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Special | 20 Jahre EU-Osterweiterung | Slowakei

Slowakei: Unterschiede zwischen West und Ost im Gesundheitswesen

„Brain Drain“ im Gesundheitswesen sorgt für Fachkräftemangel. Investitionen und deutsche Expertise sollen Krankenhäuser modernisieren.

Von Walter Liedtke (pressto GmbH)

Das slowakische Gesundheitswesen sieht sich zwanzig Jahre nach der EU-Osterweiterung und dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union mit Herausforderungen konfrontiert, darunter ein Fachkräftemangel aufgrund eines „Brain Drains“. Viele Ärztinnen und Ärzte bevorzugen es, in Tschechien zu arbeiten, wo nur geringe Sprachbarrieren bestehen, oder suchen Beschäftigung in westeuropäischen Ländern. Ein umfangreiches Investitionsprogramm soll jedoch Abhilfe schaffen und die Situation verbessern. Im Dezember 2023 fand eine Geschäftsanbahnungsreise statt, bei der deutsche Unternehmen die Slowakei besuchten, um Krankenhäuser in Bereichen wie Klima- und Lüftungstechnik sowie medizinischer Software zu modernisieren.

Regionale Disparitäten und Herausforderungen im Gesundheitswesen 

Die Slowakei ist seit Ende 2007 Mitglied des Schengen-Raums und führt seit Januar 2009 den Euro als Währung. Der slowakische EU-Kommissar Maroš Šefčovič ist als Exekutiv-Vizepräsident für den Europäischen Green Deal in Brüssel tätig und bekleidet damit eine Schlüsselrolle in der EU-Politik. Die vollständige Integration in die EU ist ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Trotz dieser Fortschritte bestehen nach wie vor deutliche Unterschiede in der Entwicklung zwischen den Regionen. Wie Gerit Schulze von Germany Trade and Invest erklärt, gibt es ein starkes wirtschaftliches West-Ost-Gefälle. Besonders sichtbar wird dies an der Verkehrsinfrastruktur: Eine durchgehende Autobahnverbindung zwischen den beiden größten Städten, Bratislava im Westen und Košice im Osten, fehlt bislang. Dies erschwert den Güterverkehr, insbesondere in den bergigen Regionen.

Die Ostslowakei holt jedoch auf, unter anderem dank attraktiver Förderbedingungen, die Unternehmen wie Volvo dazu bewegen, dort neue Werke zu errichten – etwa in Košice. Dennoch ist die Arbeitslosigkeit im Osten höher als im Westen, was die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für einfache Tätigkeiten begünstigt. In Bratislava hingegen, wo die höchsten Löhne gezahlt werden, zieht die starke Wirtschaftskraft Fachkräfte aus anderen Landesteilen an, wodurch sich das regionale Gefälle weiter verstärkt.

Besonders herausfordernd ist die Abwanderung von medizinischem Personal ins Ausland. Neben besseren finanziellen Konditionen in anderen Ländern spielen auch die stark hierarchischen Strukturen im slowakischen Gesundheitswesen eine Rolle, die vor allem junge Fachkräfte demotivieren. Im Sommer 2022 drohte das Krankenhauspersonal mit Massenkündigungen, um Reformen und höhere Gehälter zu erzwingen, was die Herausforderungen im Gesundheitssektor zusätzlich verdeutlicht.

Das slowakische Gesundheitssystem

In der Slowakei besteht eine allgemeine Versicherungspflicht im Gesundheitswesen. Die Bevölkerung kann zwischen drei Krankenversicherungen wählen: einer öffentlichen und zwei privaten. Rund 60 Prozent der Versicherten sind bei der staatlichen Krankenversicherungsgesellschaft VšZP registriert. Die Krankenversicherungen verhandeln Verträge direkt mit den Leistungserbringern im Gesundheitssystem.

Die unabhängige Aufsichtsbehörde HCSA überwacht die Märkte für Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung und Einkauf. Eine zentrale Rolle übernimmt auch das Gesundheitsministerium: Es legt das Leistungspaket fest, regelt maximale Wartezeiten sowie die Mindestanzahl ambulanter und stationärer Einrichtungen, die von den Versicherungen unter Vertrag genommen werden müssen. Darüber hinaus ist das Ministerium für die Regulierung von Arzneimittelpreisen und Nutzungsgebühren verantwortlich.

Gesundheitstourismus in den Heilbädern

Heilenden Thermalquellen und Kurorte gibt es nicht nur im Nachbarland Tschechien, sondern auch in der Slowakei. Der bekannteste Kurort ist Piešťany, wo man 40.000 Kurgäste pro Jahr zählt. Andere Heilbäder sind Turčianske Teplice oder Rajecké Teplice. Im Gegensatz zur Tschechischen Republik sind Aufenthalte in einem der 20 Kurorte der Slowakei preiswerter und ruhiger. Hier gibt es medizinische Zentren, Sanatorien und Heilbäder. Der Gesundheitstourismus ist in den Orten mit Thermalquellen ein relevanter wirtschaftlicher Faktor der Gesundheitswirtschaft.

Großangelegte Reformen im slowakischen Gesundheitswesen

Deutschland zählt traditionell zu den wichtigsten Lieferanten für den slowakischen Gesundheitssektor. Deutsche Produkte und Technologien genießen in der Slowakei ein hohes Ansehen, was deutschen Unternehmen eine gute Ausgangsposition für den Verkauf ihrer Produkte verschafft. Der Bedarf an moderner Medizintechnik und Gesundheitslösungen wird in den kommenden Jahren weiter steigen.

Laut GTAI-Korrespondent Gerit Schulze haben EU-Gelder aus dem Aufbau- und Resilienzfonds sowie den Kohäsionsfonds einen Investitionsschub im Gesundheitswesen ausgelöst: In jeder größeren Stadt soll ein Krankenhaus nach westeuropäischen Standards modernisiert werden. Dafür stehen 1,8 Milliarden Euro bereit. Im Zuge dieses umfassenden Neu- und Umbaus wird eine erhebliche Nachfrage nach hochmoderner Medizintechnik erwartet. Auch bei der Digitalisierung der Krankenhäuser besteht Aufholbedarf, weshalb in den kommenden Jahren entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen, um die digitale Transformation im Gesundheitswesen voranzutreiben.

Der slowakische IT-Sektor ist aktuell stark auf Privat- und Gewerbekunden ausgerichtet, während es an spezialisierten Unternehmen mit Erfahrung im Gesundheitswesen mangelt. Für deutsche Anbieter moderner Lösungen und Technologien ergeben sich dadurch Chancen, den slowakischen Markt über Kooperationen mit lokal gut vernetzten Vertriebspartnern zu erschließen.

Um diese Potenziale zu nutzen, organisierte die AHK Slowakei gemeinsam mit SBS – systems for business solutions Ende November 2023 eine Geschäftsanbahnungsreise für Unternehmen der Gesundheitswirtschaft. Zu den teilnehmenden Unternehmen gehörten Hersteller von Klima- und Lüftungstechnik, medizinischer Software, chirurgischen Instrumenten, Reinraumlösungen und Medizintechnik. Diese Reise war Teil einer Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

 

 

 

 

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