Wirtschaftsumfeld | Bulgarien | Wirtschaftsstruktur
EU-Mitgliedschaft fördert Bulgariens Wachstum
Das Land muss parallel gleich zwei Entwicklungsprozesse meistern: die Verbesserung des Lebensstandards in den strukturschwachen Regionen und die Energiewende.
05.02.2025
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Bulgarien ist eng eingebunden in globale Wertschöpfungsketten und Deutschland ist größter Handelspartner. Das Balkanland erzielt mit Deutschland eine positive Handelsbilanz. Bulgarien exportiert hauptsächlich pharmazeutische Erzeugnisse, Elektrotechnik, Kupfererzeugnisse, Agrarprodukte und zunehmend IT-Dienstleistungen. Der deutsche Kupferproduzent Aurubis zählt neben Liebherr oder Lufthansa zu den größten deutschen Investoren in Bulgarien. Haupttreiber des bulgarischen Wirtschaftswachstums sind der private Verbrauch und der Export.
EU-Integration bietet Chancen
Bulgarien ist seit 2025 volles Mitglied im Schengenraum. Das Land wird voraussichtlich gegen Ende 2025 der Eurozone beitreten. Beide Schritte versprechen, Transportkosten und Währungskosten für deutsche Unternehmen zu senken. Würden die Binnengrenzkontrollen der EU in Bulgarien beibehalten, würde das 869,8 Millionen Euro an Kosten für den Transport von Personen und Waren pro Jahr verursachen, rechnet der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss vor. Dem Ausschuss zufolge können Transportunternehmen durch die geöffneten Binnengrenzen zwischen 5 und 20 Prozent an Kosten einsparen.
Bulgariens BIP pro Kopf in Kaufkraftstandard liegt bei 62 Prozent und damit knapp über der Hälfte des EU-Durchschnitts. Mit diesem Wert ist Bulgarien im EU-weiten Vergleich das ärmste Land, es bietet aber Potenzial für Wachstum. Die Wirtschaft des Landes wächst dynamischer als die der meisten westeuropäischen EU-Mitgliedsstaaten. Dieses Entwicklungspotenzial wissen deutsche Unternehmen und andere ausländische Investoren zu schätzen. Der Investitionsbedarf in Straßen-, Schienen- und Energieinfrastruktur ist hoch. Für diese Vorhaben stehen EU-Fördermittel bereit.
Diese Mittel kann Bulgarien künftig effizient abrufen, wenn das Parlament eine stabile Regierung aufgestellt hat. Das Land muss politische Reformen im Bildungs-, Justiz- und Gesundheitswesen angehen sowie den Ausbau der Infrastruktur vorantreiben. Letzteres ist nötig, um Wertschöpfungsketten besser an den europäischen Binnenmarkt anzubinden. Die größten Herausforderungen aber sind der Kohleausstieg und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung. All dies bietet Unternehmen Beteiligungschancen.
Bulgarien zieht Unternehmensgründer an
Im EU-weiten Vergleich niedrige Lohnkosten und Steuern machen Bulgarien zu einem attraktiven Standort für Unternehmensgründungen. Innerhalb von Südosteuropa gehört Bulgariens Hauptstadt Sofia daher zu den aufstrebenden Zentren für Start-ups. Besonders Sofia hat dabei Investitionen im Bereich Softwareindustrie sowie Forschung und Entwicklung angezogen.
Einen starken Beitrag zum wachsenden Dienstleistungssektor trägt neben der IT-Industrie auch der Tourismus bei. Bulgarien positioniert sich als Destination für Kuren und möchte damit das Image vom Billigtourismus loswerden. Die Regierung fördert den Gesundheitstourismus und versucht, Investoren und auch Gäste anzulocken.
