Wirtschaftsumfeld I Usbekistan I Arbeitsmarkt
Arbeitsmarkt
Das Land verfügt über viele junge, motivierte und schnell verfügbare Arbeitskräfte. Bis zu zwei Fünftel der Jobs im Land entfallen auf den informellen Sektor.
05.07.2023
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Der Arbeitsmarkt Usbekistans zeichnet sich durch eine Reihe von Besonderheiten aus. Hierzu zählen:
- stetige und hohe Zunahme erwerbsfähiger Personen,
- motivierte und für neue Technologien offene Bevölkerung mit einem jungen Durchschnittsalter von 29 Jahren,
- hohe Beschäftigungsquote in der Landwirtschaft,
- große verdeckte Arbeitslosigkeit,
- Fachkräftemangel in technologisch orientierten Branchen.
Bevölkerung (1. Januar 2023; in Mio.) | 36,0 |
Erwerbspersonen (Frauen ab 16 bis 55 Jahre und Männer ab 16 bis 60 Jahre; in Mio.) 1 | 19,5 |
Erwerbstätige (in Mio.) | 13,7 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition) | 8,9 |
Analphabetenquote (Bevölkerung ab 15 Jahren; in %) | 0,01 |
Hochschulabsolventen (in %, vorläufige Angabe) 2 3 | 35,4 |
Abschlüsse in der mittleren Fachausbildung (in %, vorläufige Angabe) 2 | 44,7 |
Nur die Hälfte der Bevölkerung lebt in der Stadt
Die Bevölkerung wuchs zwischen 2019 und 2022 im Schnitt jährlich um 674.000 Personen. Nur rund die Hälfte (50,8 Prozent) der Bevölkerung lebte zu Jahresbeginn 2023 in Städten. In Zentral- und Westusbekistan wohnen bis zu zwei Drittel der Einwohner in Dörfern.
Informeller Sektor stark ausgeprägt
Usbekistan zählte im Jahr 2022 offiziell 13,7 Millionen Erwerbstätige. Von allen Beschäftigten waren etwas weniger als die Hälfte im formellen und knapp zwei Fünftel im informellen Sektor tätig. Etwa 2 Millionen verdienten ihr Geld als Arbeitsmigranten im Ausland, vorwiegend in Russland und Kasachstan.
Das Gros der informell beschäftigten Personen arbeitet in der Landwirtschaft, führt saisonale Tätigkeiten aus, treibt Handel oder engagiert sich in den Branchen Bau und Transport. Die Regierung bemüht sich mit sichtlichem Erfolg, mehr Arbeitsplätzen zu legalisieren.
Der Agrarsektor stellt mit offiziell etwa 3,6 Millionen und inoffiziell mit etwa 4 Millionen Beschäftigten die meisten Arbeitsplätze in Usbekistan.
Sektor | 2010 | 2019 | 2020 | 2021 |
---|---|---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft | 26,8 | 26,2 | 26,4 | 25,9 |
Industrie 1 | 13,8 | 13,5 | 13,7 | 13,9 |
Handel/Gastronomie | 10,6 | 10,6 | 10,6 | 11,4 |
Bauwirtschaft | 8,9 | 9,8 | 9,9 | 9,5 |
Transport und Lagerhaltung | 4,4 | 4,8 | 4,6 | 4,8 |
Große verdeckte Arbeitslosigkeit
Die offizielle Arbeitslosenquote von 8,9 Prozent im Jahr 2022 bemisst sich an den mehr als 1,3 Millionen Personen, die sich im Jahresverlauf zur Stellenvermittlung gemeldet haben. Experten schätzen die landesweite reale Arbeitslosenrate auf 30 Prozent und mehr. Hierbei sind ländliche Regionen stärker betroffen als Städte.
