren aus anderen Märkten beziehen, Lieferketten würden abwandern. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft im Land wären verheerend. Auch deutsche Zulieferer, etwa für die Schuh- und Textilindustrie, wären stark betroffen.
Deal in Verhandlung
Die USA und Vietnam haben aber bereits am 9. April 2025 Verhandlungen zu einem Deal vereinbart. Schon zuvor hatte Vietnam sich bemüht, die US-Regierung milde zu stimmen. So strich sie am 31. März 2025 Zölle für viele Produkte, die zum Teil aus den USA kommen. Im Gespräch sind zudem laut Presseberichten Bestellungen von Flüssiggas sowie der Kauf von Boeing-Jets und Militärflugzeugen aus den USA. Die vietnamesische Regierung will auch den zwischen der Trump-Organisation und lokalen Partnern 2024 vereinbarten Bau eines Golfhotels für 1,6 Milliarden US-Dollar (US$) schnell genehmigen. Diskutiert wird weiterhin eine Anweisung, US-amerikanische Anbieter bei Beschaffungen zu bevorzugen. Das könnte Airbus, aber auch deutsche Anbieter etwa von Medizintechnik oder Arzneimitteln empfindlich treffen.
Vietnam könnte als Gewinner aus dem Zollstreit hervorgehen
Ein Deal dürfte mit zusätzlichen Auflagen für die lokale Wertschöpfung in Vietnam gekoppelt werden, wie sie etwa für Solarpaneele bereits bestehen. Im für Vietnam günstigsten Fall erreicht das Land eine vollständige oder zumindest substanzielle Absenkung der Strafzölle, während andere Länder weiter bezollt werden.
Falls hohe US-Zölle auf Waren aus China in einem ausartenden Handelskonflikt länger Bestand haben, dürfte das weitere Hersteller zu einer Verlagerung nach Vietnam bewegen. Auflagen für lokale Wertschöpfung könnten gleichzeitig die Ansiedlung von Zulieferern fördern.
Die Kehrseite ist, dass Strafzölle auf chinesische Produkte die Konjunktur im Reich der Mitte belasten würden. Dies hätte auch Auswirkungen auf Vietnam: Im Jahr 2024 nahm China als zweitwichtigstes Zielland nach den USA immerhin 15 Prozent der vietnamesischen Exporte ab.
Ob Vietnam durch einen Deal die Wiedereinführung der Strafzölle abwenden kann, ist nicht sicher. Die Einfuhren aus den USA werden sich kurzfristig kaum ankurbeln lassen. Selbst wenn Vietnam die Importe aus den USA auf 39 Milliarden US$ pro Jahr verdreifacht und die vietnamesischen Exporte in die USA stabil bleiben, könnte die US-Regierung nach ihrer bisherigen Rechenformel immer noch einen Strafzoll von 34 Prozent erheben wollen.
Alternativstandorte weiter von Strafzöllen betroffen | Alternativstandorte erreichen weitgehende Streichung von Strafzöllen | |
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Kein oder begrenzter Deal | Negativ: Starke Auswirkungen auf Sektoren, die viel in die USA exportieren. Mittelfristig Abwanderung von Lieferketten. Nachfragerückgang durch höhere Preise und globalen Konjunktureinbruch. | Sehr negativ: Standort büßt deutlich an Attraktivität ein und Lieferketten wandern ab. |
Weitgehende Aufhebung der reziproken Zölle | Positiv: Standort Vietnam wird attraktiver und zieht mehr Industrieansiedlungen und Zulieferer an. | Geringfügig negativ: Weiter attraktiver Investitionsstandort, aber schwächere Konjunkturentwicklung drückt auf Nachfrage (etwa im wichtigen Exportmarkt China). |