Branchen | Algerien | Automobilsektor
Algerien erweckt Automarkt wieder zum Leben
Nach Jahren des Importverbots können sich algerische Autofahrer wieder auf mehr Auswahl beim Autokauf freuen. Auch die Kfz-Produktion läuft langsam an.
07.03.2024
Von Verena Matschoß | Tunis
Der Schritt wurde von manchem Autofahrer in Algerien sehnsüchtig erwartet: Im März 2023 erhielten die ersten Autohändler wieder Genehmigungen zum Verkauf von Neuwagen. Das waren neben Halil Commerce et Industrie (HCI), dem Vertragshändler für Opel, der Fiat-Konzessionär Fiat El Djazair und Emin Auto, der Anbieter der chinesischen Marke JAC. Mehrere Jahre galten im Land Beschränkungen für die Einfuhr von Fahrzeugen - 2018 wurden Neuwagenimporte ganz verboten.
Fiat führt die Importe an...
Am 19. November 2023 gab Opel schließlich den Verkaufsstart in Algerien bekannt. Angeboten werden die Modelle Astra, Mokka und Grandland. Bisher dominiert aber vor allem die italienische Marke Fiat das Angebot. Bereits seit März 2023 kommen Autos von Fiat wieder nach Algerien. Die sechs Modelle werden über den Partner Fiat El Djazair in über 55 Verkaufsstellen angeboten. Bis zum 6. Februar 2024 wurden in diesem Jahr bereits 15.000 Fiat ausgeliefert. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 60.000.
Im Jahr 2023 kam es bei einigen Händlern noch zu Verzögerungen beim Verkaufsstart - aufgrund administrativer Probleme oder allgemeiner Lieferschwierigkeiten. Die vergebenen Quoten der Regierung in Höhe von 180.000 Kfz wurden daher auch nicht ausgeschöpft. Für 2024 ist das Importprogramm noch nicht verabschiedet. Es wird davon ausgegangen, dass der Verkauf im Jahr 2024 anzieht und die Auswahl steigt. Das wird auch dazu führen, dass die Kaufpreise sinken werden.
Marke | Konzessionär | Vergebene Einfuhrquoten 2023 |
---|---|---|
Gesamt | 180.000 | |
Fiat | Fiat El Djazair | 65.000 |
Geely | Sodivem | 39.000 |
Chery | Auto Leader Company | 10.000 |
JAC | Emin Auto | 7.000 |
Sokon | Sokon Algérie | 7.000 |
Citroen | Elsecom | 5.000 |
Opel | Halil Commerce et Industrie | 4.000 |
Für die Aufnahme der Konzessionärstätigkeit ist eine Genehmigung des Industrieministeriums nötig. Dieselfahrzeuge sind von einem Verkauf ausgeschlossen. Laut einer Meldung der Algerischen Presseagentur APS hat das Industrieministerium bis zum 11. Januar 2024 bereits 41 Genehmigungen erteilt, die zwölf Marken von Personen- und Nutzfahrzeugen umfassen. Dabei dominieren asiatische Marken.
Das Exekutivdekret Nr. 22-383 für die Aufnahme einer Konzessionärstätigkeit wurde am 17. November 2022 im algerischen Amtsblatt Nr. 76 veröffentlicht.
Der Konzessionär muss unter anderem:
- über geeignete Einrichtungen für die Ausstellung, den Kundendienst und die Lagerung verfügen.
- Personal mit erforderlicher Qualifizierung oder ausreichender Berufserfahrung einstellen.
- nach Ablauf eines Jahres in 28 Regionen (Wilayas) vertreten sein.
- über einen ausreichenden Vorrat an geeigneten Ersatzteilen verfügen.
Die Zulassung ist für fünf Jahre gültig und kann verlängert werden. Die Genehmigung kann nur für Kfz mit einem Benzin-, Elektro-, Wasserstoff- oder Hybridmotor erteilt werden.
...und nimmt die Produktion auf
Die Regierung möchte auch die Produktion vor Ort wieder ankurbeln und hat Mitte November 2022 deren Voraussetzungen neu festgelegt. Die Herstellung von Dieselfahrzeugen ist untersagt.
Der erste Hersteller, der die Produktion in Algerien wieder aufgenommen hat, ist der Stellantis-Konzern. In der Nähe von Oran, der zweitgrößten Stadt Algeriens, wird seit Dezember 2023 der Fiat 500 mit Hybridantrieb montiert. Der Fiat Doblò soll folgen - insgesamt ist die Herstellung von vier Modellen geplant. Im Fiatwerk sollen 2024 rund 40.000 Fahrzeuge in SKD-Montage (Semi Knocked Down) zusammengebaut werden. Bis 2026 ist die Herstellung von 90.000 Pkw auf Basis von CKD-Kits (Completely Knocked Down) angestrebt. Die CKD-Montage begünstigt eine höhere lokale Wertschöpfung.
