Branchen | Australien | Medizintechnik
Marktentwicklungen und -trends
Der Absatz von Medizintechnik profitiert von einem steigenden Behandlungsbedarf. Die Bundesstaaten investieren hohe Summen in den Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur.
20.07.2022
Von Heiko Stumpf | Sydney
Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen nimmt zu
Australiens Markt für Medizintechnik wächst stabil. Zahlen des Marktforschungsinstituts Ibis World beziffern das lokale Absatzvolumen im Finanzjahr 2020/2021 (Juli bis Juni) auf umgerechnet rund 7 Milliarden US-Dollar (US$). In der zuletzt veröffentlichten Prognose von Oktober 2021 wird bis 2026/2027 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von nominal rund 2 Prozent erwartet - auf Basis der Landeswährung. Prognosen von Fitch Solutions erwarten bis 2026 hingegen ein deutlich höheres Umsatzwachstum mit einer jährlichen Steigerungsrate von durchschnittlich 6,7 Prozent (nominal, auf Basis der Landeswährung).
2019/2020 (in Mio. $A) | 2019/2020 (in Mio. US$) 1) | 2020/2021 (in Mio. $A) | 2020/2021 (in Mio. US$) 1) | 2021/2022 (in Mio. $A) 2) | 2021/2022 (in Mio. US$) 1) 2) | |
---|---|---|---|---|---|---|
Lokale Produktion | 4.881 | 3.393 | 5.050 | 3.488 | 5.150 | 3.870 |
Import | 6.354 | 4.417 | 6.721 | 4.642 | 6.801 | 5.110 |
Export | 1.741 | 1.210 | 1.579 | 1.090 | 1.740 | 1.307 |
Marktvolumen | 9.494 | 6.600 | 10.192 | 7.039 | 10.211 | 7.673 |
Die Gesundheitseinrichtungen des Landes müssen eine wachsende Bevölkerung versorgen. Nach einer vorübergehenden Stagnation infolge der Coronapandemie dürfte die Einwohnerzahl Australiens in den kommenden Jahren wieder deutlich steigen. Getrieben von einer hohen Zuwanderung wird für 2023 ein Anstieg um rund 1,2 Prozent prognostiziert, dies entspricht einem Zuwachs von mehr als 300.000 Menschen. In den Folgejahren dürfte sich das Tempo weiter steigern.
In den vergangenen vier Jahren nahmen die Krankenhauseinweisungen um durchschnittlich 2 Prozent zu. Insgesamt gab es 2020/2021 rund 11,8 Millionen stationäre Behandlungen. Davon entfielen etwa 43 Prozent auf die Altersklasse der über 65-Jährigen. Infolge einer längeren Lebenserwartung soll diese versorgungsintensive Bevölkerungsgruppe bis 2040 von derzeit rund 4,3 Millionen Menschen auf 5,6 Millionen wachsen. Dies entspräche einem Anteil von 18,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung.
Zudem befinden sich lebensstilbedingte und chronische Krankheiten auf dem Vormarsch. Nach Daten des nationalen Statistikamtes litten 2020/2021 bereits 46,6 Prozent der Bevölkerung an mindestens einer chronischen Erkrankung. Pro Jahr wurden in Australien zuletzt etwa 150.000 Krebserkrankungen diagnostiziert. Mit einem Anteil von 30 Prozent ist Krebs die häufigste Todesursache, gefolgt von Herzleiden (10,3 Prozent) und Demenzerkrankungen (9 Prozent).
Diese Entwicklungen spiegeln sich in steigenden Gesundheitsausgaben. Im Finanzjahr 2019/2020 verschlang das Gesundheitssystem umgerechnet rund 140 Milliarden US$. Auf Basis der Landeswährung stiegen die Ausgaben seit 2009/2010 um durchschnittlich 5,3 Prozent pro Jahr. Beobachter erwarten, dass sich die Kostenspirale fortsetzt und prognostizieren für die kommenden fünf Jahre ein durchschnittliches Wachstum von etwa 4,5 Prozent (auf Basis der Landeswährung).
