Branchen | Algerien | Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)
Algerien baut den öffentlichen Nahverkehr aus
Um den Stadtverkehr zu entlasten, bringt Algerien Projekte für den Ausbau von U-Bahn, Straßenbahn und Seilbahn voran. Dabei könnten auch deutsche Zulieferer gefragt sein.
04.11.2024
Von Verena Matschoß | Tunis
Wer einmal im hügeligen Algier unterwegs war, weiß, wie anstrengend die Fahrt mit dem Auto sein kann. Vor allem zu den Hauptverkehrszeiten am Morgen und am Abend kann sich die Fahrt von der Arbeit nach Hause stundenlang ziehen. Die Hauptstadt steht deswegen auch im Fokus des Ausbaus des öffentlichen Personennahverkehrs in Algerien.
U-Bahn soll in Algier bald zum Flughafen führen
Die erste und einzige U-Bahn in Algerien fährt seit dem Jahr 2011 im Zentrum der Hauptstadt. Nach zwei Erweiterungen in den Jahren 2015 und 2018 umfasst sie derzeit 19 Haltestellen auf einer Länge von 19 Kilometern.
Gerade werden zwei weitere Erweiterungen im Süden und Osten der Stadt umgesetzt mit einer Gesamtlänge von rund 14 Kilometern. Die Infrastrukturarbeiten sind bei beiden Vorhaben fast abgeschlossen. Ausführendes Bauunternehmen ist das Staatsunternehmen Cosider. Eigentlich hätten beide Projekte schon vor einigen Jahren fertig gestellt werden sollen, aber die Umsetzung verzögerte sich.
Angedacht ist außerdem eine große Erweiterung ab der Haltestelle Place des Martyrs im Westen mit einer Gesamtlänge von 25 Kilometern. Das Projekt befindet sich aktuell in der Studienphase.
Strecke | Details | Stand |
---|---|---|
El Harrach (derzeitige Endstation im Osten Algiers) zum Flughafen Algier | 9,5 Kilometer, 9 Haltestellen, 8 Kilometer Tunnel | Infrastrukturarbeiten fast abgeschlossen, internationale Ausschreibung für integrale Systeme erfolgt/derzeit Auswertung der Angebote, Ausschreibung für rollendes Material für 2025 geplant |
Aïn Naâdja (derzeitige Endstation im Süden) nach Baraki | 4,2 Kilometer, 4 Haltestellen (2 oberirdisch, 2 unterirdisch) | Infrastrukturarbeiten führt das Staatsunternehmen Cosider durch, internationale Ausschreibung für integrale Systeme erfolgt/derzeit Auswertung der Angebote |
Erweiterung im Westen (Place des Martyrs - Chevaley, ab Chevaley Trennung in zwei Abschnitte) | 25 Kilometer, 24 Haltestellen | Studienphase |
Chinesische Unternehmen beteiligen sich an Ausschreibungen
Nachdem die Bauphase weitgehend abgeschlossen ist, geht es jetzt bei beiden Erweiterungen um die Installation der integralen Systeme, also unter anderem um die Anschaffung von Systemen zur Energieversorgung, von Aufzugsystemen, Informations- und Kommunikationssystemen und von Signal- und Automatisierungstechnik.
Die Ausschreibungsfrist für beide Vorhaben ist abgeschlossen und die eingegangenen Angebote werden derzeit geprüft. Dem Vernehmen nach haben sich auf diese Ausschreibungen vor allem Konsortien aus China beworben. Die Ausschreibungen für die Anschaffung von rollendem Material werden voraussichtlich 2025 erfolgen, wenn das Budget im Haushalt dafür freigegeben wird.
Die 26 U-Bahnzüge, die in Algier fahren, stammen von dem spanischen Hersteller CAF. Die ersten 14 Züge, die angeschafft wurden, waren mit einem Motor von Siemens ausgestattet; die zwölf Züge aus der zweiten Anschaffung mit einem CAF-Motor. Bis 2027 sollen noch einmal zwölf Züge eingekauft werden, die dann den gestiegenen Bedarf nach der Erweiterung decken sollen.
Straßenbahnen bald auch in Blida, Skikda und Batna?
