Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Rechtsbericht | WTO | TRIPS

WTO und geistiges Eigentum

Wie das "TRIPS-Abkommen" internationale Mindeststandards zur Verbesserung des Schutzes geistigen Eigentums im Welthandel setzt: Ein Einblick in die dritte Säule der WTO. 

Von Julia Merle | Bonn

  • Pandemie und Patente - zur aktuellen Relevanz des TRIPS

    In der gegenwärtigen Situation werden insbesondere im Hinblick auf die Impfstoffe gegen Covid-19 viele Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz geistigen Eigentums diskutiert.

    Einleitung: TRIPS in Zeiten der Pandemie 

    Die erheblichen Auswirkungen der Coronapandemie auf den weltweiten Handel mit Waren und Dienstleistungen sind bis heute zu spüren.

    Seitdem es Impfstoffe gegen Covid-19 gibt, stellt sich im Besonderen die große Frage, wie möglichst schnell möglichst viele Menschen auf der Welt diese Impfung erhalten können. Ein weiteres Themenfeld ist dabei nun mit in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt: das geistige Eigentum (IP). 

    Mit welchen internationalen "Spielregeln" haben wir es dabei überhaupt zu tun?

    Nicht nur im Bereich des Handels mit Waren und des Dienstleistungshandels existieren sogenannte multilaterale WTO-Übereinkommen (siehe zum Warenhandel: GTAI-Informationen zum GATT). Auch "über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums" haben die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) eine Vereinbarung geschlossen: das TRIPS. Behandelt werden darin im Wesentlichen die Bereiche Urheberrechte und gewerbliche Schutzrechte.

    Besonders im Blickfeld der aktuellen Debatte steht der Patentschutz der neuen Impfstoffe. Der WTO wird von einigen ihrer Mitglieder vorgeschlagen, diesen aufzuheben beziehungsweise die Patentrechte zeitweise auszusetzen. So soll schwer betroffenen ärmeren Ländern der Zugang zu den Vakzinen ermöglicht werden. Immer wieder fällt dabei das Schlagwort "TRIPS-Waiver". Man befindet sich in einem gewissen Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem Gesundheitsschutz auf der einen und exklusiven Rechten von Patentinhabern auf der anderen Seite.

    Verschiedene Vorschläge von WTO-Mitgliedern

    Der aktuelle Hintergrund sei an dieser Stelle lediglich wie folgt zusammengefasst:

    Bereits am 2. Oktober 2020 reichten Indien und Südafrika beim Rat für TRIPS "zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19" den Vorschlag eines "Waivers" verschiedener Bestimmungen des TRIPS-Abkommens ein. In der Folge unterstützten weitere WTO-Mitglieder diesen Vorschlag der teilweisen Aussetzung. Andere (darunter die Europäischen Union (EU) und Deutschland) sprachen sich bislang dagegen aus.

    Im Mai 2021 schlossen sich die USA der Forderung nach einer Aussetzung des IP-Schutzes im Hinblick auf Covid-19-Impfstoffe an.

    Einen weiteren Ansatz verfolgt daneben etwa Bolivien (siehe dazu WTO-Meldung vom 12. Mai 2021), indem es als "importabhängiges Land" versucht, über bestimmte sogenannte "Zwangslizenzen" Zugang zu Impfstoffen zu erhalten.

    Inzwischen hat der Vorschlag Indiens und Südafrikas unter den WTO-Mitgliedern zahlreiche (mehr als 100) Unterstützer - darunter die am wenigsten entwickelten Länder - gefunden und der Entscheidungsentwurf liegt in revidierter Form vom 25. Mai 2021 vor ("IP/C/W/669/Rev.1"; englischer Text auf der WTO-Website). Der Entwurf wurde im Vergleich zu der ursprünglichen weiteren Fassung etwas eingeschränkt. Bezug genommen wird darin insbesondere auf TRIPS-Vorschriften zu Patenten und Geschäftsgeheimnissen; Rechtsschutzmöglichkeiten soll es nicht geben (vgl. Abschnitt 6 des Entwurfs). Erläuterungen zu dem Vorschlag finden sich in einem Dokument des Rates für TRIPS vom 30. September 2021 ("IP/C/W/684"; WTO-Website).

    Die EU legte dem Rat für TRIPS im Juni 2021 einen "Entwurf einer Erklärung des Allgemeinen Rates zu TRIPS und öffentlicher Gesundheit während einer Pandemie"("IP/C/W/681"; englische Fassung auf der WTO-Website) vor. Darin wird insbesondere auf die Bedeutung der bestehenden Vorgaben des TRIPS zu Zwangslizenzen und ihre Umsetzung abgestellt.

    Auf der formellen Sitzung des Rats für TRIPS Mitte Oktober 2021 standen beide genannten Vorschläge wieder auf der Tagesordnung (WTO-Meldung vom 14. Oktober 2021). Nach Verschiebung der für den 30. November 2021 geplanten WTO-Ministerkonferenz bekräftigte der Rat für TRIPS in formeller Sitzung vom 16. Dezember 2021 erneut die Fortsetzung der Diskussion um die beiden Vorschläge (dazu: WTO-Meldung vom 16. Dezember 2021).

    Die WTO informiert über Neuigkeiten in Bezug auf dieses und andere Themen rund um das TRIPS auf ihrer Website

    Zielsetzung dieses Überblicks

    Doch was ist mit dem "Waiver" eigentlich gemeint? Was ist die rechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung? Welche Voraussetzungen müssten hierfür vorliegen? Welche anderen Möglichkeiten der vorübergehenden Einschränkung solcher Patente und damit Ermöglichung ihrer Nutzung gibt es vielleicht? Welche Flexibilität bietet das TRIPS-Abkommen insofern schon (Stichwort Zwangslizenzen)?

    Zum besseren Verständnis des Hintergrunds dieser aktuellen Fragestellungen soll der vorliegende erste Überblick über das TRIPS-Übereinkommen beitragen.

    Es wird dabei auch aufgezeigt werden, dass das Thema "TRIPS und öffentliche Gesundheit" keineswegs ein neues ist, sondern sich bereits vor zwei Jahrzehnten ähnliche Fragen im Zusammenhang mit Zwangslizenzierung und Zugang zu Medikamenten stellten. Diesbezügliche rechtliche Entwicklungen sollen gesondert beleuchtet werden. In den Blick genommen werden ferner auch andere ausgewählte Immaterialgüterrechte außer den bereits erwähnten Patenten.

    Erfahren Sie also im Folgenden, was sich hinter der sogenannten "dritten Säule des WTO-Rechts" verbirgt.

    Von Julia Merle | Bonn

  • Grundprinzipien und Aufbau des TRIPS

    Nachfolgend finden Sie zunächst eine Einführung zu Aufbau und allgemeinen Grundsätzen des "Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums".

    Wie ist TRIPS aufgebaut und was sind seine Ziele?

    Das "Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights" (kurz: TRIPS) vom 15. April 1994 trat - mit der gesamten WTO-Rechtsordnung - am 1. Januar 1995 als Anhang 1C zum "Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation" (WTO-Übereinkommen) in Kraft. Hinweis: Abkommenstext siehe etwa im Bundesgesetzblatt (TRIPS ab Folie 293); englische Fassung auf der WTO-Website.

    Geistige Eigentumsrechte beziehungsweise das TRIPS bildet als Bestandteil des WTO-Übereinkommens die sogenannte "dritte Säule des Welthandelsrechts". Zu den weiteren Bestandteilen des WTO-Übereinkommens: GTAI-Zollbericht.

