
Markets International 1/25 I Branchen I Robotik
Roboter Made in Germany
Eine neue Generation von Robotern erobert weltweit die Fabriken. Die neuen sind smarter, mobiler und selbstständiger als frühere Modelle. Sie lassen sich viel flexibler einsetzen und leichter bedienen. Deutsche Hersteller treiben den Robotikboom mit innovativen und pragmatischen Lösungen voran.
31.03.2025
Von Robert Herzner, Frank Robaschik, Heiko Stumpf, Katharina Viklenko, Sarah Sommer (wortwert), Köln, Susanne Widrat (wortwert)
Siebzig Kilogramm schwer, knapp 1,70 Meter groß und von Kopf bis Fuß in glänzend schwarzes Metall gekleidet stapfen Roboter auf zwei stämmigen Beinen durch die Fabrikhalle, greifen mit nach menschlichem Vorbild gestalteten Händen sicher und präzise nach Karosserieteilen. Sie drehen und wenden die schweren Bauteile scheinbar mühelos und legen sie millimetergenau in die nächstgelegene Maschine ein. Wenn im US-Werk von BMW in South Carolina mal wieder die neueste Generation humanoider Industrieroboter des kalifornischen Unternehmens Figure AI zum Probearbeiten aufläuft, fühlt man sich wie in das Setting eines Science-Fiction-Films versetzt.
Markets International Ausgabe 1/25

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 1/2025 mit dem Schwerpunkt Robotik. Erfahren Sie, welche weiteren Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.
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„Mit einem frühzeitigen Testbetrieb eruieren wir die Einsatzmöglichkeiten humanoider Roboter in der Produktion. Wir wollen diese Technologie von der Entwicklung bis zur Industrialisierung begleiten“, erklärt Milan Nedeljković, Produktionsvorstand der BMW AG. Die Experten von BMW nutzen die beim Test gewonnenen Erkenntnisse zusammen mit Figure AI dazu, zukünftige Produktionseinsätze auszuloten und die Multipurpose-Roboter für den Praxiseinsatz in der Industrie weiterzuentwickeln.
Vom Roboter zum flexiblen Assistenten
Die deutsche Automobilindustrie galt schon immer als einer der Vorreiter in der Industrierobotik, die frühzeitig auf hoch automatisierte Fertigungsstrecken setzte. Und so verwundert es nicht, dass weltweit in den Werken von BMW, Volkswagen, Mercedes-Benz und Co. nun auch die neueste Generation der Industrieroboter ihre ersten Gehversuche macht. Doch längst erobern die Roboter auch viele andere Branchen – kaum ein Produktionsunternehmen wird in Zukunft noch auf die Unterstützung durch moderne Robotiklösungen verzichten.
Mehr als vier Millionen Industrieroboter sind im Jahr 2024 bereits in Fabriken rund um den Globus im Einsatz. Jedes Jahr kommen mehr als 500.000 weitere Robotikeinheiten hinzu, berichtet die International Federation of Robotics (IFR). „Was wir gerade erleben, ist eine Art Demokratisierung der Robotik“, sagt Werner Kraus, Forschungsbereichsleiter Automation und Robotik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart. „Industrieroboter werden für immer mehr Industriezweige und für immer mehr Unternehmen in der Breite verfügbar und lassen sich an deren Bedürfnisse anpassen.“
Trends in der Robotik
Trend 1: Roboter lernen denken
Auf rund 260 Milliarden Euro schätzt die Unternehmensberatung Boston Consulting Group das Marktpotenzial für Robotik im Jahr 2030. Möglich wird dies vor allem dank der Kombination mit künstlicher Intelligenz (KI). Experten sind sich sicher: KI-gestützte Roboter helfen, im Bereich Automatisierung noch mehr Zeit und Kosten einzusparen. Maschinelles Lernen und adaptive Algorithmen sorgen dafür, dass Roboter ihre Arbeitsweise künftig selbstständig optimieren und schnell zwischen verschiedenen Aufgabenstellungen wechseln können. Zudem passen sie ihre Bewegungen durch gelerntes Fühlen und Sehen immer wieder neu an – und sind daher auch in sich verändernden Arbeitsumgebungen sicher unterwegs.