Neben der U-Bahn liegt ein weiterer Fokus auf dem Ausbau des Straßenbahnnetzes. Bisher gibt es in folgenden sieben Städten ein Straßenbahnsystem: Algier, Oran, Constantine, Ouargla, Sétif, Sidi Bel Abbes, Mostaganem.
Für die mögliche Straßenbahnnetze in den Städten Blida, Skikda und Batna werden aktuell Machbarkeitsstudien durchgeführt. Das Projekt einer Straßenbahn in Batna wird schon lange diskutiert, wurde aber seit 2015 nicht weiter verfolgt.
Bei den ersten drei Projekten in Algier, Oran und Constantine wurden die Züge noch von Alstom direkt geliefert. Danach ging man dazu über, die Züge in Algerien zu montieren. Seitdem montiert Ferrovial in Partnerschaft mit Alstom, der Entreprise Métro d'Alger und der Staatsbahn SNTF Citadis-Straßenbahnen in Annaba.
Auch Ausbau der Seilbahn in Planung
Aufgrund seiner hügeligen Topografie hat Algerien als eines der wenigen afrikanischen Länder ein Netz von Seilbahnen. Das Seilbahnnetz umfasst 13 Anlagen in den Städten Algier, Blida, Tizi Ouzou, Tlemcen, Skikda, Annaba, Constantine und Oran. Für Betrieb und Wartung ist das staatliche Unternehmen Entreprise de Transport par Câble (ETAC) zuständig.
Im November 2023 hat das algerische Verkehrsministerium einen Plan für die Sanierung und den Bau neuer Linien gestartet. In Algier sollen drei Seilbahnen und eine Gondelbahn, die seit mehreren Jahren außer Betrieb sind, wieder in Betrieb genommen werden. Im Juni 2024 wurde eine Ausschreibung für das Seilbahnprojekt in Béjaia veröffentlicht, und in Constantine befinden sich zwei neue Seilbahnlinien in der Studienphase.
Algerien legt Wert auf lokale Fertigung
Sofiane Ramdani, Leiter der Wirtschaftsabteilung bei der AHK Algerien, sieht im Eisenbahnsektor vielfältige Chancen für deutsche Unternehmen beim Infrastrukturausbau und bei Zulieferungen. Algerien verstärkt allerdings seine Lokalisierungsbemühungen und bei öffentlichen Ausschreibungen wird darauf geachtet, dass so viel Ausrüstung wie möglich aus lokaler Fertigung stammt.
Ausschreibungen werden in Zeitungen oder auf speziellen Ausschreibungsseiten veröffentlicht. Um deutschen Unternehmen den Zugang zu Projekten zu erleichtern, hat die AHK Algerien hat eine Ausschreibungsdatenbank inklusive Ausschreibungsservice ins Leben gerufen.
Die Deutsch-Algerische Industrie- und Handelskammer bietet eine neue Ausschreibungsdatenbank für Algerien an. Die Plattform ist dreisprachig (deutsch, französisch, englisch) und enthält Bau-, Liefer- sowie Dienstleistungsaufträge in unterschiedlichen Branchen.
Bei Bedarf können deutsche Unternehmen von der AHK Algerien weiterführende Unterstützung beim Ausschreibungsprozess erhalten.
Sofiane Ramdani gibt aber zu bedenken: "Geduld und ausreichende Ressourcen sind erforderlich, da bei großen Projekten häufig mit zeitlichen Verzögerungen und Zahlungsaufschüben gerechnet werden muss." Ebenso sei eine lokale Präsenz vor Ort entscheidend für den erfolgreichen Abschluss und die Entwicklung von Geschäften in Algerien.
Bezeichnung | Anmerkungen |
---|---|
Germany Trade & Invest | Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft |
AHK Algerien | Deutsch-Algerische Industrie- und Handelskammer |
Entreprise Métro d'Alger (EMA) | Verantwortliches Unternehmen für Bau und Instandhaltung der U-Bahninfrastruktur |
SEMA | Betrieb und Wartung der U-Bahnen |
Société d'Exploitation des tramways (SETRAM) | Betrieb und Wartung der Straßenbahninfrastruktur |
Entreprise de Transport Algérien par Câbles (ETAC) | Betrieb und Wartung der Seilbahnen |
CITAL | Joint Venture zur Montage und Wartung von Citadis-Straßenbahnen (Alstom, Ferrovial, EMA, SNTF) |
Cosider | Staatliches Bauunternehmen |