Stellantis hat eigenen Angaben zufolge bereits 500 Arbeitsplätze in Algerien geschaffen und möchte bis 2026 rund 2.000 Mitarbeiter beschäftigen. Bis 2026 soll ein Lokalisierungsgrad von 35 Prozent erreicht werden.
Weitere Hersteller könnten folgen
Die algerische Presseagentur APS zitiert einen Verantwortlichen aus dem Industrieministerium, der angibt, dass 30 weitere Hersteller einen Antrag zur Kfz-Produktion gestellt hätten. Fortgeschritten seien vor allem die Pläne des chinesischen Herstellers Chery. Rund 110 Millionen US-Dollar will er in ein Werk in der Provinz Bordj Bou Arreridj investieren und zu Beginn 24.000 Fahrzeuge herstellen. Im dritten Produktionsjahr sollen es 100.000 Kfz sein.
Weitere interessierte Unternehmen seien die chinesischen Produzenten JAC und Geely sowie die koreanische Hyundai. Pressemeldungen zufolge bereitet sich auch Renault auf eine Wiedereröffnung seines Werkes in der Nähe von Oran vor, die Genehmigung habe das Unternehmen aber noch nicht erhalten.
Produzenten müssen auch exportieren
Die Regierung strebt eine Ansiedlung von vier bis fünf Automobilherstellern an. Damit eine Produktion in Algerien rentabel ist, müssten laut Experten pro Werk rund 150.000 Fahrzeuge im Jahr vom Band rollen. Wenn davon ausgegangen wird, dass maximal 400.000 Kfz jährlich auf dem Markt abgesetzt werden können, müssten Autos auch exportiert werden. Dies ist auch Voraussetzung für eine Ansiedlung vor Ort.
Mit der Autoproduktion soll auch die Zulieferindustrie ausgebaut werden. Dafür hat die Regierung Anforderungen an die Lokalisierung festgelegt. Derzeit fehlt noch ein echter Zuliefermarkt, der die Fabriken mit benötigten Teilen versorgen könnte. In den nächsten Jahren sollen in Algerien auch E-Autos hergestellt werden. Auch hier werden Zulieferer benötigt. Von seinem Chinabesuch im Juli 2023 brachte der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune zumindest die Ankündigung des chinesischen Präsidenten Xi Jingping mit, dass in Algerien eine der größten Fabriken für Lithiumbatterien entstehen soll.
Deutscher Batteriehersteller unterzeichnet Lizenzvertrag
Auch deutsche Unternehmen sind aktiv. Der Batteriehersteller Moll unterzeichnete Anfang Februar 2024 einen Technologie- und Lizenzvertrag mit seinem lokalen Partner Friction Tec. Die Unterzeichnung fand während der Algerienreise des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck statt. Friction Tec möchte die Technologie von Moll in Algerien anbieten. Nach eigenen Angaben produziert Moll 1,5 Millionen Batterien pro Jahr, größter Kunde ist der VW-Konzern.
Am 17. November 2022 wurde das Exekutivdekret Nr. 22-384 im algerischen Amtsblatt Nr. 76 veröffentlicht. Es legt die Voraussetzungen für eine Aufnahme einer Kfz-Produktion in Algerien fest.
Der Hersteller von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen muss unter anderem:
- die Höhe der geplanten Investition und die zu produzierenden Modelle angeben.
- eine Strategie vorlegen, wie er einem Lokalisierungsgrad von 10 Prozent nach Abschluss des zweiten, von 20 Prozent nach Abschluss des dritten und von 30 Prozent nach Abschluss des fünften Jahres erreichen will.
- nach fünf Jahren auch Fahrzeuge exportieren.
- nach fünf Jahren in seine Produktpalette mindestens ein Elektromodell aufnehmen.
Skandal setzte Autoproduktion ein Ende
Es gab schon einmal die Hoffnung, dass Algerien zu einem Automobilstandort wird. Im Jahr 2014 hatte Renault die Montage in der Nähe von Oran aufgenommen. Es folgten weitere Hersteller, wie der südkoreanische Produzent Hyundai und der deutsche Volkswagen-Konzern. Die Beschränkungen bei den Neuwagenimporten sollten auch die lokale Industrie ankurbeln.
Doch im Frühjahr 2017 erschütterte ein Skandal die Branche. Den Autoherstellern wurde vorgeworfen, ihre Fabriken für verdeckte Importe zu nutzen – gegen Hyundai wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt. Ende Juli 2017 verbot die Regierung als Reaktion alle neuen Projekte. Als im Mai 2020 der Import von Montagekits untersagt wurde, kam die Produktion in Algerien zum Erliegen.