Trend 2: Roboter sind Mitarbeiter
Derzeit entlasten Cobots ihre menschlichen Kolleginnen und Kollegen vor allem bei sich ständig wiederholenden oder ermüdenden Aufgaben – zum Beispiel in der Produktion oder im Handwerk. Sie können auch unangenehme und gefährliche Arbeiten übernehmen. Ihre Vorzüge: hohe, konstante Präzision bei schneller Arbeitsgeschwindigkeit. Je intelligenter Cobots sind, umso enger können sie mit Menschen zusammenarbeiten, ohne diese zu gefährden – Spracherkennung und die Steuerung über Gesten spielen dabei wichtige Rollen. So können Cobots zum Beispiel Werkzeuge anreichen oder selbstständig Regale füllen.
Trend 3: Roboter machen mobil
Sie können transportieren, reinigen, inspizieren, bauen … egal, ob in engen Räumen, unter Wasser oder in Gefahrenbereichen. Der neueste Trend: autonome mobile Manipulatoren (AMM) und Transportfahrzeuge. Das sind Roboter, die selbst gesteuert, mobil und kollaborativ arbeiten. Sie bestehen aus einer rollenden Basis, auf der ein hochbeweglicher Rotoberarm montiert ist. Der Arm lässt sich zum Beispiel über Gesten steuern und nimmt seine Umgebung über Sensoren oder Kameras wahr. Das Marktforschungsunternehmen The Insight Partners prognostiziert für das Jahr 2030 ein Marktvolumen von 2,1 Milliarden US-Dollar.
Trend 4: Roboterzwillinge in der Cloud
Der Aufbau einer neuen Produktionslinie, Reparaturen an schwer zugänglichen Orten, Wartungsarbeiten unter gefährlichen Bedingungen oder das Training verschiedener Aufgaben an nur einem Ort – digitale Zwillinge bilden physische Objekte und reale Prozesse möglichst realitätsgenau in einem virtuellen Raum ab. Ihr Einsatzgebiet reicht von der Stadtplanung über die Produktion bis zur personalisierten Medizin. Der globale Markt soll laut Marktforschungsinstitut Fortune Business Insights von derzeit 17,73 Milliarden US-Dollar auf 259,32 Milliarden US-Dollar im Jahr 2032 anwachsen.
Trend 5: Roboter ähneln Menschen
Humanoide Roboter gleichen in Größe und Gewicht immer häufiger den Mitarbeitenden, sodass sie gut in Umgebungen eingesetzt werden können, die für Menschen konzipiert wurden. Die Managementberatung Horváth prognostiziert: Bis 2030 ist ihre Entwicklung so weit fortgeschritten, dass ihre Bewegungen die menschlichen Fähigkeiten in puncto Geschwindigkeit, Flexibilität und Feinmotorik übertreffen. Mittelfristig könnten sie mehr als 50 Prozent der manuellen Tätigkeiten übernehmen, insbesondere in den Bereichen Lagerhaltung und Logistik. Und schon ab 2025 sollen Hersteller industrietaugliche humanoide Roboter in Serie produzieren.
Und wo es bislang speziell ausgebildete Ingenieure brauchte, um Industrieroboter anzulernen, gehe der Trend jetzt hin zu einem „Ich installiere mal schnell den neuen Roboter mithilfe von modularer, intuitiv bedienbarer Software“, sagt Kraus. „Der Engineering-Prozess rund um die Auswahl des passenden Roboters und Greifers, das Programmieren und die Integration von Robotern werden gerade automatisiert.“ Dadurch lassen sich in vielen, auch mittelständischen Industrieunternehmen hohe Produktivitätsgewinne erzielen – und Robotikunternehmen erschließen ganz neue Kundengruppen.

Gefragt sind also in dieser Phase der Markt- und Technologieentwicklung insbesondere Robotiklösungen, die sich an die Bedürfnisse verschiedener Branchen anpassen lassen. Etablierte Hersteller und Start-ups aus Deutschland mischen mit innovativen und pragmatischen, teils hochspezialisierten Lösungen auf diesem internationalen Wachstumsmarkt mit und prägen die neue Robotergeneration.
