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Tschechien: „Wir gestalten Europa“

Die tschechische Regierung feiert das EU-Beitrittsjubiläum groß. Unter dem Motto „Wir gestalten Europa“ gibt es zahlreiche Veranstaltungen. Auch in der Gesundheitswirtschaft gibt es positive Bilanz.

Von Walter Liedtke (pressto GmbH)

Tschechien ist das erfolgreichste Land unter den mittelosteuropäischen Ländern, die vor 20 Jahren der EU beigetreten sind“, erklärt der Prager GTAI-Korrespondent Gerit Schulze. Das Land liegt im Herzen Europas und es hat wirtschaftlich stark vom EU-Beitritt profitiert. „Das liegt auch daran, dass Tschechien eine lange gemeinsame Grenze mit Deutschland hat, der stärksten Wirtschaftskraft in Europa.“ Den Euro haben die Tschechen bis heute nicht eingeführt, anders als die Nachbarn in der Slowakei. Nur 27 Prozent der Bevölkerung ist für die Einführung des Euro. Die emotionale Bindung an die tschechische Krone ist einfach zu groß. Und auch generell ist die Europaskepsis in Tschechien größer als im Rest der EU. Nur 31 Prozent der Bevölkerung hat eine rundum positive Einstellung zur EU – im EU-Durchschnitt sind dies immerhin 44 Prozent.

Grenzpendler nach Bayern und Sachsen

Viele Menschen pendeln aus Tschechien zur Arbeit nach Deutschland. Die bayerischen Landkreise Tirschenreuth (9,2 Prozent) und Cham (8 Prozent) haben bundesweit den höchsten Anteil an Grenzpendlern. Das Gesundheitssystem in den grenznahen deutschen Regionen würde ohne die Arbeitskräfte aus Tschechien zusammenbrechen. Voraussetzung dafür ist der Beitritt Tschechiens zum Schengenraum Ende 2007: „Die offene Grenze, der Schengenraum, ist sehr wichtig, nicht nur für den Austausch von Waren, sondern auch für das Pendeln von Arbeitskräften.“ Dauerhaft in Deutschland wohnen nicht so viele Tschechen, weil sie doch sehr bodenständig sind und in einem schönen Land mit hoher Lebensqualität leben, so die Einschätzung von Schulze. 

Eine Arbeitsmigration gibt es jedoch auch zwischen der Slowakei und Tschechien. So praktizieren zahlreiche slowakische Ärztinnen und Ärzte in Tschechien. Es gibt kaum Sprachprobleme, weil sich die beiden Sprachen stark ähneln. Aber in Tschechien sind die Arbeitsbedingungen für Mediziner deutlich besser.

Organisation des tschechischen Gesundheitssystems

Die Basis des Gesundheitssystems bildet die Bürgerversicherung. Alle Menschen müssen Mitglied in einer der sieben Krankenkassen sein. Bei der Allgemeinen Krankenkasse der Tschechischen Republik (VZP ČR) sind rund zwei Drittel der Bevölkerung versichert. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen dort 4,5 Prozent ein, die Arbeitgeber sind mit neun Prozent dabei. Der Staat finanziert die Krankenversicherung für alle Menschen, die keiner bezahlten Arbeit nachgehen. 

Die Krankenkassen kaufen die medizinischen Leistungen dann ein. Das Gesundheitssystem wird zu 82 Prozent mit öffentlichen Geldern finanziert. Die privaten Gesundheitsausgaben liegen bei etwa 18 Prozent für Kostenbeteiligungen bei bestimmten Medikamenten. Doch die Ärzteschaft in Tschechien gilt als stark überaltert. Da auch die tschechische Bevölkerung immer älter wird, ist der Behandlungsbedarf in der Bevölkerung stärker als die Zahl der Medizinerinnen und Mediziner gewachsen. Der demographische Wandel ist auch eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem in Tschechien.

Digitalisierung des Gesundheitswesens

Die tschechische Regierung treibt das Thema „Digital Health“ voran. Das umfasst die digitale medizinische Versorgung, Pflege und Diagnostik, aber auch Online-Arztsprechstunden. Seit der Coronapandemie wurde die telemedizinische Betreuung in Tschechien kräftig ausgebaut. Digitale Rezepte gibt es in Tschechien bereits seit 2018. Man erhält eine SMS, die man dem Apotheker zeigen kann und dann bekommt man das Medikament. Auch Krankschreibungen erfolgen seit Anfang 2020 digital. Man kann sie digital beim Arbeitgeber einreichen. GTAI-Korrespondent Gerit Schulze: „In Tschechien gibt es nicht so große Vorbehalte beim Thema Datenschutz wie in Deutschland. Deshalb ist hier die digitale Patientenakte bereits Standard. Sie fördert den Informationsaustausch zwischen Ärzten, Apotheken und Patienten.“

Deutsche Medizintechnik-Investoren in Tschechien

Zahlreiche deutsche Medizintechnik-Unternehmen haben eigene Werke in Tschechien gebaut und dort Arbeitsplätze geschaffen. Gerresheimer produziert in seinem Werk im westböhmischen Horsovsky Tyn eine große Bandbreite an Drug Delivery-Systemen sowie Diagnostik- und Medizinprodukten. Das reicht von Inhalatoren, Insulinpens und Drogenschnelltests bis hin zu Testkartuschen.

Der Düsseldorfer Spezialanbieter Mölnlycke produziert in Havířov bei Ostrava Materialien zur Wundversorgung. Hartmann-Rico, eine Tochtergesellschaft der ältesten deutschen Verbandstofffabrik Hartmann, produziert in einem Werk in Veverská Bítýska bei Brünn Verbandsmaterial, Bandagen und Babywindeln. Schließlich betreibt auch Lohmann & Rauscher, ein Hersteller von Medizin- und Hygieneprodukten, in Slavkov bei Brünn ein Werk für OP-Sets.

Die deutsche Augenoptik-Branche setzt ebenfalls auf Tschechien als Produktionsstandort. Rodenstock produziert in Klatovy bei Pilsen Brillengläser und Fielmann stellt in diesem Jahr einen neuen Standort für eine große Brillenproduktion samt Logistikzentrum im nordböhmischen Chomutov fertig. 

Investitionsprogramme dank EU-Strukturfonds

Zur Modernisierung und Erneuerung der Gesundheitseinrichtungen stehen bis 2027 EU-Fördermittel in Höhe von 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Die hervorragende Qualität deutscher Medizintechnik gilt noch immer als wichtiges Verkaufsargument. Die Nähe zu Deutschland und die engen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern schaffen die notwendigen positiven Rahmenbedingungen.

 

 

 

 

 

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