Privater Krankenhaussektor konzentriert sich auf Routineeingriffe
Branchenkenner berichten, dass komplexe und innovative Medizintechnik in der Regel zuerst im öffentlichen Sektor Anwendung findet. Im Finanzjahr 2019/2020 gab es insgesamt 695 öffentliche Krankenhäuser mit 62.575 Betten. Diese verfügen über die erforderliche Ausstattung für kritische Eingriffe, insbesondere für die Versorgung von Polytrauma. Daher finden Notfall- und Intensivbehandlungen vor allem im öffentlichen Sektor statt (86 Prozent aller Notoperationen).
Der private Krankenhaussektor besteht aus 235 Kliniken mit rund 30.000 Betten. Werden private Tageskliniken hinzugewählt, ergibt sich eine Gesamtzahl von etwa 657 Einrichtungen. Dabei ist eine starke Spezialisierung auf elektive Eingriffe erkennbar. Im Finanzjahr 2021/2022 fanden rund 68 Prozent aller planbaren Eingriffe in privaten Krankenhäusern statt.
Ein gewisses Mitspracherecht haben im Privatsektor die Ärzte, die Implantate häufig direkt bestellen. Die Klinikbetreiber beschaffen hingegen die allgemeine technische Ausstattung.
Bundesstaaten investieren in die Gesundheitsinfrastruktur
Der Bau und Betrieb der öffentlichen Krankenhäuser ist Aufgabe der Bundesstaaten. Um den steigenden Behandlungsbedarf zu stemmen, werden große Ausbauprogramme auf den Weg gebracht. Die höchsten Investitionen tätigt der bevölkerungsreichste Staat New South Wales mit der Metropole Sydney. In den kommenden vier Jahren werden 8,9 Milliarden US$ in den Neu- und Ausbau von rund 110 Gesundheitseinrichtungen gesteckt.
Queensland will bis 2026 rund 2.200 neue Krankenhausbetten schaffen und stellt 7,4 Milliarden US$ zur Verfügung. Zu den Vorhaben zählen der Neubau des Bundaberg Hospitals mit 121 Betten (902 Millionen US$) sowie die Erweiterung des Townsville University Hospital mit 143 Betten (387 Millionen US$). In Victoria besteht eine Projekt-Pipeline von 65 Gesundheitsvorhaben mit einem Investitionsvolumen von 6,6 Milliarden US$.
Projekt | Investitionssumme | Anmerkung |
---|---|---|
1.465 | Krankenhausneubau in Adelaide mit mehr als 300 Betten. Geplanter Baubeginn Ende 2022. Fertigstellung im Jahr 2026. | |
1.127 | Krankenhausneubau in Melbourne mit mehr als 500 Betten. Private Public Partnership. In Bau bis 2025. | |
977 | Krankenhausneubau in Sydney. Geplanter Baubeginn 2023 mit Fertigstellung bis Ende 2029. | |
827 | Krankenhausneubau in Melbourne mit mehr als 100 Betten. Geplanter Baubeginn 2024 mit Fertigstellung 2029. | |
751 | Krankenhausmodernisierung in Sydney. Erweiterung auf über 700 Betten. In Bau bis 2026. | |
627 | Krankenhauserweiterung in Newcastle mit insgesamt über 800 Betten. Neubau der Notaufnahme und Intensivstation. In Bau bis 2026. | |
564 | Krankenhauserweiterung in Sydney mit 300 zusätzlichen Betten (derzeit rund 900 Betten). Erweiterung der Notaufnahme und Intensivstation. Geplanter Baubeginn Ende 2022 mit Fertigstellung 2029. | |
564 | Krankenhausneubau in Perth mit 140 Betten. In Planung mit möglicher Fertigstellung bis 2026. | |
526 | Krankenhausneubau in Wollongong. Geplanter Baubeginn 2023 mit Fertigstellung bis 2028. | |
501 | Krankenhauserweiterung in Launceston auf Tasmanien. Derzeit rund 360 Betten. Erweiterung um mindestens 76 Betten. Realisierung in mehreren Stufen bis 2032. |
Auch der private Krankenhaussektor expandiert. Nach Marktstudien von Jones Lang LaSalle (JLL) sollen bis 2030 etwa 2.200 neue Privatbetten entstehen. Marktführer ist Ramsay Healthcare mit 72 Einrichtungen in Australien. Zu den aktuellen Projekten gehört der Neubau des Northern Private Hospital in Melbourne mit 126 Betten (bis 2027) sowie das Townsville Hospital mit 24 Betten (bis 2024). Der Konkurrent Healthscope betreibt 43 private Kliniken in Downunder und verdoppelt bis 2023 die Kapazitäten des Nepean Private Hospitals in Penrith (derzeit 109 Betten).
