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Aserbaidschan fährt Produktion von Baumaterialien hoch
Die Baustoffbranche hat in Aserbaidschan gute Entwicklungschancen. Der Wiederaufbau der Region Karabach und viele neue Projekte im Hoch- und Tiefbau des Landes sprechen dafür.
19.02.2025
Von Uwe Strohbach | Baku
Die Baustoffindustrie gilt in Aserbaidschan als zukunftsträchtig und bietet zahlreiche Ansatzpunkte für Engagements ausländischer Firmen. Für sie ergeben sich schon allein aufgrund des nur wenig entwickelten lokalen Maschinenbaus gute Chancen. Dies gilt insbesondere für Anbieter von Baustoffmaschinen und Komplettanlagen zur Produktion von Zement, Beton, Ziegel und anderen Baumaterialien.
Ähnlich gut entwickelt sich die Nachfrage nach Ausrüstungen für die Gewinnung und Aufbereitung von Rohstoffen für die Bauwirtschaft. Zudem können ausländische Akteure ihr Know-how bei der Gewinnung und Nutzung nicht metallischer Rohstoffe einbringen und sie sich somit als Ansprechpartner für neue Projekte in Aserbaidschan empfehlen.
Mehrere Baustoffproduzenten im Land setzen bereits auf Technologie "made in Germany". So hat beispielsweise der Mittelständler Grenzebach Maschinenbau aus Asbach-Bäumenheim/Hamlar (Bayerisch-Schwaben) den lokalen Hersteller Mətanət A (Matanat A) umfassend beim Aufbau einer Fertigungslinie für Gipskartonplatten in der Fabrik Ağdağ (Agdag) begleitet.
Gute Aussichten auf deutlichen Wachstumsschub
Die Baustoffbranche befindet sich seit 2021 im Aufwind. Nach Angaben des Statistikkomitees Aserbaidschans lag ihr Produktionswert 2024 bei umgerechnet 837 Millionen US-Dollar (US$), was gegenüber 2020 einer Verdoppelung gleichkam. Das reale Wachstum machte 2024 knapp 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Für den Sektor Abbau und Gewinnung von Baurohstoffen aller Art schlugen 2024 rund 180 Millionen US$ zu Buche, womit sich dessen Umsatz zwischen 2020 und 2024 sogar verdreifachte.
Trotz der zuletzt robusten Wachstumsraten ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Die anhaltend gute Nachfrage nach Bauleistungen im Inland und in den angrenzenden Märkten lässt jedoch ein weiterhin hohes Wachstumstempo als wahrscheinlich erscheinen. Beide Teilbereiche, Baustoffe und Baurohstoffe, dürften 2025 auf einen Produktionswert von mindestens 1,2 Milliarden US$ zusteuern.
2021 | 2022 | 2023 | 2024 | |
---|---|---|---|---|
Produktion insgesamt (in Mio. US$) 1) | 519 | 637 | 701 | 837 |
Reale Veränderung gegenüber Vorjahr (in %) | 76,9 | 14,4 | 32,4 | 16,9 |
Anteil am Ausstoß im verarbeitenden Gewerbe insgesamt (in %) | 5,5 | 6,0 | 6,5 | 7,5 |
Anzahl der aktiven Baustoffbetriebe | 289 | 320 | 359 | 370 2) |
Anzahl der angestellten Beschäftigten | 12.353 | 12.376 | 12.021 | 12.300 2) |
Anzahl der aktiven individuellen Unternehmer | 2.405 | 2.388 | 2.402 | 2.450 2) |
Bruttoanlageinvestitionen (in Mio. US$) | 105,5 | 61,1 | 31,4 | k.A. |
Für eine anziehende Nachfrage nach Baustoffen sprechen:
- zahlreiche Projekte für den Wiederaufbau der Infrastruktur in der Region Karabach - Schwerpunkte: Verkehr, Versorgung, Soziales;
- Sanierung und Ausbau der Infrastruktur im Ballungsraum Baku - Schwerpunkte: Logistik, Versorgung, Verkehr (darunter: Programm zum Ausbau des Straßennetzes der Hauptstadt 2025 bis 2030);
- schrittweise Umsetzung von Masterplänen zur Stadtentwicklung - Ende 2024 gab es Masterpläne für 26 Städte;
- weiterhin hohes Tempo im Wohnungsbau - Fertigstellung von 22.000 bis 25.000 Wohnungen pro Jahr mit 2,5 Milliarden bis 2,8 Milliarden Quadratmeter Wohnfläche;
- hoher Bedarf zur Instandhaltung und Modernisierung von Bauten der sozialen Infrastruktur;
- rege Bauaktivitäten in der Öl- und Gaswirtschaft.
Das Geschehen der aserbaidschanischen Baustoffindustrie prägen etwa 50 bis 60 Firmen. Zu den wichtigsten Akteuren mit den größten Fertigungskapazitäten zählen Holdings und Unternehmensgruppen wie Matanat A, NB Qrup (NB Group) und Gəmiqaya Holdinq (Gemigaya Holding).
