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Wirtschaftsumfeld | Algerien | Wirtschaftsstruktur

Energierohstoffe bestimmen Algeriens Wirtschaftsstruktur

Der Öl- und Gassektor dominiert weiterhin die Wirtschaft Algeriens. Die angestrebte Diversifizierung verläuft schleppend.

Von Friedrich Henle | Berlin

Der Rohstoffsektor steht für rund ein Drittel der Wertschöpfung, etwa die Hälfte der Staatseinnahmen und 90 Prozent der Exporte. Die staatlich forcierte, wirtschaftliche Diversifizierung kommt nur langsam voran. Ausländische Unternehmen finden jedoch in verschiedenen Branchen Geschäftschancen, wenn sie sich auf das lokale Geschäftsumfeld einstellen. Die Regierung hat sogenannte strategische Sektoren definiert, in denen eine Partnerschaft mit einem algerischen Unternehmen Pflicht ist. Dazu gehören unter anderem der Rohstoff- und Bergbausektor, die Pharmabranche und der Transportbereich.

Mittel- und langfristig dürfte Algerien ein wichtiger Öl- und Gaslieferant des nahe gelegenen Europa bleiben. In Zukunft könnten erneuerbare Energien beziehungsweise grüner Wasserstoff einen Teil der fossilen Energieträger ersetzen. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Algerien die eingeleiteten Maßnahmen konsequent weiter verfolgt.

 

46 Mio.

Personen lebten 2023 im Land.

Quelle: UN 2024

245 Mrd.

US-Dollar betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 laut Prognosen.

Quelle: IWF 2024

5.324

US-Dollar machte das BIP pro Kopf damit 2023 aus.

Quelle: IWF 2024

19 %

betrug die Analphabetenquote im Jahr 2018.

Quelle: Weltbank 2024

Rang 57

belegte das Land 2023 unter den deutschen Exportzielen.

Quelle: Destatis 2024

Rang 104

nimmt das Land im Corruption Perceptions Index 2023 ein (unter 180 Ländern).

Quelle: Transparency International 2024

Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.

Ausdauer zahlt sich aus

Deutsche Unternehmen haben im Jahr 2023 Waren im Wert von 2,1 Milliarden Euro nach Algerien exportiert. Das ist etwas mehr als nach Tunesien, in das Produkte im Wert von 1,8 Milliarden Euro ausgeführt wurden. Wie aus Unternehmenskreisen zu hören ist, können bestimmte Importgenehmigungen mitunter längere Zeit in Anspruch nehmen. Deutsche Firmenvertreter betonen, wie wichtig langfristig angelegte Beziehungen zu Geschäftspartnern vor Ort sind, weisen aber auch auf die zunehmende Preiskonkurrenz durch Anbieter aus China, der Türkei oder den Golfstaaten hin.

Algerien ist ein interessanter Markt mit einer wachsenden Bevölkerung, riesigen Ressourcen im Rohstoffbereich und großem Potenzial bei erneuerbaren Energien. Erfolgschancen steigen, wenn Unternehmen ein qualitativ hochwertiges Produkt und eine gute Dienstleistung dazu anbieten. Bürokratische Herausforderungen sind vorhanden, mit entsprechender Vorbereitung und lokaler Expertise aber zu lösen.

Hans-Christian Specht Geschäftsführender Gesellschafter, Ipsen Logistics GmbH

SWOT-Analyse Algerien

S

Stärken Strengths

  • Großer Binnenmarkt mit mehr als 46 Millionen Einwohnern 
  • Ergiebige Rohstoffvorkommen (Öl, Gas, Phosphat, Eisenerz)
  • Geografische Nähe zu Europa
  • Geringe Außenverschuldung
W

Schwächen Weaknesses

  • Hohe Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten sowie von Nahrungsmittel- und Ausrüstungsgüterimporten
  • Schwach diversifizierte Industrie, relativ kleiner Privatsektor
  • Politische Intervention, schwerfällige Verwaltung
  • Hohe Jugendarbeitslosigkeit
O

Chancen Opportunities

  • Verbesserte Investitionsbedingungen für ausländische Unternehmen
  • Erschließung neuer Öl- und Gasfelder öffnet deutschen Technologieanbietern neue Lieferchancen
  • Nutzen des großen Potenzials von erneuerbaren Energien
  • Diversifizierung der Wirtschaft
T

Risiken Threats

  • Sinkende Weltmarktpreise für Rohstoffe
  • Staatliches Defizit durch geringere Exporteinnahmen bei Öl und Gas
  • Zum Teil fragile Sicherheitslage
  • Wieder aufflammende Demonstrationen

Sektoren: Öl und Gas dominieren die Wirtschaft

Die Förderung von Öl und Gas bestimmt das Wirtschaftsmodell Algeriens. Aktuell profitiert das Land von gestiegenen Energiepreisen und der Nachfrage aus Europa. Investoren ziehen deshalb ein Engagement im Öl- und Gasbereich wieder stärker in Erwägung. Ihnen kommt auch eine günstigere Gesetzgebung seit dem Jahr 2020 zu Gute, die die Steuerlast reduziert hat. Der staatliche Sonatrach-Konzern schloss mehrere Abkommen mit ausländischen Energiekonzernen ab. Investitionen in die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder sind ohnehin nötig, um die Förderung auf dem aktuellen Niveau zu halten oder auszubauen.

