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Wirtschaftsumfeld | Argentinien | Außenhandel

Chinas Importdominanz wird für Argentinien zum Problem

China hat Brasilien als wichtigstes Lieferland Argentiniens abgelöst. Als problematisch gilt: Das Handelsbilanzdefizit und die Abhängigkeit gegenüber der Volksrepublik wachsen.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Der bilaterale Handel zwischen Argentinien und China entwickelt sich rasant: Während sich der gesamte Außenhandel Argentiniens zwischen 2002 und 2022 knapp verfünffachte, stieg er mit China um fast das 18-Fache. Allein zwischen 2021 und 2022 wuchs er um 29 Prozent. Traditionelle Handelspartner wie Brasilien, die USA und Deutschland - 2021 das fünftwichtigste Lieferland - halten mit diesem Tempo nicht mit. 

Grund sind die explosiv steigenden Importe aus der Volksrepublik. Argentiniens Exporte nach China hinken dieser Dynamik deutlich hinterher. Schon 2021 hat China Brasilien auf der Spitzenposition als traditionell größtes Lieferland abgelöst. Nach wie vor ist Brasilien aber Hauptkunde und noch wichtigster Handelspartner des Pampalands: Im Jahr 2022 gingen 14,3 Prozent der argentinischen Exporte in das Nachbarland. Der Anteil Chinas dagegen lag nur bei 9 Prozent. Doch scheint es nur eine Frage der Zeit, bis China Brasilien von der Spitzenposition als größter Handelspartner verdrängt.

Stark asymmetrischer Handel zwischen China und Argentinien

Für Argentinien ist diese Entwicklung problembehaftet: Zwar ist auch die Handelsbilanz mit Brasilien defizitär, doch gegenüber China fährt das Land ein deutlich höheres und zudem stark wachsendes Minus ein: 2022 rekordträchtige 9,5 Milliarden US-Dollar (US$). In den Jahren zuvor hatte sich das Defizit "lediglich" zwischen 6 Milliarden und knapp 8 Milliarden US$ bewegt - und auch das war nicht immer so: Bis 2006 hatte Argentinien sogar mehr Güter nach China verkauft als umgekehrt.

Überdies handelt es sich bei den argentinischen Ausfuhren nach China vor allem um Agrarprodukte. Laut Angaben von UN-Comtrade entfielen 2021 rund 30 Prozent der Exporte auf Rindfleisch, gefolgt von Sojabohnen und Sojaöl (29 respektive 4,7 Prozent) sowie Weizen (15 Prozent). Umgekehrt ist die Warenpalette, welche Argentinien aus China bezieht, weit gefächert und reicht von Autos (4,9 Prozent) über elektrische Teile (24,1 Prozent) bis hin zu Kleidung (5,3 Prozent).

Vor diesem Hintergrund stellte Chinas Staatschef Xi Jinping auf dem G20-Gipfel auf Bali im November 2022 gegenüber dem argentinischen Wirtschaftsminister Sergio Massa den zusätzlichen Import höherwertiger Güter aus Argentinien in Aussicht. Was daraus wird, wird sich zeigen. Wirtschaftsexeperten wie Professor Eduardo Daniel Oviedo, Forschungsleiter von CONICET (Consejo Nacional de Investigaciones Científicas y Técnicas) an der Universität Rosario, fragen sich indessen, welche Güter das sein sollten - denn außer im agroindustriellen Sektor ist China mit Blick auf die Industrieproduktion in allen Branchen deutlich besser aufgestellt als Argentinien.

Argentiniens Handelsüberschuss schrumpft trotz gefragter Güterpalette

Fortschritte wären umso wichtiger, weil Argentinien 2022 trotz Importbeschränkungen und eines rigiden Devisenmanagements eine starke Verschlechterung seiner Handelsbilanzsituation verzeichnete: Der Überschuss betrug 2022 nur noch 6,9 Milliarden US$ – nach knapp 14,8 Milliarden US$ im Vorjahr. Dabei ist Argentinien dringend auf Devisen angewiesen.