Zu den wichtigsten und am weitesten fortgeschrittenen Wachstumsmärkten in der Industrierobotik zählen aktuell China, Japan, die USA und Südkorea. Hier sind zum einen bereits viele Roboter im Einsatz, der Absatzmarkt ist also besonders groß. Zum anderen sind hier auch internationale Wettbewerber besonders aktiv und treiben die Entwicklungen in der Industrierobotik mit hohem Tempo voran. Es gilt also, darüber auf dem Laufenden zu bleiben, was sich auf diesen Märkten tut. Die wichtigsten Entwicklungen im Überblick:
China: Drohnen und digitale Zwillinge
Roboter sollen China in der nächsten Phase der industriellen Transformation auf Wachstumskurs halten. Im größten Robotermarkt der Welt bauen in- und ausländische Hersteller aktuell ihre Produktionskapazitäten aus. Im Jahr 2023 hat das Land Deutschland bei der Roboterdichte überholt und liegt nun hinter Südkorea und Singapur auf Platz drei. In Chinas Fabriken arbeiten mittlerweile 1,7 Millionen Roboter. Der chinesische Markt für Industrieroboter wird für das Jahr 2024 auf rund 34,6 Milliarden Euro geschätzt, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 22,1 Prozent bis 2027.
Nach Angaben der China Robot Industry Alliance (CRIA) konzentrieren sich chinesische Hersteller dabei hauptsächlich auf den heimischen Markt, den weltweit größten Markt für Industrieroboter. Hier bedienen sie inzwischen fast die Hälfte der Nachfrage. Der Anteil der exportierten Roboter liegt zwar unter fünf Prozent. Doch die Robotikbranche ist zentral für Chinas Bestrebungen, mit dem Westen gleichzuziehen. Im Jahr 2024 hob die Regierung die Robotik als neuen Wachstumstreiber hervor. Um mit dem Westen mitzuhalten, fördert sie heimische Unternehmen mit Subventionen und unterstützt Übernahmen strategischer Unternehmen im Ausland.
Deutschland spielt als Konkurrent eine wichtige Rolle. Ein bedeutender Meilenstein war der Einstieg des chinesischen Mischkonzerns Midea beim deutschen Robotikhersteller Kuka im Jahr 2016. Inzwischen hat Midea Kuka vollständig übernommen, wobei der Hauptsitz und der wichtigste Entwicklungsstandort weiterhin in Augsburg bleiben. Dieser Deal hat zwei Seiten: Er stärkt die deutsche Präsenz in China und hilft gleichzeitig, China als führenden Akteur in der Robotik zu etablieren.
Neben den Anwendungen in der Fertigung tut sich aktuell besonders viel im Bereich Intralogistik. Hier steht insbesondere der Einsatz von Drohnen im Fokus. Durch den Einsatz von Robotersystemen in großen Lagerhäusern können autonome fahrerlose Manipulatoren oder Transportfahrzeuge (AMM bziehungsweise AGV) in Echtzeit mit Lagerverwaltungssystemen kommunizieren. So vermeiden Unternehmen Engpässe in der Produktion und optimieren den Materialfluss.
Zwei Beispiele aus der Praxis: Die Zusammenarbeit zwischen Chinas IT-Konzern Huawei und dem chinesischen Logistikunternehmen Santa Fe Express zielt darauf ab, die Logistikprozesse an Flughäfen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik zu optimieren. Digitale Zwillinge, also virtuelle Abbilder der Prozesse und der eingesetzten Roboter, sollen die Effizienz und Sicherheit der Luftfracht verbessern. Dem chinesischen Unternehmen Ubtech wiederum ist es gelungen, die Lücke zwischen dem Lagerhaus und der Produktionslinie zu überbrücken: Der zweibeinige Roboter Walker S1 sortiert seit Neuestem im Werk des chinesischen E-Autobauers BYD Kisten und hebt diese auf ein unbemanntes Fahrzeug. Das wiederum transportiert die Teile zum Produktionsort. Auch hier ist KI im Spiel, die unbemannte Logistik möglich macht.

Japan: Cobots und mobile Roboter
Japan ist der zweitgrößte Industrierobotikmarkt nach China. Wichtige Anwender sind die Auto- und die Elektronikindustrie sowie der Maschinenbau, die Elektrotechnik und die Metallbearbeitung. Zudem ist Japan der mit Abstand größte Produzent und Exporteur von Industrierobotern, auch wenn die Weltmarktanteile zuletzt gesunken sind. Große Anbieter sind die Unternehmen Fanuc, Yaskawa, Kawasaki, Mitsubishi, Nachi-Fujikoshi, Daihen, Epson, Denso, Omron, Shibaura Machine und Yamaha. Roboterteile liefern etwa SMC, Nabtesco und Panasonic.