Mithilfe der öffentlichen Verwaltung sollen die jährlich bis zu 700.000 Absolventen von Bildungseinrichtungen aller Stufen schneller als bisher eine Arbeit finden. Nach offizieller Sichtweise ist die Umsetzung erfolgreich. Allerdings zeigt sich, dass die neuen Stellen oftmals keinen langfristigen Lebensunterhalt sichern.
Weitreichende Bildungsreformen gestartet
Die Regierung hat tiefgreifende Reformen eingeleitet, um die qualitative und quantitative Ausbildung an den allgemeinbildenden, spezialisierten Mittel- und Berufsschulen sowie Hochschulen zu verbessern. Zudem gründet sie vermehrt Berufsausbildungszentren in den Mahalla-Nachbarschaftsgemeinden (unterste Ebene der lokalen Verwaltung) und unterstützt die IT-Gründerszene in allen Landesteilen. Die meisten Ausbildungsgänge an den Berufsschulen und Ausbildungszentren sind allerdings bei weitem noch nicht mit einer klassischen beruflichen Ausbildung in Westeuropa vergleichbar.
Die Einschreibungen an den Hochschulen legen in letzter Zeit spürbar zu (Neuimmatrikulationen in den Bachelorstudiengängen 2022/2023: 190.400). Zahlreiche private Hochschulen und Filialen ausländischer Institute sowie viele Kooperationsvereinbarungen mit ausländischen Partnerhochschulen und Forschungseinrichtungen bringen mehr Vielfalt in die usbekische Hochschullandschaft.
Dennoch schneidet Usbekistan, gemessen an der Anzahl der Studenten pro 10.000 Einwohner, im internationalen Vergleich immer noch schlecht ab (2022/2023: etwa 300). Im benachbarten Kasachstan ist diese Quote deutlich höher. Prekär ist der Mangel an Plätzen für das Masterstudium.
Weitere Probleme sind der geringe Anteil der eigentlichen Fachausbildung im Bachelorstudium und die oftmals geringe Bezahlung der Hochschullehrkräfte, was Korruption begünstigt. Positiv entwickelt sich hingegen die Anzahl der Studenten, die technisch orientierte Studiengänge belegen.
Alljährlich wählen Zehntausende junge Usbeken mangels lokaler Studienplatzangebote den Weg ins Ausland, allein bis zu 30.000 von ihnen studieren in Russland.
Vorsicht bei Empfehlungen
Die Suche nach qualifizierten Ingenieuren, Technikern, Vertriebsexperten, Fachkräften mit Auslandserfahrung und Mitarbeitern für die Produktion gestaltet sich oftmals schwierig. Das gilt in besonders hohem Maße für die Regionen außerhalb der Hauptstadt Taschkent. Viele Absolventen sind allerdings sehr lernfähig und zeichnen sich durch Improvisationstalent aus. In der IT-Branche gibt es zahlreiche junge Autodidakten.
Kandidaten für freie Stellen werden üblicherweise auf Empfehlung von bereits im Unternehmen Beschäftigten, über Anzeigen auf Jobportalen oder in Printmedien eingestellt. Bei Neueinstellungen auf Empfehlung - auch von Arbeitsämtern und kleinen Personalagenturen - ist Obacht geboten. Die vorgeschlagenen Kandidaten erfüllen oft nicht die fachlichen Voraussetzungen. Hochschulabschlüsse müssen zudem nicht Ausdruck des tatsächlichen Wissensstandes sein.
Bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern sollten Ausschreibungen und ein Auswahlverfahren mithilfe einer erfahrenen Personalagentur durchgeführt werden. Die Agenturen berechnen für ihre Dienste im Schnitt 10 bis 20 Prozent eines Jahresgehalts pro vermittelter Fachkraft. Für Topmanager verlangen sie oft mehr und gewähren eine Garantie für den Kandidaten von mindestens zwei bis drei Monaten. Bei Nichteignung sorgen die Agenturen für Ersatz. Zum Teil verlangen die Agenturen für ihre Dienste eine Vorauszahlung von bis zu einem Drittel der vereinbarten Vermittlungsgebühr.