Markets International 1/25 I Interview I Robotik
"Deutsche Unternehmen liefern in ihren Nischen sehr hohe Qualität"
Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert die Einsatzmöglichkeiten von Robotern. Susanne Bieller, Generalsekretärin der International Federation of Robotics, wirft einen Blick in die Zukunft und erläutert, womit Deutschland im globalen Wettbewerb punkten kann.
31.03.2025
Von Jasmin Oberdorfer (wortwert), Köln

Frau Bieller, der Robotikmarkt wächst kontinuierlich. Welche Faktoren treiben die Automatisierung voran?
Wichtige Treiber der Automatisierung sind der Fachkräftemangel und die steigenden Kosten der manuellen Fertigung, die die Wettbewerbsfähigkeit gefährden – dies gilt vor allem in Europa. Ein weiterer wichtiger Treiber ist die Produktionsqualität: Automatisierung sorgt für eine gleichbleibend hohe Qualität, besonders in Fertigungsprozessen, bei denen Menschen schnell ermüden und dadurch Fehler entstehen können. Roboter übernehmen hier eine wichtige Rolle, indem sie Aufgaben bei hoher Wiederholungsrate mit konstanter Präzision ausführen.
Wie schätzen Sie die momentane internationale Lage der deutschen Robotikbranche ein?
Deutschland ist nicht nur der größte Robotikmarkt in Europa und nach China, Japan, den USA und Südkorea der fünftgrößte weltweit, sondern war 2023 auch das einzige Land in den Top 5, das mit sieben Prozent ein Wachstum verzeichnen konnte. Dennoch erlebt die deutsche Robotikbranche derzeit eine gemischte Entwicklung. Der Inlandsmarkt ist durch die aktuellen Herausforderungen der Automobilindustrie belastet, was sich direkt auf die deutschen Robotikhersteller auswirkt, die diese Branche beliefern. Aber es gibt Chancen im Exportgeschäft, wo deutsche Unternehmen bereits gut positioniert sind. China ist dabei der wichtigste Absatzmarkt. Die USA sind ebenfalls ein interessanter Markt, da dort keine eigenen Roboterhersteller existieren und viele Unternehmen auf deutsche Anbieter zurückgreifen.
Welche Branchen und Kunden profitieren vor allem von Robotiklösungen aus Deutschland?
Deutschland nimmt in der Industrierobotik eine sehr starke Position ein. Wir haben viele Unternehmen, die sich auf bestimmte Roboterarten wie Schweiß- oder Lackierroboter spezialisiert haben, die beispielsweise in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Diese Unternehmen bieten nicht die gesamte Palette an, kennen aber die spezifischen Anforderungen ihrer Kunden genau und liefern in ihren Nischen sehr hohe Qualität.
Gut aufgestellt sind wir auch auf dem Gebiet der Systemintegration. Viele Kunden wissen oft nicht genau, wie sie ihre Prozesse erfolgreich automatisieren können. Besonders kleinere Unternehmen sind dabei auf die Expertise von Systemintegratoren angewiesen. Sie beraten die Unternehmen dabei, welche Prozesse am besten für die Automatisierung geeignet sind und die Effizienz steigern können, und unterstützen sie bei der Auswahl der passenden Roboter.
Nicht zuletzt bedienen deutsche Unternehmen auch den Markt für Low-Cost-Roboter. Damit sprechen sie Kunden an, die nicht in hochpreisige Systeme investieren möchten, sondern stattdessen für einfachere Anwendungen auf kostengünstigere Roboter setzen.
Wie verändert KI die Anwendungsmöglichkeiten von Robotern?
Durch KI eröffnen sich in der Robotik völlig neue Perspektiven, sie schärft Robotern in vielerlei Hinsicht die Sinne. KI – unterstützt durch Kameras und Sensorik – ermöglicht es den Maschinen, ihre Umgebung wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Ein Beispiel: Wenn unterschiedliche Ausgangsmaterialien oder Produkte gleichzeitig verarbeitet werden müssen, erkennt der Roboter dank KI, womit er es zu tun hat. Auf Basis dieser Informationen passt er seine Vorgehensweise entsprechend an. Das heißt, die KI befähigt den Roboter, flexibel auf die Variabilität in der Produktion einzugehen.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Prozessoptimierung. Dank der Fähigkeit der KI, große Datenmengen zu erfassen und auszuwerten, lernt der Roboter dazu und optimiert stetig seine Abläufe. So ist er in der Lage, noch effizienter und präziser zu arbeiten.
Steht uns hierzulande nicht der Datenschutz im Weg?
Deutschland ist führend in der Industrierobotik und Automatisierungstechnik und setzt dabei zunehmend auch auf den Einsatz von KI. Insbesondere im Umgang mit Daten gibt es dabei tatsächlich noch erhebliches Verbesserungspotenzial. KI erfordert große Mengen an Daten, um effektiv zu funktionieren. In Deutschland genießt der Datenschutz einen hohen Stellenwert, was die Verfügbarkeit und Nutzung von Daten erschwert. Oft haben Roboterhersteller keinen Zugang zu den Daten, die ein Roboter während seines Betriebs sammelt, da Kunden Bedenken haben. Schließlich könnten aus diesen Daten auch sensible Informationen abgeleitet werden. Das bremst die KI-Forschung.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie prägen Roboter die Arbeitswelt von morgen?
In Zukunft wird es ein viel stärkeres Miteinander von Mensch und Roboter geben. Dabei wird das Verständnis zunehmen, dass Roboter keine Konkurrenz oder Bedrohung für Arbeitsplätze sind, sondern den Menschen unterstützen und entlasten können. Wir werden uns zunehmend darauf konzentrieren, menschliche Arbeitskräfte dort einzusetzen, wo wir ihre Stärken benötigen. Dort, wo wir Menschen entlasten können, nutzen wir Roboter. Gerade in Bezug auf den Fachkräftemangel werden Roboter eine Schlüsselrolle dabei spielen, die nötige Arbeitskraft bereitzustellen, um den steigenden Bedarf an Produkten und Dienstleistungen decken zu können.