Pläne zur Produktion reichen von Dämmstoffen über Beton bis hin zu Tapeten
Aktuelle Projekte zum Ausbau der Baustoffindustrie konzentrieren sich auf zumeist staatlich geförderte Industrieparks und -zonen. Hinter diesen Vorhaben stehen sowohl etablierte Unternehmen als auch private Akteure. Schwerpunkte sind die beiden Industrieparks Ağdam (Aghdam; Wirtschaftsregion Karabach) und Araz-Tal (Wirtschaftsregion Ost-Sangesur) im Westen Aserbaidschans. Dort ist die Fertigung folgender Produktgruppen geplant: Dämmstoffe, Außenputz, Faserbeton- und Polystyrolblöcke, Gips- und Kalkerzeugnisse, Stahlbetonkonstruktionen, Transportbeton, Trockenleim, Dachmaterialien, Verblendstein, Kunststoffrohre und Tapeten.
Informationen zu Projekten für die Baustoffproduktion in Industrieparks und -zonen sind bei der staatlichen Agentur für die Entwicklung von Wirtschaftszonen erhältlich.
Für Baustofflagerstätten sind der Dienst für Vermögensfragen und die Agentur für die Verwaltung mineralischer Ressourcen wichtige staatliche Anlaufstellen zur Vergaben von Nutzungsrechten und allgemeinen Informationen.
Importsubstitution und Trend zum "grünen Bauen" verleihen der Branche Auftrieb
Das positiv gestimmte Marktumfeld hat mittlerweile zum forcierten Ausbau von bestehenden Baustoffwerken geführt. In dieser Entwicklung schlägt sich laut Marktkennern zudem die Teuerungswelle nieder, die in den letzten Jahren auch viele Importe von Baumaterialien betraf. Als Reaktion auf die Preisentwicklung wurden vereinzelt komplett neue Fabriken errichtet, die eine besonders kostengünstige Produktion ermöglichen sollen.
Dabei ist zuletzt auch "grünes Bauen" zunehmend ein Thema geworden. Die dafür als regulatorischer Rahmen dienenden Standards werden seit Ende 2024 vom aserbaidschanischen Staatskomitee für Städtebau und Architektur gemeinsam mit der Weltbanktochter International Finance Corporation (IFC) erarbeitet. In dem Maßnahmenplan sollen Ansätze für energieeffizientes, nachhaltiges und CO2-neutrales Bauen verankert werden. Im Zuge ihrer praktischen Umsetzung dürften sich auch aserbaidschanische Firmen stärker der Produktion "grüner Baustoffe" zuwenden. Die aserbaidschanischen Hersteller von Zement sind auf diesen Zug bereits aufgesprungen, indem sie ihre Produktionsprozesse schrittweise auf CO2-Neutralität trimmen werden.
Nachfrage nach Ausrüstungen für Abbau und Aufbereitung von Baurohstoffen zieht an
Der Aufwärtstrend der Bauindustrie sorgt außerdem auch für wachsendes Interesse, neue Rohstoffquellen zu erschließen. Zahlreiche Bau- und Baustoffunternehmen haben seit 2020 die Rechte für eine industrielle Nutzung von Steinbrüchen und Sandgruben erworben und investieren dort. Entsprechend sind auch Ausrüstungen für die Gewinnung und Aufbereitung von Baurohstoffen gut nachgefragt. Zu diesen zählen hauptsächlich Sand, Kies, Splitt, Gips, Kalkstein, Anhydrit, Ton, Granit oder Granodiorit. Weitere Auktionen für die Vergabe von Abbaurechten sind geplant.
Zudem müssen viele der bereits ausgebeuteten Lagerstätten technisch erneuert werden. Die dort eingesetzten Brech-, Zerkleinerungs- und Siebanlagen sowie Bohrwerkzeuge, Bagger, Kipper und Lader entsprechen häufig nicht den aktuellen Sicherheits- und Umweltstandards. Entstaubungs-, Staubbinde- und Filteranlagen fehlen in vielen Gruben, sind defekt oder veraltet.
Germany Trade & Invest | Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft |
AHK Aserbaidschan | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Ministerium für Wirtschaft der Republik Aserbaidschan | oberste Behörde für Wirtschaftspolitik und Regionalentwicklung, Förderung der verarbeitenden Industrie inklusive der Baustoffbranche |
AZPROMO | Export- und Investitionsförderung; One-Stop-Shop für ausländische Investoren (untersteht dem Ministerium für Wirtschaft) |
ATMIA | Fachverband der nationalen Baustoffindustrie |
ASİA | Branchenverband der Zementhersteller |
AZSTAND | nationales Standardisierungsbehörde, Informationen über nationale und internationale Standards in der Bauwirtschaft und Baustoffindustrie |
| jährliche internationale Leitmesse für die Bauwirtschaft, nächster Termin: 14. bis 16. Oktober 2025 |