Branchenbericht Ägypten Textilien, Bekleidung
Ägyptens Textilindustrie profitiert von der Abwertung des Pfundes
Die mehrfache Abwertung des ägyptischen Pfunds seit 2022 verbessert die Wettbewerbsposition für in Ägypten hergestellte Textilien und Bekleidung.
23.01.2025
Von Marcus Knupp | Berlin
Im Dezember 2024 meldete der Exportrat der ägyptischen Bekleidungsindustrie eine Zunahme der Exporte der Branche in den ersten zehn Monaten des Jahres um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Nach 2,44 Milliarden US-Dollar (US$) im Gesamtjahr 2023 betrug der Wert im betrachteten Zeitraum bereits 2,27 Milliarden US$. Für 2025 rechnet der Branchenverband mit einem weiteren Anstieg auf 3,3 Milliarden US$. Dieser Wachstumsschub steht im Zusammenhang mit der Abwertung der ägyptischen Währung gegenüber dem US-Dollar seit 2022. Insbesondere Erzeugnisse lohnintensiver Branchen lassen sich dadurch günstiger auf dem Weltmarkt anbieten.
Verkürzung der Lieferwege nach Europa
Ein weiterer Faktor sind Bestrebungen von Importländern, ihre Lieferketten resilienter gegenüber Unterbrechungen und einseitigen Abhängigkeiten aufzustellen. Aus europäischer Sicht gewinnen die Länder des Mittelmeerraums wegen der räumlichen Nähe und weitgehend unbehinderter Transportwege dadurch an Bedeutung. Zudem verfügen die Maghrebstaaten, Ägypten oder die Türkei über ein großes Potenzial an Arbeitskräften, was sie als Produktionsstandorte für arbeitsintensive Branchen interessant macht.
Gegenwärtig sind die USA mit einem Anteil von über 40 Prozent der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt für Bekleidung aus Ägypten. Mit Spanien und Deutschland sind zwei europäische Ziele unter den Top-5 des Jahres 2023. Bekleidung im Wert von etwa 120 Millionen US$ ging 2023 nach Deutschland.
Hosen führen die Liste der meist exportierten Produkte an. Im Jahr 2023 entfielen auf diese Produktgruppe mit 893 Millionen US$ allein 37 Prozent der Ausfuhren. Danach folgen T-Shirts und Polohemden, Hemden und Blusen sowie Sportbekleidung und Unterwäsche. Deutschland bezieht aus Ägypten vor allem Anzüge, Kostüme, Hosen, Röcke, Pullover, T-Shirts und Unterwäsche.
Verschiedene Freihandelsabkommen erlauben ägyptischen Produzenten den zollfreien Zugang zu wichtigen Märkten. Mit dem 2013 abgeschlossenen Assoziierungsabkommen mit der EU genießen industrielle Erzeugnisse aus Ägypten den freien Zugang zu europäischen Märkten. Die seit 2005 bestehende Greater Arab Free Trade Area (GAFTA) öffnet die Märkte Nordafrikas und der arabischen Halbinsel. Ägypten ist daneben Mitglied des die Länder des südlichen und östlichen Afrika umfassenden Handelsraums COMESA. Mit den USA schließlich besteht das Abkommen über Qualified Industrial Zones (QIZ). Betrieben in diesen Zonen steht unter bestimmten Bedingungen der US-amerikanische Markt offen. Näheres zu Zoll und Einfuhrverfahren bietet die GTAI-Publikation Zoll und Einfuhr kompakt.
Fertigungstiefe, lokaler Markt und Arbeitskräfte sprechen für Ägypten
In der Industrialisierungsstrategie Ägyptens nimmt die Textil- und Bekleidungsbranche eine wichtige Stellung ein. Sie besitzt den Vorteil einer großen lokalen Fertigungstiefe. In Ägypten sind vom Baumwollanbau über die Herstellung von Stoffen und Garnen bis zur Produktion von Bekleidung, Heimtextilien und Teppichen alle wesentlichen Produktionsstufen vertreten.
Weiterer Vorteil: Mit über 100 Millionen Einwohnern ist Ägypten ein relevanter Absatzmarkt und verfügt gleichzeitig über ein großes Potenzial an Arbeitskräften. Rund 2,5 Millionen Menschen arbeiten in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Über 80 Prozent der rund 12.000 Unternehmen der Branche sind kleine und mittelgroße Firmen. Die Garn- und Stoffherstellung dominieren dagegen größere, oft staatliche Unternehmen.
