Wirtschaftsausblick | Australien
Australische Wirtschaft wächst dank Zuwanderung
Die erfolgsverwöhnten Australier müssen sich auf stagnierende Wachstumsraten einstellen. Für deutsche Unternehmen bleibt das Land dennoch ein interessanter Markt.
10.04.2024
Von Annika Pattberg | Sydney
Wirtschaftsentwicklung: Die Wirtschaft wächst, der Wohlstand schrumpft
Für 2024 erwarten Ökonomen ein reales Wirtschaftswachstum zwischen 1,4 Prozent (OECD-Prognose) und 2,0 Prozent (Economist Intelligence Unit, EIU). Für die kommenden Jahre rechnen Analysten mit einem jährlichen Wachstum um 2 Prozent. Bedingung dafür ist allerdings eine anhaltende Zuwanderung und ein stabiler Außenhandel mit China, was Prognosen fast unmöglich macht.
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nimmt ab
Die für australische Verhältnisse schwachen, aber immer noch positiven Wachstumszahlen lassen die Lage besser erscheinen, als sie für viele Australier tatsächlich sein dürfte. Das Land schrammte nach Meinung vieler Ökonomen 2023 vor allem aufgrund der hohen Einwanderung (vor allem von ausländischen Studenten) und hoher Staatsausgaben an einer technischen Rezession vorbei. Das BIP pro Kopf lag im vierten Quartal 2023 rund 1 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Die hohe Zuwanderung ist traditionell ein bedeutender Wachstumstreiber des Landes. Während die Wirtschaft dringend mehr Facharbeiter benötigt, werden allerdings Rufe in der Bevölkerung lauter, dass das Wohnangebot und die Infrastruktur nicht für mehr Menschen ausgelegt sind.
Konsum legt trotz sinkender Inflation nur leicht zu
Nach einem Anstieg der Konsumentenpreise um 7,8 Prozent (2022) und 4,1 Prozent (2023) erwarten Volkswirte der Privatbank NAB einen Rückgang der Inflation auf 3,1 Prozent im Jahr 2024.
Die meisten Analysten gehen darum davon aus, dass die Reserve Bank of Australia noch 2024 ihren Leitzins von 4,35 Prozent senken wird. Skeptiker argumentieren, dass steigende Immobilien- und Mietpreise, die anstehende Senkung der Einkommenssteuer zum 1. Juli 2024 und die erwarteten höheren Staatsausgaben im anstehenden Staatshaushalt die Inflation eher wieder antreiben und der Zinsschritt darum erst 2025 erfolgen könnte.
Der private Konsum legte 2023 nur um preisbereinigt 1,1 Prozent zu - und auch das nur dank der vielen zugezogenen ausländischen Studenten, wie Analysten der NAB betonen. 2024 soll der private Verbrauch laut EIU-Prognose um 1,6 Prozent zulegen, 2025 um 2,5 Prozent.
Außenhandel schwächelt, Freihandelsabkommen auf Eis
Die schwache Konjunktur und die geringe Konsumnachfrage spiegeln sich auch in den Außenhandelsdaten wider. Die deutschen Exporte nach Australien sanken 2023 auf Euro-Basis um nominal 1 Prozent auf 11,7 Milliarden Euro. Auf US-Dollar-Basis stiegen die deutschen Ausfuhren um 1,6 Prozent auf 12,6 Mrd. US-Dollar, was inflationsbereinigt ebenfalls einem leichten Rückgang entspricht.
Neue Impulse für den Außenhandel hatten sich Wirtschaftsvertreter durch das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Australien erhofft. Aktuell liegen die Verhandlungen aber auf Eis. Beobachter rechnen nicht vor 2025 mit einem Abschluss. Größtes Exportgut des extrem rohstoffreichen Landes ist Eisenerz.
Top-Thema: Rohstoffreiches Land rüstet sich für Energiewende
Die neue Labor-Regierung unter Premierminister Anthony Albanese hatte ehrgeizige Ziele bezüglich der geplanten Energiewende und der Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 verkündet. Damit bis 2030 mindestens 82 Prozent des Stroms klimaneutral erzeugt wird, sollen vor allem erneuerbare Energien gefördert werden. Einige Beobachter bezweifeln allerdings, dass dieses Ziel erreicht wird. Einen Projektüberblick bietet die Australian Renewable Energy Agency (ARENA). Da nur 1 Prozent der eingesetzten Solaranlagen vor Ort hergestellt werden, fördert die Regierung ab April 2024 die lokale Produktion mit dem Solar Sunshot Program.
Widerstand gegen die Energiewende kommt aus der Kohleindustrie: Diese ist weiterhin ein äußerst bedeutender Arbeitgeber und die Bevölkerung wehrt sich gegen geplante Schließungen von Kohleminen und -kraftwerken. Rohstoffe spielen eine große Rolle in Australien. Der Kontinent gehört zu den weltweit größten Produzenten von Bauxit und verfügt unter anderem über große Vorkommen an Gold, Kupfer und den Batterierohstoffen Nickel, Cobalt und Lithium. Aufgrund des gesunkenen Weltmarktpreises setzte Rohstoffministerin Madeleine King Nickel auf die Liste kritischer Rohstoffe, was den Abbau förderungsfähig macht.
Deutsche Perspektive: Australien für bestimmte Branchen ein spannender Markt
Trotz der für australische Verhältnisse vergleichsweise schwachen Konjunktur und geringen Konsumnachfrage ist das Land für deutsche Unternehmen ein spannender Markt. Dies gilt insbesondere für die Sektoren Bergbau, Rohstoffe, Energie, die Gesundheitswirtschaft sowie für den Bereich Umwelttechnik und Klimaschutz. Nicht unterschätzen sollten deutsche Firmen allerdings die Konkurrenz durch britische und US-amerikanische Unternehmen, zu denen historisch und sprachlich bedingt enge Beziehungen bestehen.
Nach Schätzung der AHK Australien sind über 150 deutsche Unternehmen im australischen Bergbausektor involviert. Der Kontinent ist trotz langer Lieferwege sowohl ein interessanter Beschaffungsmarkt für kritische Rohstoffe als auch ein großer Absatzmarkt für deutsche Bergbauzulieferer und -dienstleister. Auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist bei der AHK Australien ein Kompetenzzentrum für Bergbau und Rohstoffe angesiedelt. Strengere Umweltauflagen sowie Bestrebungen seitens der Bergbauindustrie zur Senkung der Emissionen bieten Geschäftschancen im Bereich Dekarbonisierung.
Für Themen wie Müllvermeidung und Recycling muss zum Teil erst noch ein Bewusstsein geschaffen werden. Im Herbst 2024 findet eine Geschäftsanbahnungsreise für deutsche Unternehmen der Abfallwirtschaft statt.
Große deutsche Unternehmen wie RWE (Offshore-Windkraft) engagieren sich im Energiesektor. Voith beliefert eines der größten Pumpspeicherkraftwerke der Welt, Snowy 2.0, mit Komponenten. Maschinenhersteller wie Liebherr und Herrenknecht profitieren von zahlreichen Infrastrukturprojekten.
Weitere Informationen zu Entwicklungen in Australiens Wirtschaft und wichtigen Branchen bietet die GTAI-Länderseite Australien.