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Reformen im Gesundheitswesen beleben Beschaffungsmarkt
Aserbaidschan plant Mehrausgaben für die Gesundheitswirtschaft. Diese sollen in die neue Krankenpflichtversicherung und die Bekämpfung der Coronapandemie fließen.
30.03.2022
Von Uwe Strohbach | Baku
Zwei Stoßrichtungen bestimmen aktuell die Projektinhalte im Gesundheitswesen Aserbaidschans:
- die schrittweise Umsetzung der öffentlichen Krankenversicherungspflicht und
- die weitere Bekämpfung der Coronapandemie.
Das neue Versicherungssystem ist noch nicht voll funktionstüchtig. Viele institutionelle, organisatorische und finanzielle Aspekte müssen nachjustiert werden. Vor allem sind erhebliche Investitionen in die medizinische Infrastruktur notwendig.
Krankenpflichtversicherung birgt Kooperationspotenzial
Aserbaidschans öffentlicher Gesundheitsmarkt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Ausgangspunkt war ein steuerbasiertes, unterfinanziertes und streng zentralistisches Versicherungssystem. Dieses soll in eine landesweite, transparente Krankenpflichtversicherung transformiert werden.
Seit April 2021 werden die meisten Aserbaidschaner vom neuen System erfasst. Sie haben Anspruch auf ein breites Spektrum kostenfreier medizinischer Leistungen. Unter bestimmten Voraussetzungen schließt dies auch ausgewählte Arzneimittel ein. Ziel des neuen Versicherungssystems ist ein verbesserter Zugang der Bevölkerung zu medizinischen Leistungen. Gleichzeitig sollen hohe Privatleistungen und Zuzahlungen für medizinische Dienste eingedämmt und der Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Anbietern belebt werden.
Die Versicherungsnehmer zahlen bis zu einem Monatslohn von 8.000 Aserbaidschan-Manat (AZN) in der Regel einen Beitrag von 2 Prozent ihres Lohns. Für das diese Grenze übersteigende Salär werden 0,5 Prozent aufgeschlagen. Der Staat übernimmt die Kosten für einige Bevölkerungsgruppen wie Rentner und Arbeitslose. Personen, die keiner regulären und keiner unternehmerischen Tätigkeit nachgehen, sind bis zum 1. Januar 2024 von der Beitragszahlung befreit.
Gute Chancen für Investitionsbelebung
Das schon lange geplante und jetzt eingeführte System nährt die Hoffnung, dass drei Probleme im aserbaidschanischen Gesundheitssektor schrittweise überwunden werden können:
- der Investitionsstau,
- die regionalen Diskrepanzen in der öffentlichen Gesundheitsfürsorge und
- die Defizite in der Aus- und Weiterbildung sowie Entlohnung des medizinischen Personals.
Ausländische Firmen können wegen eines höheren Bedarfs öffentlicher und privater Einrichtungen von einem belebten Beschaffungsmarkt für Medizin- und Labortechnik profitieren. Eine inländische Fertigung existiert praktisch nicht. Branchenkenner erwarten zudem, dass die Nachfrage nach Beratung und Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft wächst.
Der Reformbedarf im aserbaidschanischen Gesundheitswesen ist heute größer denn je. Der öffentliche Gesundheitssektor ist chronisch unterfinanziert und wenig effektiv. Es fehlen moderne Ausrüstungen und Fachkräfte. Letzteres gilt vor allem für die Regionen außerhalb der Hauptstadt. Dort sind nur 40 Prozent aller im Land beschäftigten medizinischen Mitarbeiter tätig.
Nachholbedarf bleibt noch auf viele Jahre groß
In der globalen Datenbank Numbeo wird anhand von Umfragen die prekäre Lage im aserbaidschanischen Gesundheitssektor bestätigt. Der Index spiegelt vor allem die Qualität der Gesundheitsversorgung, des Fachpersonals und der medizintechnischen Ausrüstung wider. Aserbaidschan belegt im neuesten Ranking (2022) mit 45 von 100 Punkten Rang 92. Untersucht wurden 95 Länder. Damit bildet das Land im Südkaukasus mit Irak, Bangladesch und Venezuela das Schlusslicht.
Das schlechte Ergebnis resultiert aus den im internationalen Vergleich immer noch sehr niedrigen öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen. Diese machen weniger als 5 Prozent des jährlichen Ausgabenetats aus. Die Quote zeigt aber seit einigen Jahren leicht nach oben. Sie soll 2023 die Fünf-Prozent-Marke überschreiten und bis 2025 auf etwa 5,6 Prozent steigen.
1,1 Milliarden US-Dollar als Gesundheitsetat für 2022
Das Budget für den Gesundheitssektor für das Jahr 2022 beträgt rund 1,1 Milliarden US-Dollar (US$) und übersteigt das Vorjahresbudget um 27 Prozent. Von den geplanten Ausgaben entfallen 664 Millionen US$ auf die Krankenpflichtversicherung und andere staatliche Gesundheitsprogramme. Gut 200 Millionen US$ fließen in die Bekämpfung der Coronapandemie (Gesamtausgaben 2021: 470 Millionen US$). Empfänger der übrigen Gelder sind vorwiegend Krankenhäuser und Ambulanzen (rund 100 Millionen US$).
Auch internationale Hilfs- und Fördergelder fließen - in überschaubarem Rahmen - in das aserbaidschanische Gesundheitswesen. So finanzieren ausländische Geber beispielsweise ein Pilotprojekt, das den primären Gesundheitssektor im ländlichen Raum stärken soll. Im Rahmen der Partnerschaft für eine allgemeine Gesundheitsversorgung brachte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Initiative PROACT-Care auf den Weg. Sie konzentriert sich auf die Beschaffung von mobilen Kliniken und die Ausbildung lokaler Fachkräfte. Analoge Projekte in weiteren ländlichen Regionen dürften folgen.
Ein Aktionsplan soll dem noch in den Kinderschuhen steckenden Krankenversicherungssystem zum Erfolg verhelfen und dem nationalen Gesundheitswesen einen Wachstumsschub verleihen.
Quelle: Ministerium für Gesundheitswesen Aserbaidschans, Recherchen von Germany Trade & Invest (2022) |
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