Dabei ist Argentinien mit seinem Warenangebot auf den Weltmärkten gut aufgestellt. Die wichtigsten Ausfuhrgüter Weizen und Rindfleisch, Sojabohnen und -öl, aber auch Kraftfahrzeuge und -teile, chemische Erzeugnisse sowie Rohstoffe (Kupfer, Lithium, Rohöl) sind gefragt. Allein die Bergbauexporte erreichten 2022 mit knapp 3,9 Milliarden US$ den höchsten Stand seit 2012, so Fernanda Ávila, Staatssekretärin für Bergbau im argentinischem Wirtschaftsministerium. Laut Argentine Agriculture for Development Foundation (Fundación FADA) gingen außerdem die Agrarexporte um 8,5 Prozent gegenüber 2021 auf 60 Milliarden US$ in die Höhe.

Währungsswaps beflügeln Handel mit China

Die überdimensionale Ausweitung des Handels mit der Volksrepublik dürften nicht zuletzt Währungsswaps unterstützt haben. Drei Devisentauschgeschäfte haben die Regierungen der beiden Länder bislang vereinbart, darunter zuletzt im Februar 2022. Allerdings ist unklar, in welchem Umfang sie von Argentinien genutzt wurden.

Die Swaps dienen beiden Ländern als Vehikel, den US-Dollar als Handelswährung zu umgehen. Für China ist dies ein weiterer Baustein seiner Strategie, neben dem bestehenden, US-dominierten Finanzsystem ein eigenes zu etablieren. Für das hochverschuldete Argentinien sind die Swaps attraktiv, weil sich das Land kaum noch regulär auf den internationalen Kapitalmärkten verschulden kann, aber Devisen braucht, um Importe und Schulden zu bezahlen. In die gleiche Richtung zielt der jüngst von Argentinien und Brasilien ins Spiel gebrachte "Sur", der ähnlich wie einst die Europäische Währungseinheit ECU als Rechnungseinheit im Handel zwischen beiden Ländern fungieren könnte.

Wie funktioniert der Währungsswap mit China?

Federico Foders, Präsident des Internationalen Wirtschaftssenats e.V. und Lehrbeauftragter an der Universität Kiel, erklärt:

Prof. Dr. Federico Foders, Präsident des Internationalen Wirtschaftssenat e.V., IWS IWS Internationaler Wirtschaftssenat | © www.michaelsteiner.eu/IWS/Federico Foders

"China stellt einen Yuanbetrag zu einem bestimmten Zinssatz auf Zeit zur Verfügung. In diesem Fall 130 Milliarden plus eine Speziallinie von 35 Milliarden Renminbi Yuan. Da der Vertrag nicht öffentlich ist, kann über den Umrechnungskurs nur spekuliert werden. Dafür räumt Argentinien China einen entsprechenden Pesobetrag (zum Yuan-Peso-Kassa-Wechselkurs) für den gleichen Zeitraum ein, den China in Argentinien verzinslich anlegen kann. Vermutlich steht der Termin-Wechselkurs für die Rückabwicklung bei Fälligkeit bereits fest. Argentinien kann so seine Importe aus China mit Yuan bezahlen. Aufgrund der inflationsbedingten Zinsdifferenz zwischen Yuan und Peso, gewinnt China auf jeden Fall, da es bei diesem Tausch seine Yuan zum höheren Peso-Zinssatz anlegt."


Da die Swaps für Argentinien teuer sind, wäre es für das Land umso wichtiger, sich weltweit und mit Blick auf seine Produktpalette breiter aufzustellen. Ein Lichtblick sind dabei die Ausfuhren nach Indien, das zunehmend Sojaöl aus Argentinien bezieht. Im Jahr 2022 bezifferten sich die Lieferungen auf 3,1 Milliarden US$. Das ist mehr als die gesamte Sojabohnenausfuhr nach China (2,9 Milliarden US$). Im Handel mit Indien erzielte Argentinien 2022 einen Überschuss von 2,7 Milliarden US$. Überdies sind Sojaexporte aufgrund der hohen Ausfuhrsteuer von 33 Prozent eine wichtige Einnahmequelle für den argentinischen Staat.

Entwicklung des argentinischen Außenhandels (Angaben in Milliarden US-Dollar)

2002

2021

2022

China

1,4

19,7

25,4

Brasilien

7,3

24,2

28,6

USA

4,8

10,9

16,9

Indien

0,5

5,7

6,4

Deutschland

1,2

3,3

3,6

Rest der Welt

19,5

77,3

89,1

Gesamt

34,7

141,1

170,0

Quelle: Comtrade 2023; Indec 2023


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