Auf der Werkzeugmaschinenmesse Jimtof im November 2024 waren auch Roboter zu sehen. Yoshiharu Inaba, Chairman von Fanuc, bezeichnet den zunehmenden Einsatz kollaborierender Roboter, sogenannter Cobots, als einen der großen Trends der Branche. Fanuc zeigte den mit einer Hubkapazität von 50 Kilogramm stärksten Cobot der Welt. Das Kölner Unternehmen Igus war ebenfalls vor Ort und präsentierte mit dem Rebel einen vergleichsweise günstigen Roboterarm, der sich insbesondere an den Bedürfnissen kleiner und mittelständischer Industriebetriebe orientiert.
Auch der Einsatz mobiler Roboter in Lagern und in Werken nimmt zu. Das japanisch-deutsche Unternehmen DMG Mori stellte den autonom fahrenden Roboter AMR 2000 vor. Dieser erlaubt das Handling von Werkzeugen und Materialpaletten in den Werken von Kunden, etwa im Maschinenbau.
Die japanische Regierung unterstützt die Industrieroboterbranche. Das Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Sicherheit von 2022 ermöglicht hohe Subventionen. Jüngere Förderprogramme beschäftigen sich mit Themen wie Lieferrobotern, dem Einsatz von KI in der Robotik, mit dem sogenannten Chiplet-Design, mit kollaborativen Robotern in der Logistik, Pflegerobotern, maritimer Robotik, Robotern in der Landwirtschaft oder Tiefseerobotern für die Rohstoffsuche.
Best Practice - Made in Germany
Hilfe gesucht – die KI weiß Rat

Schon im Sommer 2023 stellte das Konstanzer Unternehmen Fruitcore Robotics eine neue Software mit integriertem AI-Copiloten für seine Industrieroboter vor. Der AI-Copilot ermöglicht es, die Roboter mit Chat-GPT-Unterstützung einzurichten und zu steuern. Dank des intelligenten Assistenten erhalten Anwender in natürlicher Sprache und in Echtzeit Antworten auf ihre Fragen sowie Hilfestellungen. „Künstliche Intelligenz trägt maßgeblich zu einer agileren und flexibleren Automatisierung bei und wird zweifellos die Automatisierungslandschaft grundlegend verändern“, sagt Geschäftsführer Patrick Heimburger.
Name: Fruitcore Robotics GmbH
Sitz: Konstanz
Partner in Europa: mehr als 70
Mitarbeiter: circa 100
www.fruitcore-robotics.com/

Sortieren, picken, prüfen – aber mit Gefühl
Ende 2023 stellte das Kölner Unternehmen Igus eine Roboterhand vor, die den bereits bewährten Cobot namens Rebel ergänzt. Das Besondere: Der Greifer aus Kunststoff ist in der Lage, menschliche Handbewegungen nachzuahmen. „Damit kann Rebel eine breite Palette von einfachen humanoiden Aufgaben und Anwendungen übernehmen. Wir denken da an den Bereich Forschung und Entwicklung an Hochschulen, aber auch Aufgaben in der Gastronomie und in der Unterhaltungsbranche sind denkbar“, sagt Alexander Mühlens von Igus.
Name: Igus GmbH
Sitz: Köln
Standorte weltweit: 31
Umsatz: 1,14 Milliarden Euro
www.igus.de

Wendig, zuverlässig, schnell – mobile Helfer
Gerade einmal kniehoch und doch schon wertvolle Mitarbeiter: Die AGVs (Automatic Guided Vehicles) von Neobotix fahren Flächen ab und messen ihre Größe, sie umkreisen Objekte und scannen Oberflächen ab. Sie transportieren auch schwere Bauteile oder empfindliche Ladungen in Lager- oder Produktionshallen. Bei all ihren Aufgaben achten sie auf Hindernisse, denen sie schnell und wendig in jede Richtung ausweichen können. „Wir können unsere Roboterfahrzeuge auf etwa zehn Millimeter genau platzieren“, sagt Till May, CEO von Neobotix.