Bulgariens verarbeitende Industrie liefert elektronische und hydraulische Komponenten für den Maschinenbau sowie Aluminiumwannen für die Automobilindustrie. Besonders eng verflochten sind die bulgarische Automobil- und Elektroindustrie, die Kfz-Teile und andere Vorprodukte an europäische Abnehmer liefern. Zusätzlich hat sich die Elektroindustrie als Ausrüster von E-Bike-Produzenten etabliert. Heimische und international agierende Unternehmen betreiben moderne Produktionsstätten. Das macht Bulgarien zu einem attraktiven Absatzmarkt für deutsche Ausrüstung und Maschinen.
Sektoren | Anteil an Bruttowertschöpfung 2023 | Anteil an den Beschäftigten 2023 |
---|---|---|
Dienstleistungen (Handel und Gastgewerbe) | 23,1 | 25,3 |
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 2,9 | 14,9 |
Verarbeitendes Gewerbe | 15,3 | 16,5 |
Information und Kommunikation | 8,2 | 4 |
Energieversorgung | 3,8 | 6,2 |
Baugewerbe | 4,4 | 5,5 |
Rest (Finanz- und Versicherungswesen, Öffentlicher Sektor) | 42,3 | 27,6 |
Strukturwandel bietet Möglichkeiten
Bulgarien verfügt über eine starke metallurgische Industrie, produziert Kohle, Eisen, Kupfer und Blei. Bulgarien ist außerdem der viertgrößte Produzent von Braunkohle in der EU. Der Bergbau beschäftigt rund 120.000 Menschen und generiert rund 5 Prozent des BIP.
Bulgarien beginnt nun mit dem Strukturwandel und steigt schrittweise aus der Braunkohleförderung und Kohleverstromung aus. Daran können sich deutsche Unternehmen beteiligen. Kurzfristig benötigen die Unternehmen aus Braunkohle- und Energierevieren Unterstützung bei der Umschulung von Mitarbeitern. Mittelfristig müssen Unternehmen der Metallbearbeitung und der Chemieindustrie ihre Produktion klimaneutraler aufstellen. Dabei kann der deutsche Maschinen- und Anlagebau mit Ausrüstung helfen. Für Projekte im Rahmen des Strukturwandels stellt die EU Fördermittel bereit.
Ein weiteres strukturelles Problem bremst aber die langfristige Wirtschaftsentwicklung aus: Bulgariens demografische Situation. Die Bevölkerung altert und schrumpft. Viele, vor allem junge Menschen, verlassen Bulgarien, um stattdessen im Ausland zu arbeiten. Damit sich das ändert, muss die Regierung dafür sorgen, dass sie im eigenen Land attraktive Arbeitsplätze finden.
Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.Regionen sind ungleich entwickelt
Die meisten ausländischen Direktinvestitionen fließen nach Sofia. Weitere Wirtschaftszentren sind die Region Stara Zagora mit überwiegend Maschinen- und Bergbau sowie die Schwarzmeerhafenstädte Varna und Burga. Im Norden und Süden des Landes gibt es strukturschwache Regionen. Diese sind von mangelhaften Verkehrsanbindungen und Bevölkerungsabwanderung in die umliegenden Wirtschaftszentren geprägt. Städte und Gemeinden in den Regionen modernisieren ihr Wasser- und Abfallmanagement und bieten Absatzmöglichkeiten für deutsche Hersteller von Umwelttechnologien.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) | BIP pro Kopf (in Euro) | Bevölkerung (in Tausend) |
---|---|---|---|
Sofia, Blagojewgrad, Pernik, Kjustendil (BG41) | 48,9 | 20.800 | 2.018 |
Plowdiw, Chaskowo, Pasardschik, Smoljan, Kardschall (BG42) | 14,1 | 11.900 | 1.303 |
Burgas, Sliwen, Jambol, Stara Sagora (BG34) | 13,2 | 10.300 | 951 |
Varna, Dobritsch, Schumen, Targowischte (BG33) | 9,9 | 9.300 | 826 |
Garbrowo, Ruse, Radgrad, Silistra, Veliko Tarnovo (BG32) | 7,2 | 8.900 | 691 |
Vidin, Montana, Vraza, Pleven, Lovetch (BG21) | 6,7 | 8.500 | 677 |