Branchen | Belgien | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Belgiens Chemieindustrie ist sehr exportorientiert und forschungsstark.
20.10.2022
Von Torsten Pauly | Berlin
Sektor konzentriert sich an einigen Standorten
Eine Stärke des belgischen Chemiestandortes sind die kurzen Wege und die großen Verbundcluster. Diese konzentrieren sich hauptsächlich in Flandern, das mit Wallonien und Brüssel eine der drei autonomen belgischen Regionen bildet. Dabei sind insbesondere die flämischen Städte Antwerpen, Gent und Mortsel zu nennen. In Flandern wurden 2021 etwa 75 Prozent des landesweiten Chemieindustrieumsatzes erwirtschaftet. Die Lage in Flandern, das das Hinterland der Nordseeküste bildet, hat zudem den Vorteil hervorragender Überseeverbindungen.
Jeweils 10 Prozent des belgischen Branchenumsatzes entfielen 2021 auf Wallonien und die Hauptstadtregion Brüssel. Weitere 5 Prozent wurden auf Auslandsmärkten erwirtschaftet. Wichtige wallonische Standorte sind Lüttich und Mons. Die Region Wallonien fördert die Branche mit dem Cluster GreenWin für grüne Chemie.
Intensive Investitionstätigkeit
Belgien ist ein Hochlohnstandort und die in- und ausländischen Chemieproduzenten wenden hohe Beträge auf, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Laut dem Chemieverband essescia haben sich die branchenweiten Anlageinvestitionen 2021 auf 2,7 Milliarden Euro summiert. Das kommt einer Steigerung von 16,7 Prozent gegenüber 2020 und 34 Prozent aller Investitionen in Belgiens verarbeitendem Gewerbe gleich.
Noch sehr viel höher sind die Ausgaben für die Forschung und Entwicklung. Diese haben 2020 und 2021 laut essenscia 5,6 Milliarden Euro beziehungsweise 5,5 Milliarden Euro erreicht. Damit wendet die Chemieindustrie etwa zwei Drittel aller Mittel für Innovationen im belgischen verarbeitenden Gewerbe auf.
Zu einem zunehmenden Problem entwickelt sich jedoch der Fachkräftemangel. Durch die Alterung der Gesellschaft werden sich die bis 2026 in Ruhestand gehenden Arbeitnehmer in Belgien nur zu 80 Prozent durch Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt ersetzen lassen. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung der Personalvermittlungsagentur Robert Half. Der Chemieverband essenscia fordert daher, die Attraktivität der Naturwissenschaften in Schule und Studium zu erhöhen.
Hohe Exportüberschüsse
Die sehr starke internationale Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Chemieindustrie lässt sich an der Handelsbilanz ablesen. Im Jahr 2021 hat sich der belgische Export von chemischen Erzeugnissen auf 162,6 Milliarden Euro summiert. Das waren nominal 33,2 Prozent mehr als 2020, wobei sich ein Teil dieses Wachstums auch durch internationale Preissteigerungen erklärt. Deutschland ist der wichtigste Abnehmer, denn hierhin gingen 2020 etwa 20,3 Prozent aller Chemieausfuhren. Es folgten die USA mit einem Anteil von 10,3 Prozent vor Frankreich (9,3 Prozent).
Der traditionell hohe belgische Exportüberschuss mit chemischen Erzeugnissen ist 2021 nochmals um 78,7 Prozent auf einen Rekordwert von 47,3 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt. Auch gegenüber Deutschland erwirtschaftet Belgien regelmäßig Handelsüberschüsse. Im Jahr 2021 haben die bilateralen belgischen Ausfuhren von chemischen Erzeugnissen die entsprechenden Einfuhren um 13,5 Milliarden Euro überstiegen.
Der Wert der belgischen Chemieproduktion ist 2020 laut neuesten verfügbaren detaillierten Zahlen um 11,9 Prozent gesunken. Dieser Einbruch war der Coronapandemie und den damit verbundenen zeitweisen Betriebsschließungen und unterbrochenen Lieferketten geschuldet. Der kalendertagbereinigte Rückgang des Produktionsvolumens war 2020 geringer ausgefallen (-2,8 Prozent). Hier hatte es 2021 laut bereits vorliegenden Zahlen wieder einen Anstieg um 6,6 Prozent gegeben.
Sparte (NACE Rev.2) | 2020 | Veränderung 2020/2019 | Marktanteil |
---|---|---|---|
Chemische Erzeugnisse (20), davon | 27,3 | -11,9 | 100,0 |
Basischemikalien (20.1) | 19,6 | -13,4 | 71,6 |
Agrochemikalien (20.2) | 0,6 | -10,0 | 2,1 |
Farben (20.3) | 1,6 | -5,2 | 5,9 |
Kosmetik und Reinigungsmittel (20.4) | 2,0 | -4,2 | 7,2 |
Sonstige chemische Erzeugnisse (20.5) | 3,3 | -10,4 | 12,1 |
Chemiefasern (20.6) | 0,3 | -17,5 | 1,1 |
In Belgien sind fast alle weltweit führenden Chemieunternehmen tätig. Aus Deutschland betreiben unter anderem BASF, Bayer, Covestro, Evonik und Lanxess einen Standort. In der belgischen Chemieindustrie waren 2020 insgesamt 778 Unternehmen am Markt. Diese beschäftigten 32.700 Mitarbeiter. Darüber hinaus gab es 188 Firmen in der pharmazeutischen Industrie. Diese stellten 22.500 Arbeitsplätze. Der größte belgische Chemiekonzern Solvay lag 2020 vom Umsatz her weltweit an 28. Stelle. Das zweitgrößte belgische Branchenunternehmen Umicore befand sich auf Rang 33.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2021 |
---|---|---|
vor allem Chemikalien für Kfz- und Raumfahrtindustrie, Gesundheit und Konsumgüter, Umwelt und Rohstoffe, Agar und Nahrungsmittel, Baugewerbe | 10,1 | |
vor allem Chemikalien für Chemie-, Kfz-, Raumfahrt-, Elektronik-, Recylingindustrie, Bergbau | 4,0 | |
unter anderem Kleb-, Dichtstoffe | 1,1 | |
Phosphatchemie | 0,9 |