    Während sich das GATT mit dem Warenhandel befasst und das GATS den Handel mit Dienstleistungen betrifft, wurde daneben Bedarf an einem WTO-Abkommen zum Handel in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums gesehen. Intension des TRIPS ist die weltweite Annäherung und Stärkung des Schutzes sowie der Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten. Dabei bemüht es sich um einen Ausgleich der Interessen.

    Den Gegenstand des Abkommens fasst Art. 63 Abs. 1 TRIPS zusammen als "die Verfügbarkeit, den Umfang, den Erwerb und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sowie die Verhütung ihres Missbrauchs".

    Laut Präambel des TRIPS bezwecken die inzwischen 164 WTO-Mitglieder unter anderem die Verringerung von Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels sowie die Förderung eines wirksamen und angemessenen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums. Dabei soll aber auch sichergestellt werden, dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung dieser Rechte nicht selbst zu Handelsschranken werden.

    Artikel 7 TRIPS beschreibt als Ziel des Übereinkommens unter anderem, dass Schutz und Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten zur Förderung der technischen Innovation und zur Weitergabe und Verbreitung von Technologie beitragen sollen.

    Im GATT findet das geistige Eigentum kaum Erwähnung: In Art. XX Buchst. d etwa ist als eine der allgemeinen Ausnahmen (zu den Ausnahmen im GATT) festgeschrieben, dass keine der GATT-Bestimmungen so ausgelegt werden darf, dass sie eine Vertragspartei daran hindert, erforderliche Maßnahmen, welche nicht gegen das GATT verstoßen und nicht diskriminierend angewendet werden - einschließlich der Bestimmungen über den Schutz von Patenten, Warenzeichen und Urheberrechtenzu beschließen oder durchzuführen.

    Ausführlichere Vorgaben und einheitliche weltweite Regelungen für den Bereich der geistigen Eigentumsrechte stellt das TRIPS auf.

    Das TRIPS-Übereinkommen besteht aus 73 Artikeln in sieben Teilen: Allgemeine Bestimmungen und Grundprinzipien in Teil I, in Teil II Vorschriften hinsichtlich Umfang und Ausübung einzelner Rechte des geistigen Eigentums (Arten des geistigen Eigentums in Abschnitten 1 bis 7) sowie im Teil III Bestimmungen zu deren Durchsetzung; Teil IV regelt den Erwerb und die Aufrechterhaltung der Schutzrechte, Teil V enthält Streitbeilegungsvorschriften, außerdem sind Übergangsregelungen in Teil VI und schließlich institutionelle Bestimmungen in Teil VII zu finden.

    TRIPS setzt in Bezug auf Schutz und Durchsetzung Mindeststandards, die WTO-Mitglieder einzuhalten haben. Jedes einzelne WTO-Mitglied hat die Angehörigen der anderen WTO-Mitgliedstaaten wie in dem Abkommen festgelegt zu behandeln (Art. 1 Abs. 3 TRIPS). Mindeststandards bedeutet nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 TRIPS, dass die Mitgliedstaaten in ihr nationales Recht einen umfassenderen Schutz als den durch TRIPS geforderten aufnehmen können - unter der Prämisse, dieser läuft dem Übereinkommen nicht zuwider. Der Reichweite des möglichen Schutzes in nationalen Rechtsordnungen werden durch TRIPS somit grundsätzlich keine Grenzen gesetzt.

    Im Bereich des geistigen Eigentums besteht das sogenannte "Territorialitätsprinzip". Danach gelten die Schutzrechte grundsätzlich räumlich ausschließlich im jeweiligen Staat des Erwerbs. Dies findet auch im TRIPS Beachtung: Gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 3 TRIPS steht es den WTO-Mitgliedern frei, die für die Umsetzung des Übereinkommens in ihrem eigenen Rechtssystem und in ihrer Rechtspraxis geeignete Methode festzulegen. Auch findet sich hier das "Schutzlandprinzip" aus dem internationalen Privatrecht wieder: Nach diesem findet im Hinblick auf geistiges Eigentum das Recht des Staates Anwendung, in dem Schutz gesucht wird.

    Welche Grundprinzipien sind zu beachten?

    Die - wie in anderen multilateralen WTO-Übereinkommen - auch in TRIPS enthaltenen Grundprinzipien der Meistbegünstigung und der Inländerbehandlung sind Bestandteile des Hauptprinzips der WTO, dem der Nichtdiskriminierung.

    Grundsätzlich gewähren die Mitglieder nach Art. 3 Abs. 1 TRIPS den Angehörigen der anderen WTO-Mitglieder eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die sie ihren eigenen Angehörigen bezüglich des Schutzes des geistigen Eigentums gewähren: Hinsichtlich der Schutzrechtsinhaber ist also eine Inländerbehandlung ("national treatment") geboten.

    Gemäß dem in Art. 4 TRIPS geregelten Grundsatz der Meistbegünstigung werden in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums Vorteile, Vergünstigungen, Sonderrechte und Befreiungen, die von einem Mitgliedstaat den Angehörigen eines anderen Landes gewährt werden, sofort und ohne Bedingungen den Angehörigen aller anderen WTO-Mitglieder gewährt ("most-favoured-nation clause"). Allerdings sieht der Artikel auch Ausnahmen von dieser Verpflichtung vor in bestimmten Fällen (S. 2 Buchst. a-d). Änderungen des Art. 4 TRIPS sind nur nach Annahme durch alle Mitglieder möglich (Art. X des WTO-Übereinkommens). Mehr zu den Grundprinzipien der WTO.

    Nach Art. 8 Abs. 1 TRIPS dürfen die Mitglieder bei der Abfassung oder Änderung ihrer Gesetze die Maßnahmen ergreifen, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Ernährung sowie zur Förderung des öffentlichen Interesses in den für ihre sozioökonomische und technische Entwicklung lebenswichtigen Sektoren notwendig sind; vorausgesetzt, diese Maßnahmen sind mit dem Übereinkommen vereinbar.

    Von Julia Merle | Bonn

  • Übergangsvorschriften und Ausnahmen

    Bevor einzelne Vorschriften des TRIPS näher betrachtet werden, sei noch die Frage erläutert: Sind alle TRIPS-Vorgaben in Bezug auf die Mitglieder der WTO gleichermaßen anwendbar?

    Im Hinblick auf die Implementierung des TRIPS ist zu beachten, dass in Teil VI bestimmte Übergangsregelungen vorgesehen sind.

    So fand das Abkommen gemäß Art. 65 Abs. 1 TRIPS grundsätzlich erst nach einer allgemeinen Frist von einem Jahr seit Inkrafttreten Anwendung, mithin seit dem 1. Januar 1996. Für die WTO-Mitglieder ist unabhängig vom Status ihrer Entwicklung bereits seit diesem Tag die Nichtdiskriminierung - insbesondere die angesprochenen Grundprinzipien aus Art. 3 und 4 TRIPS - zu beachten, was aus Art. 65 und 66 TRIPS hervorgeht. Für neue WTO-Mitglieder gelten zwar nach dem TRIPS keine Übergangsfristen, solche Zeiträume können jedoch im Beitrittsprotokoll vorgesehen werden.

    Das TRIPS-Übereinkommen sieht ferner bestimmte Übergangszeiträume vor, in denen es zwar schon in Kraft getreten ist, aber in bestimmten Ländern noch nicht voll zur Anwendung kommt. In diesen Zeiträumen ist es also für diese noch nicht erforderlich, ihre nationalen Rechtsordnungen an die völkerrechtlichen Vorgaben des TRIPS anzupassen.

