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Armenien reformiert sein Gesundheitswesen
Armenien plant, eine Krankenpflichtversicherung einzuführen. Investitionen in medizinische Einrichtungen und neue Gesundheitsprogramme bergen Geschäftschancen.
04.11.2024
Von Uwe Strohbach | Eriwan
Armeniens Reformen im Gesundheitswesen gewinnen an Dynamik. Eckpfeiler ist eine allgemeine Krankenpflichtversicherung. Damit einhergehend sollen die ambulante und stationäre medizinische Versorgung einschließlich der Labormedizin modernisiert und ausgeweitet werden.
Der armenische Staat steckt mehr Geld in die Früherkennung von Erkrankungen und in die Immunprophylaxe. Ausländischen Anbietern von Medizin- und Labortechnik sowie einschlägigen Beratern bietet sich interessantes Geschäftspotenzial.
Offizieller Start für die Krankenpflichtversicherung ist in Sicht
Mit der neuen Krankenpflichtversicherung verfolgt die Regierung vier Hauptziele:
- einen verbesserten Zugang der Bevölkerung zur medizinischen Versorgung,
- eine stabile Einnahmequelle für das unterfinanzierte Gesundheitswesen,
- einen abgesenkten Privatanteil an den Gesundheitsausgaben insgesamt von mehr als 80 auf 40 Prozent und
- signifikant höhere jährliche Pro-Kopf-Ausgaben für die Gesundheitsfürsorge (2021: circa 600 US-Dollar/US$).
Erste Projektphase startet 2025
Die erste Projektphase der einzuführenden Pflichtversicherung sieht vor, sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen in das Projekt einzubeziehen. Sie sollte ursprünglich ab Mitte 2024 starten, wurde aber auf das Jahr 2025 verschoben. Gründe sind ausstehende Parlamentsbeschlüsse für die Arbeitsweise des Versicherungsfonds sowie eine rechtliche Absicherung des Versicherungssystems.
In der Funktionsweise des Fonds soll sichergestellt werden, dass sich der Staat an den Gesundheitskosten beteiligt. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die medizinische Versorgung besonders für 1,2 Millionen sozial Benachteiligte, einschließlich Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Der Haushaltsentwurf für 2025 sieht Mittel vor, die Versicherung fachlich vorzubereiten und die Gesundheitsvorsorge qualitativ zu verbessern. Dies schließt optimierte Preisstrukturen für medizinische Dienste, ein automatisiertes Informationssystem und eine transparente Beschaffung im Gesundheitswesen ein.
Dritte und letzte Projektphase für 2027 geplant
Laut Gesundheitsministerium soll die zweite Projektphase ab 2026 weitere etwa 600.000 Personen – Altersrentner und öffentlich Bedienstete – erfassen. Im Jahr 2027 folgen dann circa 600.000 Angestellte.
Zahnärztliche Behandlungen und Leistungen deckt die Pflichtversicherung nicht ab.
Bisher hohe Privatbeiträge
Seit 2001 finanziert der Staat lediglich Grundleistungen der Gesundheitsfürsorge. Nutznießer sind bedürftige Bevölkerungsgruppen, Kinder, schwangere Frauen und Teilnehmer verschiedener nationaler Gesundheitsprogramme. In der Realität deckt das Basispaket nur einen Teil der Kosten ab. PatientInnen müssen hohe, zumeist informelle, Zahlungen oder Zuzahlungen leisten.
Freiwillige private Krankenversicherungen machen nur einen kleinen Teil der gesamten Gesundheitsausgaben aus.
Weltbank unterstützt Armeniens Gesundheitsreform
Die Weltbank bewilligte 2024 einen Kredit über 110 Millionen US$, um die medizinische Infrastruktur und die Gesundheitsdienste Armeniens zu modernisieren. Mit dem schrittweisen Abruf der Mittel ist ab 2025 zu rechnen. Das Darlehen dürfte wesentlich dazu beitragen, dass das Projekt der Krankenpflichtversicherung bald umgesetzt werden kann.
Die Gelder sollen in zwei Sektoren fließen:
- den Ausbau diagnostischer und therapeutischer Dienstleistungen in der Primärversorgung (Polikliniken und Ambulanzen) und
- ein effektiveres Dienstleistungsangebot aller nationalen Gesundheitseinrichtungen.
Öffentliche Ausgaben für Gesundheit gering
Im Staatshaushalt für 2025 sind für das Gesundheitsressort Ausgaben in Höhe von umgerechnet 425 Millionen US$ vorgesehen. Das Volumen liegt um 3 Prozent unter dem Etat für 2024 (439 Millionen US$; 2023: 360 Millionen US$). Es entspricht aber mehr als dem 2,5-fachen des Ausgabenniveaus von 2017.
Im internationalen Vergleich liegen Armeniens öffentliche Gesundheitsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt und den Gesamtausgaben des Staatshaushaltes am unteren Ende der Skala.