Name: Neobotix GmbH
Sitz: Heilbronn
Standort: Deutschland
Mitarbeiter: 10
www.neobotix-roboter.de
Mittendrin dabei – per Mausklick

Aus einfachen Fotos erstellen die Mitarbeitenden des 2019 gegründeten Familienunternehmens Framence fotorealistische, dreidimensionale digitale Zwillinge. So können Techniker aktuelle Mess- und Sensorwerte von Anlagen abfragen, Architekten Bauvorhaben dokumentieren oder Servicemitarbeiter die Missionen für den Wartungsroboter vorab planen – alles, ohne den eigenen Schreibtisch verlassen zu müssen. „Auf diese Weise lassen sich Prozesse optimieren, Ausfallzeiten minimieren und Wartungsarbeiten präzise planen“, sagt Geschäftsführer Adrian Merkel.
Name: Framence GmbH
Sitz: Bensheim
Vertriebspartner weltweit: 20
Mitarbeiter: 10
www.framence.com
Hören, fühlen, sehen – fast wie Du und ich

4NE-1 (sprich: for anyone) kann seine Umgebung und die Menschen wahrnehmen und autonom handeln. 4NE-1 ist allerdings kein Lebewesen, sondern der humanoide Roboter von Neura Robotics. Das Unternehmen wurde 2019 mit dem Ziel gegründet, wichtige Innovationslücken in der Robotik zu schließen und das Zeitalter der kognitiven Roboter zu begründen. Gerade erst sammelte das Start-up 120 Millionen Euro ein, mit denen es die Marktführer aus den USA und China angreifen will. „Meine Vision ist die einer kognitiven Robotik aus Deutschland, die unseren Alltag in vielen Lebensbereichen besser macht“, sagt Gründer und CEO David Reger.
Name: Neura Robotics GmbH
Sitz: Metzingen
Standorte in Deutschland: drei
Mitarbeiter: mehr als 300
www.neura-robotics.com
USA: KI und menschliche Roboter
In Sachen KI haben die USA ebenfalls große Pläne: In den nächsten vier Jahren sollen Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Dollar in das KI-Infrastrukturprojekt Stargate fließen.Zudem ist die Nation hinter China und Japan der weltweit drittgrößte Markt für Industrieroboter. Im Jahr 2023 belief sich der in den US-Fabriken installierte Bestand auf rund 382.000 Einheiten. Spitzenreiter ist die Automobilindustrie, welche in ihren Werken die meisten Robotiklösungen zum Einsatz bringt.
So arbeitet etwa US-Elektroauto-Pionier Tesla daran, Roboter in der Fabrik menschenähnlicher zu machen. Als Firmengründer Elon Musk im Oktober 2024 nach Hollywood einlud, um das vollständig autonom fahrende Tesla Cybercab vorzustellen, gab es für die Gäste eine weitere Überraschung: Die Getränke wurden von humanoiden Robotern des Typs Optimus serviert. Bereits ab 2025 sollen die Roboter in den Tesla-Werken zur Automobilproduktion eingesetzt werden. Ab 2026 ist die Serienproduktion geplant, damit die Roboter auch anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden können. Laut Musk soll ein Optimus-Humanoid zwischen 20.000 und 30.000 US-Dollar kosten und könnte auch Aufgaben in der Logistik, im Gesundheitswesen, in der Bau- und Landwirtschaft oder in privaten Haushalten übernehmen.

Damit stößt Tesla die Tür zu einem gewaltigen Zukunftsmarkt auf. Morgan Stanley veröffentlichte im Juni 2024 eine Studie, wonach in den Vereinigten Staaten bis zum Jahr 2030 bereits rund 40.000 humanoide Roboter zum Alltag gehören könnten. Bis zum Jahr 2040 könnte diese Zahl auf mehr als acht Millionen anwachsen. Dadurch entsteht ein gigantischer Markt mit einem jährlichem Umsatzpotenzial von 240 Milliarden US-Dollar.
Eine Geschäftschance, die auch deutsche Unternehmen für sich nutzen. Dazu zählt Neura Robotics aus Metzingen. Das Unternehmen sicherte sich in mehreren Finanzierungsrunden finanzielle Mittel im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Das Geld wird gezielt eingesetzt, um eine Präsenz auf dem US-Markt aufzubauen und dort die Entwicklung humanoider Roboter voranzutreiben. Der Humanoid 4NE-1 kann mit Menschen sprechen und anspruchsvolle Aufgaben übernehmen – bis zu komplexen Tätigkeiten in der Industrie. Bis zum Jahr 2030 will Neura Robotics weltweit rund fünf Millionen humanoide Roboter ausliefern.