    Während die ursprünglichen Fristen für Entwicklungs- und Schwellenländer bereits lange verstrichen sind, wurde den von den Vereinten Nationen als "am wenigsten entwickelte Länder" (least-developed countries, LDC) eingestuften Mitgliedern nach Art. 66 Abs. 1 TRIPS die Möglichkeit eines längeren Zeitraumes eingeräumt. Welche Länder dies im Einzelnen aktuell sind, kann beispielsweise dieser Übersicht auf der WTO-Website entnommen werden. Zu den Einstufungskriterien siehe: Website der Vereinten Nationen.

    Der mögliche Übergangszeitraum läuft nach inzwischen dreimaliger Verlängerung noch bis zum 1. Juli 2034 (siehe dazu: Entscheidung des Rats für TRIPS vom 29. Juni 2021). Die Verlängerung geschah insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen der Coronapandemie auf LDC. Zuvor war das Auslaufen der Frist für den 1. Juli 2021 vorgesehen. Fristverlängerungen sind auf Antrag möglich.

    So soll unter anderem "ihres Bedarfs an Flexibilität bei der Schaffung einer tragfähigen technologischen Grundlage" (Art. 66 Abs. 1 TRIPS) Rechnung getragen werden.

    Verliert ein betroffenes WTO-Mitglied jedoch vorher seinen Status als ein "am wenigsten entwickeltes Land", so endet die Übergangsfrist für dieses bereits zu diesem früheren Zeitpunkt.

    Artikel 65 Abs. 5 TRIPS bestimmt, dass ein Mitglied im Übergangszeitraum sicherzustellen hat, dass während dieser Frist vorgenommene Änderungen seiner Gesetze, sonstigen Vorschriften und seiner Praxis nicht zu einem geringeren Grad der Vereinbarkeit mit TRIPS führen.

    Eine besondere Übergangsfrist für am wenigsten entwickelte WTO-Länder in Bezug auf pharmazeutische Produkte wurde inzwischen bis zum 1. Januar 2033 verlängert (dazu: Entscheidung des Rats für TRIPS vom 6. November 2015). Dabei geht es um die Implementierung der Abschnitte 5 und 7 des zweiten Teils des TRIPS in diesem Zusammenhang, also um den Patent- und Geschäftsgeheimnisschutz für Arzneimittel ("Pharmapatente"). Dies ermöglicht es Staaten wie Bangladesch, Generika herzustellen, ohne diese Vorschriften beachten zu müssen.

    Allgemein sei außerdem darauf hingewiesen, dass Art. 73 TRIPS Ausnahmen zur Wahrung von Sicherheitsinteressen der WTO-Mitglieder vorsieht. So darf ein Mitglied nicht an Maßnahmen gehindert werden, die es zum Schutz seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen beispielsweise in Kriegszeiten oder sonstigen Krisen in internationalen Beziehungen für notwendig erachtet.

    Will ein WTO-Mitglied einen Vorbehalt zu einer Bestimmung des TRIPS anbringen, benötigt es gemäß Art. 72 TRIPS die Zustimmung aller anderen Mitglieder.

    Von Julia Merle | Bonn

  • Der Rat für TRIPS und das Verfahren zur Streitbeilegung

    Lesen Sie im Folgenden, welcher Institution das TRIPS die Überwachung seiner Vorgaben überträgt und was das Abkommen hinsichtlich der Streitbeilegung vorsieht.

    Welche Einrichtung wacht über die Einhaltung des TRIPS?

    Diese Aufgabe kommt dem "Rat für handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums" oder kurz Rat für TRIPS zu.

    Artikel IV des WTO-Übereinkommens nennt diesen in Abs. 5 neben dem Rat für den Handel mit Waren und dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen; alle drei stehen unter der allgemeinen Leitung des Allgemeinen Rates der WTO. Mitglied des Rats können die Vertreter aller WTO-Mitglieder werden.

    Der Rat für TRIPS hat gemäß Art. 68 TRIPS die Wirkungsweise des TRIPS und insbesondere die Erfüllung der hieraus erwachsenden Verpflichtungen durch die WTO-Mitglieder zu überwachen, dient als Diskussionsforum für diese, hält regelmäßige Treffen ab und unterstützt bei der Streitbeilegung. Er ist außerdem beispielsweise zu Überprüfungen der Umsetzung des Abkommens befugt (Art. 71 Abs. 1 TRIPS).

    Wann reguläre Sitzungen des Rats für TRIPS stattfinden, kann der WTO-Website entnommen werden. Es handelt sich je nach Notwendigkeit um formelle und gegebenenfalls informelle Treffen.

    Die WTO-Mitglieder haben dem Rat für TRIPS nach Art. 63 Abs. 2 TRIPS ihre wirksamen nationalen Gesetze und Vorschriften in Bezug auf das geistige Eigentum zur Unterstützung bei der Überprüfung der Wirkungsweise des TRIPS zu übermitteln. Diese Meldungen (notifications) sind über die WTO-Datenbank "e-TRIPS Gateway" zu finden. Dort sind unter anderem auch die Protokolle der Ratssitzungen (TRIPS Council Minutes) abrufbar.

    Auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung ("WTO-WIPO cooperation agreement") werden der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) die Kopien der notifizierten nationalen Gesetze weitergeleitet. Dort sind die Gesetze und sonstigen Vorschriften in einer Datenbank zu finden.

    Zudem gibt es das "WIPO-WTO Common Portal", über das nationale Patentämter relevante Gesetze gleichzeitig beiden Organisationen melden können.

    Wie funktioniert die Beilegung von Streitigkeiten aus dem TRIPS?

    Zur Streitbeilegung enthält TRIPS mit dem Art. 64 lediglich eine Vorschrift. Als Bestandteil der WTO-Rechtsordnung unterliegen Bestimmungen des TRIPS grundsätzlich dem verbindlichen WTO-Streitbeilegungsmechanismus. Diesem unterfallen Streitigkeiten zwischen zwei WTO-Mitgliedern über die Verletzung eines oder mehrerer WTO-Abkommen.

    Eine Auflistung von bisherigen Streitfällen mit Bezug zum TRIPS findet sich auf der Website der WTO.

    Hinweis: Ausführlichere Informationen zum Thema "Dispute Settlement" in der WTO enthält der GTAI-Zollbericht "Das Streitbeilegungsverfahren der WTO".

    Von Julia Merle | Bonn

  • Mindestvorgaben in Bezug auf Patente

    Nachfolgend werden die Vorschriften des TRIPS hinsichtlich ausgewählter Schutzrechtstypen betrachtet - zunächst zum Patent. Was soll beispielsweise überhaupt patentierbar sein?

    Was versteht das TRIPS unter "geistigem Eigentum"?

    Der Begriff des "geistigen Eigentums" wird im TRIPS-Abkommen nicht definiert. Artikel 1 Abs. 2 TRIPS bestimmt lediglich, dass der Begriff im Sinne des Abkommens alle Arten des geistigen Eigentums umfasst, die Gegenstand der Abschnitte 1 bis 7 des Teils II sind. Das sind im Wesentlichen Urheberrechte und verwandte Schutzrechte einerseits und gewerbliche Schutzrechte andererseits, aber auch Geschäftsgeheimnisse sind in Abschnitt 7 (nicht offenbarte Informationen) erfasst.