2023 | 2024 1) | 2025 1) | |
---|---|---|---|
Ausgaben in Relation zum BIP (in %) 2) | 1,5 | 1,6 | 1,5 |
Ausgaben in Relation zu den öffentlichen Gesamtausgaben (in %) | 5,5 | 5,3 | 4,7 |
Ein erheblicher Teil des Etats für 2025 fließt in mittelfristige Gesundheitsprogramme. Diese umfassen vorrangig den Ausbau der primären Gesundheitsversorgung und des Gesundheitsschutzes von Mutter und Kind, die Grundimmunisierung von Kindern, die Prophylaxe und Früherkennung verbreiteter nicht übertragbarer Krankheiten sowie Initiativen für drei regionale Zentren zur Kinderwunschbehandlung (intrauterine Insemination).
Programm/Projekt | Etat (in Mio. US$) |
---|---|
Gesundheitsausgaben, insgesamt | 440 |
Medizinische Dienstleistungen für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen (inklusive Kinder und Altersrentner) | 100 |
Medizinische Dienstleistungen für die Behandlung von nicht übertragbaren Erkrankungen | 85 |
Primäre Gesundheitsversorgung | 82 |
Gesundheitsschutz für Mutter und Kind | 60 |
Projektierung, Bau und Ausstattung medizinischer Objekte | 32 |
Schutz der öffentlichen Gesundheit – Bekämpfung von Infektionskrankheiten | 20 |
Andere Programme (darunter Sicherung der Arzneimittelversorgung und Notfallmedizin) | 61 |
50 Projekte im armenischen Gesundheitssektor
In die Infrastruktur des Gesundheitswesens sollen 2025 öffentliche Gelder in Höhe von mindestens 32 Millionen US$ investiert werden. Sie sind für 50 laufende und neue Projekte bestimmt. Hierzu zählen unter anderem:
- neue medizinische Zentren in den Städten Masis (geplanter Projektabschluss: Ende 2025), Artik (Ende 2026) und Spitak (Ende 2026),
- mehrere neue regionale medizinische Einrichtungen (Ambulanzen) für die primäre Gesundheitsversorgung (Ende 2026),
- die Modernisierung der Poliklinik in der Stadt Wajk (Ende 2026) und
- die Modernisierung von medizinischen Zentren in den Städten Sissia, Wagharschapat/Etschmiadsin und Aschtarak (jeweils Ende 2026).
Hinzu kommen einige privat finanzierte Modernisierungs- und Erweiterungsvorhaben.
2020 | 2021 | 2022 | 2023 1) | |
---|---|---|---|---|
Bevölkerung (Jahresdurchschnitt, in Mio.) | 3,0 | 3,0 | 3,0 | 3,0 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (in Jahren) | 73,5 | 72,4 | 75,1 | 77,0 2) |
Frauen | 78,6 | 77,4 | 78,3 | 81,0 2) |
Männer | 68,4 | 67,4 | 71,4 | 74,0 2) |
Anzahl der Ärzte (in 1.000) | 14,4 | 14,5 | 15,1 | 13,9 |
Anzahl der Ärzte auf 10.000 Einwohner | 48,6 | 49,1 | 50,6 | 46,6 |
Anzahl der Krankenhäuser | 126 | 122 | 123 | 125 |
Anzahl der Betten (in 1.000) | 12,9 | 12,7 | 12,7 | 12,5 |
Anzahl der Betten auf 10.000 Einwohner | 43,4 | 42,9 | 40,7 | 41,7 |
Anzahl medizinischer Einrichtungen für die Primärversorgung (Polikliniken) 3) | 500 | 487 | 473 | 466 |
Anzahl der Patientenbesuche (Gesamtjahr, in Mio.) 3) | 10,2 | 10,9 | 10,9 | 11,3 |
Anzahl der Ambulanzen für die Schnelle Medizinische Hilfe | 69 | 67 | 64 | 63 |
Bezeichnung | Anmerkung |
---|---|
Deutscher Wirtschaftsverband Armenien (DWA, German Business Association Armenia) | Vertretung der deutschen Wirtschaftsinteressen vor Ort (Beratung für den Markteintritt, Personalsuche, Büroservices) |
Ministerium für Gesundheitswesen/Staatliche Agentur für das Gesundheitswesen | Oberste Behörde für die Gesundheitsfürsorge/Behörde für den Kauf von medizinischen Dienstleistungen von öffentlichen und privaten Anbietern Gewährleistung des staatlich garantierten Grundleistungspakets für die Gesundheitsfürsorge) |
Health Project Implementing Unit beim Ministerium für Gesundheitswesen (HPIU) | Planung, Implementierung und Kontrolle international finanzierter oder kofinanzierter Projekte im Gesundheitswesen |
Beschaffungsportal Procurement/Gnumner | Zentrales öffentliches Beschaffungsportal des Ministeriums für Finanzen |
NEHO CJSC (Armed) | Nationaler Betreiber des E-Health-Systems in Armenien |
HENAR Foundation (Health Network for Armenia) | Gemeinnützige Stiftung und Plattform für die Förderung von Reformen und Netzwerkbildung im Gesundheitswesen |
Gesundheitswesen und Pharmazie Expo Eriwan, Logos Expo Center | Internationale spezialisierte Fachmesse, nächster Jahrgang: 12. bis 14. Dezember 2025 |