Auf der anderen Seite zeigte sich während der Coronapandemie die Kehrseite der Rohstoffmedaille: Der Preissturz beim Weltmarktpreis für Öl und Gas führte zu massiven Einnahmeverlusten und einer Verzögerung bei staatlich finanzierten Vorhaben. Vor solchen externen Schocks ist die bislang wenig diversifizierte, algerische Wirtschaft weiterhin nicht gefeit.

Erneuerbare Energien 

Algerien hat sich seit Langem auf die Fahnen geschrieben, die lokale Produktion in verschiedenen Sektoren zu steigern beziehungsweise aufzubauen. Dieses Vorhaben kommt aber nur in kleinen Schritten voran.

Relativ wenig ausgeschöpft ist beispielsweise das große Potenzial an erneuerbaren Energien. Nach einer langsamen Entwicklung in den letzten Jahren scheint sich das Blatt nun etwas zu wenden. Der staatliche Strom- und Gasversorger Sonelgaz hat im März 2024 Verträge mit Ausschreibungsgewinnern zum Aufbau von Solarkraftkapazitäten über 3 Gigawatt abgeschlossen. Zum Zuge kommen mehrheitlich chinesische Unternehmen. Im Bereich grüner Wasserstoff werden erste Pilotanlagen geplant. Die deutsch-algerische Energiepartnerschaft ist in diesem Bereich ebenfalls aktiv.

Fahrzeuge "made in Algeria"

Die Produktion abseits des Rohstoffsektors spielt weiterhin eine vergleichsweise geringe Rolle. Im Jahr 2022 belief sich der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf weniger als 4 Prozent.

Der Automobilsektor könnte die Branche sein, in der sich in den nächsten Jahren vermehrt Chancen für ausländische Unternehmen bieten. Die Regierung möchte die lokale Produktion ankurbeln und hat im November 2022 deren Voraussetzungen neu festgelegt. Im Dezember 2023 eröffnete die Stellantis-Gruppe eine Montage für Autos der Marke Fiat im Regierungsbezirk (Wilaya) Oran. Weitere Autokonzerne aus Europa und China haben Produktionsprojekte angekündigt. Die Hersteller haben die Auflage, die lokale Wertschöpfungsquote sukzessive zu erhöhen.

Lokal hergestellte Lebensmittel für eine wachsende Bevölkerung

Auch im Nahrungsmittelbereich bestehen durch eine Politik der Importsubstitution gute Lieferchancen für entsprechende Ausrüstungsgüter. Ein anderer Treiber ist der stetig wachsende Absatzmarkt durch die Bevölkerungszunahme. Unternehmen haben diverse Neuvorhaben im Nahrungsmittelsektor angekündigt. Ausländische Maschinenbauer können davon profitieren, wenn sie sich auf das lokale Geschäftsumfeld einstellen.

In allen Branchen sind staatliche Unternehmen und Aufträge von großer Bedeutung. Laut einer Umfrage der nationalen Statistikbehörde ONS (Office National des Statistiques) arbeiteten im Jahr 2019 knapp 38 Prozent aller Beschäftigten im öffentlichen Sektor.

Bedeutung der Wirtschaftszweige in Algerien Anteile in Prozent

Sektoren

Anteil am BIP 2022

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

11,6

Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung)

31,4

Verarbeitendes Gewerbe

3,7

Energieversorgung (inklusive Wasserversorgung)

0,9

Baugewerbe

9,9

Dienstleistungen

39,1

Sonstiges (Steuern, Anpassungen)

3,4

Quelle: ONS 2023

Regionen: Konzentration auf die Mittelmeerküste

Die wirtschaftliche Aktivität in Algerien konzentriert sich auf den nördlichen Teil des Landes, der ans Mittelmeer angrenzt. Er nimmt nur 4 Prozent der Fläche ein, beherbergt aber etwa 40 Prozent der algerischen Bevölkerung. Die Hauptstadtregion Algier ist gleichzeitig auch das bedeutendste Wirtschaftszentrum des Landes. Laut algerischem Handelsregister CNCR (Centre National du Registre du Commerce) sind rund ein Drittel der algerischen Unternehmen (juristische Personen) hier beheimatet.

Die wichtige Öl- und Gasförderung findet hauptsächlich in den südlichen Landesteilen ("Grand Sud" genannt) statt, die geografisch von der Sahara bestimmt sind. Im Südosten sticht hier die Region um die Stadt Hassi Messaoud für die Ölförderung hervor. Neue Gasvorkommen werden vor allem im Südwesten des Landes erschlossen. Die wirtschaftliche Entwicklung des "Grand Sud" unterstützt die Regierung durch spezielle Förderprogramme für Unternehmen.

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