Südkorea: Komponenten bevorzugt
Angesichts hoher Lohnkosten und alternder Bevölkerung setzt Südkorea stark auf Automatisierung. Das Land hat die mit Abstand höchste Industrieroboterdichte: 2023 wurden 1.012 Roboter pro 10.000 Beschäftigte eingesetzt. Für Igus Korea sei Südkorea ein absolutes Benchmark, was Innovationen für Robotik angeht, berichtet Peter Mattonet, Director E-Chain Systems bei Igus: „Hohe qualitative und technische Anforderungen der lokalen Player sind wichtige Maßstäbe für unsere Produktoptimierung. In Südkorea entwickelte Produkte lassen sich gut in anderen Ländern duplizieren.“
Zugleich produzierte Südkorea nach offiziellen Angaben 2022 Roboter und -teile für fast 4,3 Milliarden US-Dollar. Industrieroboter machen rund die Hälfte des lokalen Markts aus, wachsen als Sparte aber am langsamsten. Deutliches Wachstum gibt es bei Servicerobotern, vor allem im kleineren Segment für kollaborative Roboter, den Cobots. „Wir sehen hier einen riesigen Markt, nicht nur in der Industrie, sondern vor allem auch im Bereich Education und im Dienstleistungssektor“, sagt Mattonet.
Bei wichtigen Teilen und Komponenten ist Südkorea auf Importe angewiesen. Deutsche Firmen sind als Zulieferer gut etabliert: Neben Services und Industrierobotern sind Roboterteile gefragt. Nach Angaben der Korea Association of Robot Industry stammten 9,3 Prozent der im Jahr 2022 importierten Teile und der Software aus Deutschland. „Koreanische Unternehmen bevorzugen den Einsatz einzelner Roboterteile und -komponenten und arbeiten dabei eng mit lokalen Integratoren zusammen, die Montage und Integration übernehmen“, berichtet Mattonet und ergänzt: „Dabei wird die hohe Qualität deutscher Produkte weiterhin geschätzt.“ Lange Zeit haben sich vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen mit Robotik beschäftigt. Inzwischen sind Großkonzerne wie Hyundai, Hanwha, Doosan, LG, SK und Samsung durch Übernahmen und Beteiligungen aktiver geworden.
Aber südkoreanische Anbieter hängen bei Industrierobotern Herstellern aus Japan, den USA und Europa hinterher. Im Bereich Robotiksoftware mangelt es laut dem Korea Institute of Industrial Economics & Trade etwa an Fachkräften. Mit Investitionen in Zukunftsbereiche wie kollaborative Roboter wollen die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Und auch über Fördermittel möchte das Land konkurrenzfähiger werden. Die Regierung definiert Robotik als strategische Wachstumsbranche. In ihrem vierten Masterplan sieht sie bis 2030 Investitionen von mehr als 2,21 Milliarden US-Dollar vor. Neben der Deregulierung des Sektors will Südkorea zudem die lokale Fertigungsrate von aktuell 44 Prozent auf 80 Prozent im Jahr 2030 erhöhen.
Roboter als Teamplayer
Spannend wird das Zusammenspiel der verschiedenen Industrieroboter in den zunehmend digitalisierten Fabriken. „Maximale Wirkung erzielen sie, wenn alle Roboter Daten zuliefern, um voneinander zu lernen und ihr Verhalten aufeinander abzustimmen“, sagt Fraunhofer-Experte Werner Kraus. Für den Datenaustausch fehle es allerdings häufig noch an einheitlichen Plattformen und Standards. „Die aktuellen Entwicklungen in der KI bringen hier viele neue Möglichkeiten mit sich.“
Das engere Miteinander von Mensch und Roboter wird auch die Ängste vieler Beschäftigten widerlegen. „Sie werden erkennen, dass Roboter keine Konkurrenz oder Bedrohung für ihre Arbeitsplätze sind, sondern den Menschen entlasten können“, sagt Susanne Bieller vom Branchenverband International Federation of Robotics.
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