    Im Folgenden sollen die TRIPS-Vorschriften hinsichtlich einzelner ausgewählter Schutzrechtstypen beleuchtet werden. Dabei ist zu beachten, dass das TRIPS für alle WTO-Mitglieder verbindliche Mindestvorgaben festschreibt. Die konkrete Ausgestaltung des Schutzumfangs etc. in der jeweiligen nationalen Rechtsordnung (und Rechtspraxis) bleibt allerdings nach wie vor den einzelnen Gesetzgebern überlassen.

    Im konkreten Anwendungsfall ist also immer das jeweilige nationale Gesetz zu beachten.

    Nach Inkrafttreten des TRIPS hatten die WTO-Mitglieder ihre bereits bestehenden Gesetze an dessen Vorgaben anzupassen. Beispielsweise fanden auch nach dem im Jahr 2001 erfolgten WTO-Beitritt Chinas Reformen des chinesischen Urheber-, Patent- und Markenrechts statt.

    Dieser Prozess der Übertragung der WTO-Standards in das eigene innerstaatliche Recht dauert hinsichtlich der am wenigsten entwickelten Länder bis heute an (siehe oben zu Übergangsfristen). So passt zum Beispiel Bangladesch sukzessive seine nationalen Gesetze an die TRIPS-Vorgaben an.

    Welche Anforderungen bestehen an den Patentgegenstand?

    Zunächst werden aufgrund der Aktualität die Patente und die diesbezüglich durch TRIPS gestellten Mindestanforderungen näher erläutert. Auf die eingangs angesprochene aktuelle "Waiver"-Diskussion wird im folgenden Abschnitt vertiefend Bezug genommen.

    Regelungen bezüglich Patenten finden sich im zweiten Teil des Abkommens in Art. 27 bis 34 TRIPS.

    Artikel 27 Abs. 1 S. 1 TRIPS bestimmt die von den nationalen Gesetzgebern vorzusehenden Anforderungen an patentfähige Gegenstände: Grundsätzlich sollen Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik für Erzeugnisse und für Verfahren erhältlich sein; Voraussetzungen dafür sind

    • Neuheit,
    • Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit sowie
    • gewerbliche Anwendbarkeit.

    Satz 2 enthält die grundsätzliche Vorgabe, dass bei der Gewährung von Patenten und der Ausübung der Patentrechte hinsichtlich des Ortes der Erfindung, des Gebiets der Technik oder danach, ob die Erzeugnisse importiert oder im Inland hergestellt werden, nicht diskriminiert werden darf.

    In den folgenden Absätzen 2 und 3 werden Vorbehalte formuliert, unter denen ein Gegenstand ausnahmsweise nicht patentierbar sein kann. Nach Art. 27 Abs. 2 TRIPS können Mitglieder Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschließen, wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung innerhalb ihres Hoheitsgebiets zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschließlich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen oder zur Vermeidung einer ernsten Schädigung der Umwelt notwendig ist ("Ordre Public-Vorbehalt"). Bedingung ist also ein Verstoß aller gewerblichen Verwertungen gegen die öffentliche Ordnung beziehungsweise die guten Sitten.

    Dafür darf, wie Abs. 2 weiter bestimmt, ein solcher Ausschluss allerdings nicht nur deshalb vorgenommen werden, weil die Verwertung durch das nationale Recht der Mitglieder verboten ist.

    Außerdem dürfen nach der speziellen Vorschrift des Abs. 3 erstens diagnostische, therapeutische und chirurgische Verfahren für die Behandlung von Menschen oder Tieren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden; sowie zweitens Pflanzen und Tiere außer Mikroorganismen und im Wesentlichen biologische Verfahren für die Züchtung von Pflanzen oder Tieren, wobei allerdings ein Sortenschutz zu gewähren ist.

    Man kann zunächst festhalten, dass TRIPS einen weiten Umfang im Hinblick auf patentfähige Gegenstände vorsieht.

    Welchen Mindestschutzumfang sieht das TRIPS vor?

    Patentinhaber haben nach Art. 28 Abs. 1 TRIPS bestimmte ausschließliche Rechte (Exklusivrechte) zur Nutzung und (wirtschaftlichen) Verwertung: So können sie bei einem patentierten Erzeugnis Dritten verbieten, das Erzeugnis ohne Zustimmung beispielsweise herzustellen, zu gebrauchen oder zu verkaufen. Auch von der Anwendung patentierter Verfahren darf der Patentinhaber Dritte ausschließen und ihnen verbieten, das unmittelbar durch das Verfahren gewonnene Erzeugnis zu verwerten (etwa zu verkaufen).

    Nach Art. 28 Abs. 2 TRIPS ist der Inhaber eines Patents außerdem berechtigt zur Übertragung des Patents sowie zum Abschluss von Lizenzverträgen.

    Bezüglich der Schutzdauer schreibt Art. 33 TRIPS eine Frist von mindestens 20 Jahren ab Anmeldetag vor.

    Diese 20-jährige Laufzeit findet sich zum Beispiel im deutschen, im chinesischen Recht und auch beim europäischen Patent.

    Wer das Patent innehat, ist während dieser Zeit allein zur Nutzung und Verwertung der patentierten Erfindung berechtigt.

    Von den ausschließlichen Rechten aus dem Patent sind nach Art. 30 TRIPS begrenzte Ausnahmen zulässig, sofern diese nicht unangemessen im Widerspruch zur normalen Verwertung des Patents stehen und die berechtigten Interessen des Patentinhabers nicht unangemessen beeinträchtigen.

    Exkurs: Im Recht des geistigen Eigentums gibt es die sogenannte "Erschöpfung": Nach diesem Grundsatz ist ein Schutzrecht, etwa ein Patent, erschöpft, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere der konkrete Schutzgegenstand erstmals mit Zustimmung des Rechtsinhabers in Verkehr gebracht wird. Zu diesem Thema schreibt das TRIPS ausdrücklich nichts vor. WTO-Mitglieder können dazu also ihre eigenen Regelungen aufstellen - vorbehaltlich der Grundsätze der Meistbegünstigung und Inländerbehandlung: Artikel 6 TRIPS stellt auch klar, dass die Frage der Erschöpfung von Rechten des geistigen Eigentums grundsätzlich nicht im Rahmen der Streitbeilegung behandelt werden darf.

    Von Julia Merle | Bonn

  • Insbesondere: "Waiver" und Zwangslizenzen

    Doch was hat es nun mit dem sogenannten "TRIPS-Waiver" auf sich? Was gibt es nach dem TRIPS für Möglichkeiten, den Patentschutz einzuschränken?

    Zum Begriff des "Waivers"

    "Waiver" (übersetzt: Verzicht, Befreiung, Außerkraftsetzung) bedeutet, dass Teile des TRIPS ausnahmsweise ausgesetzt werden beziehungsweise auf deren Anwendung (zeitweise) unter bestimmten Bedingungen verzichtet wird. 

    Zur Beschlussfassung der WTO sieht Art. IX des WTO-Übereinkommens in Abs. 3 vor, dass die Ministerkonferenz unter außergewöhnlichen Umständen beschließen kann, ein Mitglied von einer Verpflichtung aus einem multilateralen Handelsübereinkommen - wie dem TRIPS - zu entbinden. Ein Antrag auf Ausnahmegenehmigung muss nach Buchst. b zunächst dem Rat für TRIPS zur Prüfung vorgelegt werden, dieser berichtet der Ministerkonferenz. Für eine solche Ausnahmegenehmigung ist nach Abs. 4 unter anderem ein Ablaufdatum nötig und sie wird jährlich überprüft.