Mit einem groß angelegten Programm modernisiert die ägyptische Regierung derzeit die staatlichen Betriebe der Textilindustrie. Bis Ende 2026 sollen etwa 1,1 Milliarden US$ ausgegeben werden. Aktuell investieren auch zahlreiche Unternehmen aus Asien, aber auch aus der Türkei in den Bekleidungssektor Ägyptens. Sie nutzen die günstigen Rahmenbedingungen wie niedrige Lohn- und Energiekosten, vorhandene Infrastruktur und Fachkräfte, Lagevorteile zu wichtigen Märkten sowie Handelserleichterungen. Hinzu kommen Maßnahmen der örtlichen Investitionsförderung wie eine fünf- bis zehnjährige Befreiung von direkten Steuern oder Vergünstigungen beim Landerwerb. Auch ägyptische Unternehmen expandieren. So plant Giza Spinning and Weaving fünf neue Betriebe mit einem Investitionsvolumen von 15 Millionen US$ in den nächsten fünf Jahren.
Das gestiegene Investitionsvolumen spiegelt sich direkt in den Einfuhren von Textilmaschinen. Ein wesentlicher Teil der Zunahme im Jahr 2023 geht auf den Kauf von Spinnmaschinen zurück. Hiervon konnten zwar auch deutsche Lieferanten profitieren. Da jedoch die Verkäufe in anderen Maschinenkategorien zurückgingen, ist der Zuwachs nur gering. Der Marktanteil deutscher Maschinen hat sich dadurch gegenüber dem Vorjahr verringert. Insgesamt dominieren infolge von Großaufträgen in den einzelnen Jahren unterschiedliche Produktgruppen die deutschen Exporte von Textilmaschinen nach Ägypten.
Projekt | Unternehmen | Anmerkungen |
---|---|---|
Fertigung von Bekleidung in West Qantara Industrial Area | Eroğlu Giyim (Türkei) | Investition 51 Mio. US$ in zweites Werk in Ägypten |
Neue Fabriken in 10th of Ramadan City und Borg-el-Arab, Erweiterung in Ismailia | Jade Textile (Türkei) | Verdoppelung der Produktionskapazitäten in Ägypten; insgesamt 180 Mio. US$ Investitionen |
Werk für Heimtextilien in Suez Canal Economic Zone | Kelida (China) | Investition von 30 Mio. US$ |
Integrierte Fabrik für Stoffe und Hemden | Luthai Group (China) | Investitionen von 385 Mio. US$ angekündigt |
Fabrik für Jeansprodukte | Denim Rise (Türkei) | Investition von 8,8 Mio. US$ |
Stoffherstellung in Sadat City | Kingdom Holdings (China) | Investition von 60 Mio. US$ |
Baumwolle als Rohstoffbasis
Ägypten produziert traditionell hochwertige Baumwolle. Die inländische Ernte entspricht etwa drei Vierteln des lokalen Bedarfs. Ein großer Teil der Produktion wird allerdings in der Regel exportiert, so dass umgekehrt auch erhebliche Mengen eingeführt werden müssen. Die Abwertung des ägyptischen Pfunds führt hier zu höheren Kosten für Importbaumwolle. Die Nachfrage nach lokal angebauter Baumwolle steigt. In der Folge wurde die Anbaufläche in den vergangenen fünf Jahren erheblich ausgeweitet.
Im Rahmen der von der United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) unterstützten Entwicklungsinitiative Egyptian Cotton Project versucht die ägyptische Regierung, diese Expansion möglichst nachhaltig zu gestalten mit Blick auf Umweltschutz, wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Ziel der Regierung ist es, die lokale Wertschöpfung aus der Baumwolle zu erhöhen durch Investitionen in Spinnereien und Webereien. Ein Vorzeigeprojekt ist die neue Anlage Ghazl 4 in Mahalla el-Kubra mit 188.000 Spindeln.
Im Rahmen des Markterschließungsprogramms (MEP) des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) findet vom 21. bis 25. September 2025 eine Geschäftsanbahnungsreise nach Ägypten mit dem Branchenschwerpunkt Textilmaschinen statt.
Interessierte Unternehmen finden weitere Informationen auf der Projektseite des Durchführers Systems for Business Solutions (SBS).