Universelles Gesundheitssystem auf Basis von Medicare
Das australische Gesundheitswesen basiert auf einem komplexen Zusammenspiel zwischen öffentlichem und privatem Sektor im Rahmen des Medicare-Systems. Dieses ermöglicht der gesamten Bevölkerung eine kostenlose Behandlung in den öffentlichen Krankenhäusern. Ausgenommen sind lediglich bestimmte Personengruppen mit vorübergehender Aufenthaltserlaubnis.
Auch der Besuch von privaten Gesundheitseinrichtungen wird durch Medicare bezuschusst. Dafür sind im Rahmen des Medicare Benefits Schedule (MBS) die Gebühren für über 5.700 medizinische Maßnahmen festgelegt. Bei einer ambulanten Behandlung wird den Patienten durch Medicare zwischen 100 Prozent und 85 Prozent der MBS-Gebühr erstattet. In privaten Krankenhäusern liegt der Erstattungsanteil nur bei 75 Prozent des jeweiligen MBS-Satzes.
Medicare wird zum Großteil durch Steuermittel gedeckt. Die Patienten tragen hingegen nur einen geringen Anteil (regulärer Beitragssatz 2 Prozent des Einkommens). Rund 70 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in Australien wurden 2019/2020 aus öffentlichen Kassen bezahlt.
Die im Privatsektor tätigen Ärzte können für ihre Leistungen jedoch auch Gebühren über dem MBS-Niveau verlangen, sodass es häufig zu hohen Zuzahlungen kommt. Eine Behandlung in einer Privatklinik ist deshalb in der Regel nur für Patienten erschwinglich, die zusätzlich zu Medicare über eine private Krankenversicherung verfügen.
Anfang 2022 hatten rund 11,6 Millionen Personen eine private Krankenversicherung, welche eine Behandlung in privaten Kliniken ermöglicht. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 45,1 Prozent. Zusätzlich verfügten 14,2 Millionen Personen über eine private Zusatzversicherung für Leistungen wie beispielsweise Zahnbehandlungen.
Indikator | Wert |
---|---|
Einwohnerzahl (2021 in Mio.) | 25,7 |
Bevölkerungswachstum (2021 in % p.a.) | 0,2 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2021) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 17,3 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 15,8 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2020) | 83,2 |
Durchschnittseinkommen im Monat (2021 in US$) | 5.899 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019/2020 in US$) | 5.510 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2019/2020 in %) | 10,2 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2020) | 390 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2020) | 61 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner | |
privat (2016/2017) | 147 |
öffentlich (2019/2020) | 247 |
Insgesamt ist der australische Gesundheitssektor gut ausgestattet. Es besteht jedoch ein großer Nachholbedarf im Bereich der elektiven Eingriffe. Infolge der Maßnahmen in der Covid-19-Pandemie sind in den vergangenen zwei Jahren hunderttausende Operationen ausgefallen, weshalb im öffentlichen Sektor lange Wartelisten bestehen. Auch die Notaufnahmen sind überlastet. Diese sind eine häufige Anlaufstelle für Patienten, welche private Zuzahlungen bei niedergelassenen Ärzten vermeiden wollen.
Zur Bewältigung der gesundheitlichen Folgen der Covid-19-Pandemie hat die Regierung in Canberra bislang rund 22 Milliarden US$ bereitgestellt. Zu den Maßnahmen zählen 143 neue Einrichtungen zur Behandlung von Atemwegserkrankungen