    Eine Entscheidung der WTO bezüglich eines Waivers muss national umgesetzt werden. Zur aktuellen Impfstoff-Thematik sei erwähnt, dass der Waiver-Vorschlag bezweckt, grundsätzlich zur Impfstoffproduktion berechtigt zu sein. Offen bleibt, ob es den betroffenen Staaten auch tatsächlich möglich wäre, diese (zeitnah) herzustellen.

    Zu einem "Waiver" kam es in der Vergangenheit zum Beispiel im Zusammenhang mit "Zwangslizenzen". Dieser im TRIPS geregelte Flexibilitätsmechanismus wird im Folgenden näher betrachtet.

    Zwangslizenzen als Flexibilität

    Die (freiwillige) Lizensierung durch Patentinhaber wurde bereits erwähnt (Abschluss von Lizenzverträgen, Art. 28 Abs. 2 TRIPS).

    Durch eine Zwangslizenz hingegen wird die Wirkung des Patentrechts vom Staat eingeschränkt, ihr Lizenznehmer darf den Patentgegenstand neben dem Inhaber selbst gegen Vergütung nutzen.

    Alle WTO-Mitglieder können in ihrem nationalen (Patent)Recht festschreiben, dass solche Zwangslizenzen gestattet sind (siehe etwa § 24 des deutschen Patentgesetzes). In Art. 31 TRIPS (sonstige Benutzung ohne Zustimmung des Rechtsinhabers) sind internationale Vorgaben zu dieser Möglichkeit der Erteilung von Zwangslizenzen vorgesehen. Möchte das nationale Recht jemandem, auch der Regierung oder von ihr ermächtigten Dritten die Herstellung eines patentgeschützten Erzeugnisses ohne die Zustimmung des Inhabers des Patents erlauben, sind bestimmte Voraussetzungen einzuhalten (siehe in Buchst. a bis l). 

    In Buchst. c wird bestimmt, dass Umfang und Dauer einer solchen Benutzung auf den Zweck zu begrenzen sind, für den sie gestattet wurde.

    Dem Rechtsinhaber werden nicht sämtliche Rechte genommen. Ihm ist nach Buchst. h eine nach den Umständen des Falles "angemessene Vergütung" zu zahlen, wobei der "wirtschaftliche Wert" der Erlaubnis in Betracht zu ziehen ist. Der jeweilige Staat kann diese Lizenzgebühr konkret festlegen.

    Eine Zwangslizensierung soll grundsätzlich nur zulässig sein, wenn vorher Bemühungen um die Zustimmung des Patentinhabers (das heißt, eine freiwillige Lizenz) innerhalb einer angemessenen Frist erfolglos geblieben sind; WTO-Staaten können allerdings als Ausnahme regeln, dass dies bei einem nationalen Notstand, sonstigen Umständen von äußerster Dringlichkeit oder bei öffentlicher, nicht gewerblicher Benutzung nicht notwendig ist (Buchst. b).

    Buchstabe f bestimmt, dass eine Benutzung des Gegenstands des Patents mittels Zwangslizenz "vorwiegend für die Versorgung des Binnenmarkts" des gestattenden Mitglieds zulässig sein soll. Geht es um die Herstellung von Arzneimitteln, so greift diese Beschränkung inzwischen unter Umständen nicht mehr: Eine Änderung wurde notwendig, da Länder, die pharmazeutische Produkte nicht selbst produzieren konnten, tatsächlich daran gehindert waren, günstigere Generika aus Ländern mit patentierten Arzneimitteln zu importieren. Mehr dazu erfahren Sie im nachfolgenden Abschnitt zur "Erklärung von Doha" und ihren Folgen.

    Zu einzelnen nationalen Bestimmungen hinsichtlich Zwangslizenzen siehe die alphabetisch nach Ländern sortierte Übersicht der WIPO.

    Von Julia Merle | Bonn

  • Exkurs: Die "Erklärung von Doha" und ihre Folgen

    Im Jahr 2001 spielte der öffentliche Gesundheitsschutz im Rahmen der sogenannten "Doha-Erklärung" eine große Rolle. Welche Änderungen gab es durch ihre Implementierung im TRIPS? 

    Gegenstand der "Doha-Erklärung" zum TRIPS

    Vor dem Hintergrund schwerwiegender Probleme der öffentlichen Gesundheit in vielen Entwicklungs- und am wenigsten entwickelten Ländern insbesondere durch epidemische Krankheiten (wie AIDS) wurde vor rund 20 Jahren, am 14. November 2001, in Doha von der WTO-Ministerkonferenz bezüglich des TRIPS die "Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health" (Erklärung von Doha/"Doha-Erklärung"; Englisch) erlassen. Bereits damals ging es zentral um das Thema Arzneimittelversorgung und das Verhältnis zwischen öffentlichem Gesundheits- und gewerblichem Rechtsschutz. 

    In der "Doha-Erklärung" wird betont, dass das TRIPS Teil der nationalen und internationalen Maßnahmen zur Adressierung dieser Probleme sei (Ziffern 1 und 2). Die im TRIPS vorgesehenen Flexibilitätsbestimmungen (wie die Zwangslizenzen) sollen im Hinblick auf die Förderung des Zugangs zu Medikamenten genutzt werden.

    Darin heißt es in Ziffer 5, dass jedes Land selbst bestimmen darf, wann ein nationaler Notstand oder extrem dringende Umstände vorliegen. Dazu können öffentliche Gesundheitskrisen durch Epidemien gehören. Die genaue Ausgestaltung der Bedingungen für Zwangslizenzen bleibt den einzelnen nationalen Rechtsordnungen überlassen.

    Im 6. Abschnitt der Erklärung wurde festgehalten, dass WTO-Mitglieder mit unzureichenden oder nicht vorhandenen Produktionskapazitäten im pharmazeutischen Bereich Schwierigkeiten mit dem effektiven Gebrauch der Möglichkeit von Zwangslizensierung nach TRIPS haben können. Die vom Rat für TRIPS geforderte Lösung zur Umsetzung ist der "Entscheidung des Allgemeinen Rates der WTO vom 30. August 2003" (Englisch) zu entnehmen.

    Dienen Herstellung und Export patentgeschützter Arzneimittel der Arzneimittelversorgung am wenigsten entwickelter Mitglieder der WTO, werden die Vorgaben für Zwangslizenzen erleichtert: Nach Ziffer 2 der Entscheidung wird bei bestimmten Voraussetzungen die Anwendung des Art. 31 Buchst. f TRIPS für exportierende Mitglieder ausgesetzt ("Waiver") und nach Ziffer 3 die Anforderungen an die Vergütung nach Buchst. h geändert. So wird es betroffenen Ländern ermöglicht, trotz eigener Unmöglichkeit der Produktion benötigte pharmazeutische Produkte, die anderswo mittels Zwangslizenzen günstiger für den Export produziert wurden (Generika), zu erhalten. WTO-Mitgliedern soll dadurch also gestattet sein, vorzuschreiben, dass eine Zwangslizenz bezogen auf die Produktion für Exportzwecke - und damit nicht vorwiegend zur Binnenmarktversorgung - möglich ist, um Erfordernisse der öffentlichen Gesundheit in anderen Ländern zu erfüllen. Es ist eine weitere zulässige Art der Zwangslizenz.

