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Ljubljana - Slowenien (Kirche und Fluss Ljubljanica) ©GettyImages/TomasSereda Ljubljana - Slowenien (Kirche und Fluss Ljubljanica) | © GettyImages/TomasSereda

Special | 20 Jahre EU-Osterweiterung | Slowenien

Slowenien: Ringen um die Gesundheitsreform

Slowenien trat 2004 der EU und NATO bei, führte 2007 den Euro ein und erreichte zügig 90 % des EU-Wohlstandsniveaus. Eine Gesundheitsreform ist aktuell ein dringendes Thema.

Von Walter Liedtke (pressto GmbH)

Alle Bürger Sloweniens sind Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die slowenische Krankenversicherungsanstalt (ZZZS) ist der einzige Einkäufer von Dienstleistungen.

Die Sozialausgaben in Slowenien werden aufgrund der Alterung der Bevölkerung in den kommenden Jahren überdurchschnittlich ansteigen. Dies macht beispielsweise eine Reform der Langzeitpflege erforderlich, wie die Bertelsmann Stiftung in einer aktuellen Analyse feststellt. Sie benennt auch die Schwierigkeiten, vor denen die slowenische Regierung steht: „Damit die Reform des Gesundheitswesens gelingt, muss die Regierung eng mit der Opposition zusammenarbeiten und verschiedene potenzielle Veto-Akteure wie Versicherungsgesellschaften, Anbieter von medizinischen Geräten und Medikamenten sowie private Gesundheitsdienstleister überwinden.“

Demonstrationen für die Gesundheitsreform

Anfang 2023 kam es zu öffentlichen Demonstrationen für eine Gesundheitsreform. Die Bürgerinitiative „Die Stimme des Volkes“, die eine zentrale Rolle bei den Massenprotesten gegen die frühere Mitte-Rechts-Regierung spielte, forderte schnelle Lösungen für das kriselnde Gesundheitssystem. Sie verlangte für alle Bürgerinnen und Bürger den Zugang zu Hausärztinnen und Hausärzten, da rund 132.000 Sloweninnen und Slowenen ohne Hausarzt seien. Zudem setzte sich die Initiative für die Abschaffung der Zusatzkrankenversicherung und ein Ende der zunehmenden Privatisierung im Gesundheitswesen ein.

Mangel an Hausärzten

Der Mangel an Hausärzten in Slowenien ist nur ein Teil des Problems. Im gesamten Gesundheitssystem fehlt es an Fachkräften. „Eine einfache Erhöhung der Gehälter und die Schaffung zusätzlicher Studienplätze für Medizin an den beiden medizinischen Fakultäten des Landes werden nicht ausreichen, um den Bedarf der alternden slowenischen Bevölkerung zu decken“, so die Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung.

Beim letzten deutsch-slowenischen Gesundheitsforum in Ljubljana wurden weitere Defizite angesprochen: Dazu zählen die fehlende Digitalisierung und Speicherung von Patientendaten sowie Finanzierungsprobleme. Petra Došenović Bonča von der Wirtschaftsfakultät in Ljubljana wies darauf hin, dass der häufige Wechsel von Gesundheitsministern und Direktoren des öffentlichen Gesundheitsnetzes den Gesundheitssektor in Slowenien stark behindere. Ein Beispiel: Die Gesundheitsreform wurde Anfang 2023 von Gesundheitsminister Danijel Bešič Loredan vorgestellt, der jedoch inzwischen aufgrund von Differenzen mit Ministerpräsident Golob über die Umsetzung der Reform zurückgetreten ist.

Trotzdem wird die Reform schrittweise umgesetzt. Seit Anfang 2024 dürfen private Krankenversicherer in Slowenien keine Zusatzpolicen mehr anbieten; diese Leistungen sind nun Teil der Krankenpflichtversicherung – eine Forderung der Bürgerinitiative „Die Stimme des Volkes“. Bei der Digitalisierung will sich Slowenien Estland als Vorbild nehmen. Weitere Maßnahmen umfassen eine Gehaltsreform im öffentlichen Sektor sowie eine Umstrukturierung der slowenischen Krankenversicherungsanstalt ZZZS.

Europa unterstützt die Reformen finanziell

Im Rahmen seines nationalen Aufbau- und Resilienzplans für 2021 bis 2026 soll Slowenien 1,16 Milliarden Euro an Fördermitteln und 1,04 Milliarden Euro an Krediten aus Brüssel erhalten, was 5,14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Rund die Hälfte der für das Gesundheitswesen vorgesehenen Mittel wird in den Ausbau der Klinik für Infektionskrankheiten in Ljubljana investiert, die andere Hälfte unterstützt die digitale Transformation der Gesundheitsversorgung. Der restliche Betrag soll die Zugänglichkeit des Gesundheitssystems verbessern und das Gesundheitspersonal in der Qualität der Versorgung schulen.

Investitionen in Krankenhäuser

Bereits vor Beginn der Gesundheitsreform wurde im Jahr 2021 von der konservativen Vorgängerregierung ein Gesetz zur Bereitstellung von Mitteln für Investitionen in das slowenische Gesundheitswesen für zehn Jahre bis 2031 in Kraft gesetzt. Das Gesetz sieht unter anderem rund zwei Milliarden Euro für Investitionen in öffentliche Gesundheitseinrichtungen und Bildungseinrichtungen im Bereich des Gesundheitswesens vor. Davon entfallen insgesamt 763 Millionen Euro auf die beiden Universitätsklinikzentren, 557 Millionen Euro auf Allgemeinkrankenhäuser, Pflegekrankenhäuser und Pflegeheime, 214 Millionen Euro auf Spezialkrankenhäuser, 50 Millionen Euro auf psychiatrische Kliniken und 26 Millionen Euro auf Entbindungskliniken.

Abseits der staatlichen Gesundheitsinstitutionen verfügt Sloweniens Wirtschaft über zahlreiche hochspezialisierte Nischenanbieter, zum Beispiel in der Medizintechnik. Kernprodukt des 2010 gegründeten Start-ups MESI Medical ist ein Tablet, das gestützt auf künstliche Intelligenz eine neue Diagnoseform der prädiktiven medizinischen Bewertung ermöglicht. Mitte 2023 investierte der deutsche Gesundheitsfonds SHS Capital 18 Millionen Euro in MESI und übernahm damit die Mehrheit am Unternehmen.

 

 

 

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