    Zu den für den Import solcher Arzneimittel qualifizierten WTO-Ländern gehören laut der Entscheidung insbesondere die am wenigsten entwickelten Mitglieder.

    Schließlich erfolgte die Umsetzung in dem neu eingeführten Art. 31bis TRIPS und dem Anhang zum TRIPS.

    Erste Änderung des TRIPS

    Artikel 31bis TRIPS bestimmt in Abs. 1, dass sich die Verpflichtungen eines Ausfuhrstaats aus Art. 31 Buchst. f nicht auf die Erteilung von Zwangslizenzen erstrecken, soweit sie für die Herstellung von Arzneimitteln und deren Ausfuhr in einen anspruchsberechtigten Einfuhrstaat nach den Bestimmungen in Abs. 2 des Anhangs zum TRIPS notwendig sind. Darin sind etwa die Bedingungen aufgeführt, an die die vom Ausfuhrstaat erteilte Zwangslizenz geknüpft ist, sowie Anforderungen zur Etikettierung. Zu Meldungen (notifications) im- und exportierender Mitglieder siehe: WTO-Website.

    Nachdem - wie in Art. X Abs. 3 WTO-Übereinkommen für Abkommensänderungen vorgeschrieben - zwei Drittel der WTO-Mitglieder die Änderung beziehungsweise das Änderungsprotokoll formell angenommen hatten (Entscheidung vom 6. Dezember 2005: Englisch), trat es am 23. Januar 2017 in Kraft. Das geänderte TRIPS-Übereinkommen findet Anwendung auf diejenigen WTO-Mitglieder, die die Änderung angenommen haben. Andere können sich weiterhin noch auf die Entscheidung aus 2003 (Waiver bezüglich Art. 31 Buchst. f und h TRIPS) stützen - so sieht es Ziff. 11 der Entscheidung vor. Welche WTO-Staaten die Änderung bereits angenommen haben, ist einer Liste auf der WTO-Website zu entnehmen. Derzeit läuft für die übrigen Mitglieder eine mehrfach verlängerte Frist bis zum 31. Dezember 2023 zur Annahme.

    Informationen zu ausgewählten nationalen Umsetzungsbestimmungen stellt die WTO-Website bereit.

    Trilaterale Kooperation internationaler Organisationen

    An der Schnittstelle der Themen geistiges Eigentum, öffentliche Gesundheit und Handel arbeitet die WTO seit 2009 mit der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammen. Man will einerseits neue Medikamente weltweit verfügbar machen und andererseits Innovationen in Gesundheitstechnologien fördern.

    Seitens der WTO ist hierzu insbesondere auch die Einführung zusätzlicher Flexibilitätsmechanismen in das TRIPS im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit wie die beschriebene spezielle Art der Zwangslizensierung zu zählen.

    Weitere Informationen zur Zusammenarbeit und gemeinsamen Aktivitäten der genannten Organisationen sind abrufbar auf der Website der WTO und der Website der WIPO.

    Eine gemeinsame Presseerklärung der Generaldirektoren aller drei Organisationen aus Juni 2021 zur intensivierten Zusammenarbeit in Bezug auf Zugang zu medizinischen Technologien weltweit zur Bekämpfung der Coronapandemie ist abrufbar beispielsweise auf der Website der WHO.

    Ein kürzlich aktualisierter Auszug aus einer gemeinsamen Studie nimmt besonderen Bezug auf die derzeitigen Herausforderungen der Pandemie; mehr dazu siehe: WTO-Meldung vom 22. Oktober 2021.

    Von Julia Merle | Bonn

  • Bestimmungen hinsichtlich Marken

    Als weiteres Schutzrecht soll nun die Marke etwas genauer in den Blick genommen werden. Was sieht TRIPS dazu vor?

    Mindestanforderungen an die nationalen Bestimmungen hinsichtlich Marken (trademarks) finden sich in Art. 15 bis 21 TRIPS. Das Abkommen hebt dabei insbesondere den Schutz von Dienstleistungsmarken neben den Marken für Waren hervor.

    Was ist mit einer "Marke" gemeint?

    Allgemein werden unter einer Marke nach Art. 15 Abs. 1 TRIPS alle Zeichen - insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Buchstaben, Zahlen, Abbildungen und Farbverbindungen - und alle Zeichenkombinationen verstanden, die geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Auch zulässig ist die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft. Solange sie über Unterscheidungskraft verfügen, sind den Arten von Zeichen somit im Grunde keine Grenzen gesetzt. Den WTO-Mitgliedern ist es allerdings gestattet, als Eintragungsvoraussetzung die visuelle Wahrnehmbarkeit von Zeichen festzulegen. Dies ist etwa für die Zulässigkeit von Hör- oder Geruchsmarken von Relevanz.

    Nach Absatz 3 darf die Eintragungsfähigkeit in den nationalen Bestimmungen abhängig von der Benutzung gemacht werden; Voraussetzung für den Antrag auf Eintragung darf die tatsächliche Benutzung aber nicht sein. Eine Antragsablehnung aus dem alleinigen Grund, dass die beabsichtigte Nutzung nicht vor Ablauf einer Drei-Jahres-Frist ab Antragstellung stattgefunden hat, ist nicht zulässig. In Absatz 5 ist unter anderem die fakultative Regelung einer Widerspruchsmöglichkeit sowie die Pflicht zur Veröffentlichung aller Marken vorgesehen. Dies soll im Eintragungsverfahren die Transparenz sicherstellen.

    Kein Eintragungshindernis darf nach Absatz 4 die Waren- oder Dienstleistungsart darstellen, für die die Marke Anwendung finden soll.

    Wie lange soll die Schutzdauer sein? 

    Zur Laufzeit der Markeneintragung bestimmt Art. 18 TRIPS, dass diese jeweils mindestens sieben Jahre betragen soll; Verlängerungen der Eintragung sind unbegrenzt möglich. Das indische Recht sieht beispielsweise eine Schutzdauer von zunächst zehn Jahren vor (siehe dazu: GTAI-Rechtsbericht).

    Setzt das nationale Recht die tatsächliche Benutzung für die Erhaltung der Eintragung voraus, ist eine Löschung nach Art. 19 Abs. 1 TRIPS grundsätzlich erst nach mindestens drei Jahren ununterbrochener Nichtbenutzung zulässig, es sei denn, es liegen triftige Gründe für diese vor.

    Welche Rechte sollen Markeninhaber haben?

    Gemäß Art. 16 Abs. 1 TRIPS soll der Inhaber einer eingetragenen Marke das ausschließliche Recht haben, es Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr identische oder ähnliche Zeichen für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn dadurch Verwechslungsgefahr entstehen würde. Dies ist der sogenannte Exklusivitätsgrundsatz. Eine Vermutung dieser Verwechslungsgefahr besteht bei identischen Zeichen für identische Waren beziehungsweise Dienstleistungen. Die WTO-Mitglieder können aber auch Markenrechte aufgrund von Benutzung (also ohne Eintragung) in ihrem nationalen Recht vorsehen.

    Ausnahmen von den exklusiven Rechten des Markeninhabers sollen nach Art. 17 TRIPS in begrenzter Weise zulässig sein.

    Auch sogenannte "notorisch bekannte Marken" werden von TRIPS berücksichtigt: Art. 16 Abs. 2 und 3 TRIPS dehnen die diesbezüglichen Vorgaben der älteren Pariser Verbandsübereinkunft (siehe zu dieser: Abschnitt "Andere internationale Abkommen im IP-Bereich") insbesondere auf Dienstleistungen aus.

    Es soll mithin sichergestellt werden, dass Waren oder Dienstleistungen, die mit einer Marke versehen sind, auch tatsächlich von dem Markeninhaber stammen oder die Verwendung der Marke von diesem genehmigt wurde. So können die Waren oder Dienstleistungen unterschieden werden. Die Unternehmen und Verbraucher, die aufgrund der Marke auf die Herkunft des Produkts von einem bestimmten Unternehmen und damit das Vorhandensein gewisser Merkmale vertrauen, werden dadurch vor Irreführung durch Dritte und unlauterem Wettbewerb durch Ausnutzung des durch die Marke geschaffenen guten Rufs geschützt.

    Lizenzen sollen grundsätzlich vergeben werden können und eine Übertragung der Marke auch ohne den Geschäftsbetrieb möglich sein. Artikel 21 TRIPS bestimmt außerdem ausdrücklich, dass die Zwangslizensierung von Marken nicht zulässig ist. Zum Thema Zwangslizenzen im Zusammenhang mit Patenten hingegen siehe die vorstehenden Abschnitte.

    Von Julia Merle | Bonn

  • TRIPS-Vorgaben zur Durchsetzung des Schutzes

    Um Marken- und Produktpiraterie entgegenzuwirken, sind auch effektive Regelungen zur Rechtsdurchsetzung erforderlich. Mit diesen befasst sich der dritte Teil des TRIPS.

    Mindestanforderungen an nationale Verfahren

    Was sollen Rechtsinhaber unternehmen können, wenn Rechte des geistigen Eigentums verletzt werden, wenn etwa ihre Marke gefälscht wird oder ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Genehmigung kopiert wird, um damit Handel zu treiben? Welche Maßnahmen können sie von den Behörden verlangen? 

    Der dritte Teil des TRIPS umfasst den Bereich der effektiven Durchsetzung der einzelnen Schutzrechte. Darin werden Mindestanforderungen insbesondere an die Gestaltung der nationalen Zivil-, Verwaltungs- und Strafverfahren sowie an einstweilige Maßnahmen im Zusammenhang mit geistigen Eigentumsrechten formuliert. Die Aufstellung entsprechender nationaler Vorschriften in diesen Bereichen ist damit für die WTO-Mitglieder verpflichtend.

    Auch in diesem Kapitel zu beachten bleiben die eingangs beschriebenen Grundprinzipien des TRIPS.

    Rechtsstaatliche Aspekte

    Allgemeine Anforderungen an die Durchsetzungsverfahren werden in Art. 41 TRIPS formuliert: So haben WTO-Mitglieder sicherzustellen, dass es überhaupt die im TRIPS genannten Verfahren zur Durchsetzung in ihrem nationalen Recht gibt. Damit sollen sie ein wirksames Vorgehen gegen Verletzungen der von TRIPS erfassten Rechte des geistigen Eigentums ermöglichen. Ferner ist unter anderem vorgegeben, dass Schranken für den rechtmäßigen Handel durch die Anwendung dieser Verfahren vermieden werden sollen. Ein eigenes gerichtliches System hinsichtlich der Rechte des geistigen Eigentums haben die WTO-Mitglieder aber nicht zu errichten (Abs. 5).

    Absatz 2 bestimmt, dass die Durchsetzungsverfahren fair und gerecht sein müssen. Dazu gehören nach Art. 42 TRIPS zum Beispiel die mögliche Vertretung der Parteien durch einen unabhängigen Anwalt und die Gestattung der Begründung der Ansprüche (rechtliches Gehör). Vorgaben zu Beweismitteln enthält Art. 43 TRIPS.

    Artikel 47 TRIPS sieht die Möglichkeit eines Auskunftsrechts der Rechtsinhaber vor: Der Verletze soll abhängig von der Schwere der Verletzung Auskunft über die Identität an Herstellung und Vertrieb beteiligter Dritter sowie die Vertriebswege erteilen müssen.

    Um mutmaßliche Verletzungen von geistigem Eigentum schnell aufzuhalten, gibt Art. 50 TRIPS Voraussetzungen für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen vor.

    Mögliche Rechtsfolgen bei IP-Verletzungen

    Die Gerichte müssen nach dem nationalen Recht folgende drei Sanktionsmöglichkeiten haben: Unterlassungsanordnung (Art. 44 TRIPS), Schadensersatz (Art. 45 TRIPS) und sonstige Rechtsbehelfe (Art. 46 TRIPS).

    Mit einer Unterlassungsanordnung etwa soll insbesondere verhindert werden, dass importierte Waren, die Rechte des geistigen Eigentums verletzen, nach der Zollfreigabe auf den inländischen Markt gelangen.

    "Angemessener" Schadensersatz soll in Fällen der Kenntnis oder des Kennenmüssens um die Verletzungshandlung angeordnet werden können (Art. 45 Abs. 1 TRIPS). Auch Anwaltskosten sollen gemäß Absatz 2 in angemessener Höhe zu erstatten sein. Vorgaben zur Bestimmung dieser "Angemessenheit" macht TRIPS den nationalen Rechtsordnungen dabei allerdings nicht.

    Als Sanktion können WTO-Mitglieder die Höhe des möglichen gesetzlichen Schadensersatzes selbst festlegen. Teilweise wird in nationalen Gesetzen auch sogenannter Strafschadensersatz vorgesehen. Siehe dazu zum Beispiel die Entwicklungen im chinesischen Recht: GTAI-Rechtsbericht.

    Ferner ist zum Beispiel auch die Anordnung der Vernichtung der rechtsverletzenden Waren (Piraterieprodukte) grundsätzlich gestattet (Art. 46 TRIPS). Dies soll vor allem der Abschreckung von Verletzungen dienen. Die rechtswidrig angebrachte Marke von nachgeahmten Markenprodukten zu entfernen, soll nicht ausreichen, um diese in den Vertrieb zu bringen.

    Schließlich sollen die WTO-Mitglieder nach Art. 61 TRIPS Strafverfahren vorsehen zumindest in Bezug auf Fälle vorsätzlicher Nachahmung von Markenwaren oder vorsätzlicher unerlaubter Herstellung urheberrechtlich geschützter Waren "in gewerbsmäßigem Umfang". Dabei soll auch die Umsetzung entsprechender Vorschriften in der Praxis in Betracht gezogen werden. Die Strafen sollen zur Abschreckung ausreichen. Auch für andere Fälle sind Straftatbestände möglich.

    Weitere Maßnahmen der Zusammenarbeit

    Mit besonderen Maßnahmen zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums an der Grenze, also bei der Einfuhr von nachgeahmten Waren, befassen sich die Art. 51 bis 60 TRIPS. Dabei geht es insbesondere um die Zusammenarbeit des Rechtsinhabers mit den Zollbehörden. Zumindest sollen solche Verfahrensbestimmungen hinsichtlich nachgeahmter Markenwaren und unerlaubt hergestellter urheberrechtlich geschützter Waren aufgestellt werden. Dies können auch Bestimmungen zu einem Vorgehen von Amts wegen sein (Art. 58 TRIPS).

    Außerdem bestimmt Art. 69 TRIPS, dass die WTO-Mitglieder mit dem Ziel zusammenarbeiten, den internationalen Handel mit rechtsverletzenden Waren zu beseitigen. Dazu sind sie zum Informationsaustausch über diesen bereit und fördern insbesondere die Zusammenarbeit mit den Zollbehörden bezüglich des Handels mit nachgeahmten Waren.

    Im Hinblick auf diese internationale Zusammenarbeit zur Beseitigung des internationalen Handels mit rechtsverletzenden Waren errichten die WTO-Mitglieder Kontaktstellen, die notifiziert werden. Welche Stellen dies in Deutschland sind, kann der WTO-Website entnommen werden.

    Von Julia Merle | Bonn

  • Andere internationale Abkommen im IP-Bereich

    In Bezug auf Immaterialgüterrechte bestanden bereits vor Abschluss des TRIPS diverse internationale Übereinkommen. Wie verhält sich TRIPS zu diesen?

    Einbeziehung bestehender Vorschriften

    Außer TRIPS existieren verschiedene völkerrechtliche Verträge im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, die von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) verwaltet werden. Dies führt zu der Frage: In welchem Verhältnis steht das WTO-Übereinkommen TRIPS zu anderen internationalen Übereinkommen im Bereich des geistigen Eigentums?

    Artikel 2 Abs. 2 TRIPS macht deutlich, dass die Bestimmungen des TRIPS in den Teilen I bis IV die bestehenden Verpflichtungen der Mitglieder untereinander nach der Pariser Verbandsübereinkunft, der Berner Übereinkunft, dem Rom-Abkommen und dem Vertrag über den Schutz des geistigen Eigentums im Hinblick auf integrierte Schaltkreise nicht außer Kraft setzen.

    Durch Verweise im TRIPS finden viele Vorschriften der bestehenden Abkommen auf alle WTO-Mitglieder Anwendung. Das bedeutet anders ausgedrückt, dass so auch für diejenigen WTO-Staaten, die den inkorporierten Übereinkünften bislang nicht angehören, einige ihrer Vorgaben gelten. Mit diesen Bezugnahmen soll sichergestellt werden, dass darin festgeschriebene Bestimmungen von den Mitgliedern befolgt werden.

    "Paris-plus und Bern-plus"

    Das älteste der oben aufgezählten Abkommen ist die sogenannte "Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums" (PVÜ) von 1883 (mehr dazu siehe: Informationen der WIPO). Artikel 2 Abs. 1 TRIPS bestimmt, dass die WTO-Mitglieder bezüglich der Teile II, III und IV TRIPS die Art. 1 bis 12 sowie Art. 19 der PVÜ - in der "Stockholmer Fassung" vom 14. Juli 1967 - zu befolgen haben. Dabei handelt es sich um materiell-rechtliche Vorschriften. Siehe zu den relevanten PVÜ-Vorschriften im Einzelnen: WTO-Website.

    Fast genauso lange existiert die "Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst" im Bereich Urheberrecht (mehr dazu: Informationen der WIPO). Hinsichtlich dieser findet sich eine Inkorporierungsvorschrift etwa in Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS: Danach befolgen die Mitglieder die Art. 1 bis 21 der revidierten "Pariser Fassung" vom 24. Juli 1971 einschließlich des Anhangs dazu. Siehe zu den Vorschriften der Berner Übereinkunft im Detail: WTO-Website.

    Es wird von einem "Paris-plus- und Bern-plus-Ansatz" des TRIPS gesprochen, da das TRIPS die Vorgaben dieser beiden Abkommen vielfach erweitert, etwa zusätzliche Bedingungen aufstellt, und um neue Bestimmungen ergänzt.

    Erwähnenswert ist ferner, dass die bestehenden älteren Abkommen anders als das TRIPS eine Verpflichtung zur Meistbegünstigung nicht vorsehen. Die WIPO-Verträge enthielten auch keine Einzelheiten bezüglich Verfahren zur Durchsetzung der Rechte oder zur Streitschlichtung sowie keine Vorschriften in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse.

    Priorität und andere Grundsätze

    Ein wichtiger Grundsatz, der durch den Verweis in Art. 2 Abs. 1 TRIPS auf die PVÜ in das TRIPS integriert wird und hinsichtlich verschiedener Schutzrechte von Relevanz ist, ist zum Beispiel das Prioritätsrecht.

    Wer ein gewerbliches Schutzrecht anmeldet, darf nach dem sogenannten "Prioritätsrecht" den Tag einer früheren Anmeldung - den Prioritätstag - für spätere Anmeldungen heranziehen. So befinden sich diese auf demselben, das heißt dem früheren zeitlichen Rang. Dies ist besonders im Hinblick darauf relevant, da regelmäßig in der Zwischenzeit weitere Entwicklungen erfolgen, insbesondere Dritten Rechte entstehen.

    Artikel 4 PVÜ sieht im Wesentlichen vor: Wer ein Patent in einem Mitgliedstaat der PVÜ anmeldet, darf danach innerhalb von zwölf Monaten diesen Anmeldetag der ersten Anmeldung für weitere Anmeldungen derselben Erfindung in anderen PVÜ-Vertragsstaaten beanspruchen; im Hinblick auf Marken liegt diese Frist bei sechs Monaten. Übertragen auf das TRIPS bedeutet dies also, dass bei einer ersten Anmeldung in einem WTO-Mitgliedstaat ein (befristetes) Prioritätsrecht in Bezug auf alle anderen entsteht. Im Urheberrecht gibt es allerdings eine solche Priorität nicht.

    Außerdem sind in der PVÜ auch Grundsätze wie insbesondere die Inländergleichbehandlung (Art. 2 PVÜ) festgeschrieben, die im jeweiligen nationalen Recht der Vertragsstaaten zu beachten sind.

    Auf Verfahren, die betreffend Erwerb und Aufrechterhaltung von Rechten des geistigen Eigentums in mehrseitigen WIPO-Übereinkünften enthalten sind, finden gemäß Art. 5 TRIPS die Grundsätze der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung keine Anwendung. Nicht in TRIPS inkorporiert wurden im Bereich der Marken zum Beispiel die WIPO-Übereinkünfte Madrider Übereinkommen und Madrider Protokoll zur internationalen Registrierung von Marken sowie die Nizza-Klassifikation.  

    Von Julia Merle | Bonn

  • Weiterführende Hinweise

    Wo können Sie weitere Informationen zum TRIPS und zum Recht des geistigen Eigentums aufrufen? Nachfolgend finden Sie ausgewählte Internetadressen.

    • Umfangreiche Informationen rund um das TRIPS-Abkommen stellt die WTO in englischer Sprache auf ihrer Website bereit.
    • Dokumente in Bezug auf das TRIPS sind insbesondere über die Datenbank "e-TRIPS Gateway" der WTO aufrufbar.
    • Informationen zum angesprochenen Themenkomplex öffentliche Gesundheit und TRIPS sind auf der WTO-Website unter "TRIPS and public health" zu finden.
    • Relevante ausländische Gesetze im Bereich geistiges Eigentum können beispielsweise über die kostenfreie Gesetzesdatenbank der WIPO "WIPO Lex" nachgeschlagen werden. 
    • Zu Regelungen des gewerblichen Rechtsschutzes im nationalen Recht vieler Länder weltweit informiert GTAI allgemein in der entsprechenden Rubrik der Länderberichte der GTAI-Reihe "Recht kompakt". Gesetzestexte aus zahlreichen Ländern stellt GTAI in der jeweiligen Linksammlung zu ausländischen Gesetzen zusammen.
    • Mehr Informationen über das WTO-Recht finden Sie auf der GTAI-Seite zur Welthandelsorganisation.

    Von Julia Merle | Bonn

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.