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Chile braucht Technologien und Anreize zur besseren Wassernutzung
Im Andenstaat regnet es immer weniger. Auf allen Ebenen bedarf es eines effizienteren Umgangs mit dem raren Gut sowie entsprechender Technologie.
13.10.2022
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Chile erlebt seit 2006 eine Megadürre, wie sie laut der Weltorganisation für Meteorologie der Vereinten Nationen (WMO) in tausend Jahren nur einmal vorkommt. Die Zukunft sieht nicht besser aus. Umso wichtiger wird es, das vorhandene Wasser möglichst effizient zu nutzen.
Dies bietet deutschen Firmen Geschäftschancen zum Absatz wassersparender Technologien – sei es in der Landwirtschaft, dem Bergbau, der Gebäudetechnik, der Industrie oder im öffentlichen Raum. Der Bedarf ist riesig, doch die Nachfrage muss oft erst noch geschaffen werden. Denn viele Akteure wissen nicht, wie Wassersparen geht oder es fehlt ihnen das Bewusstsein dafür.
Mehr Bewusstsein für Wassersparen nötig
Folglich bleiben tropfende Wasserhähne unrepariert und nur selten fragt jemand nach Toilettenkästen mit Wasserspartaste. Während sich in den Reichenvierteln Santiagos fast jeder mit großer Selbstverständlichkeit sein Schwimmbad befüllt, leiten viele Bauern ihr Wasser wie von alters her offen auf die Felder. Rasenflächen werden zur Mittagszeit gesprengt und Straßenbäume von Lkw aus gegossen.
Aufklärung zu den Möglichkeiten des Wassersparens wäre daher ein zentraler Punkt, um Chiles Wasserproblematik zu entschärfen, darin sind sich die Experten einig. Dies gilt auf allen Ebenen und landesweit – von ländlichen Regionen bis hin über Vorträge und Veranstaltungen an Schulen und Universitäten.
Darüber hinaus fehle es im Land am finanziellen Ansporn, mit dem knappen Gut sorgsamer umzugehen, bemängeln Branchenvertreter. Viele Firmen wüssten oft nicht einmal, wie groß ihr Wasserverbrauch sei. Grund sei, dass Wasser in der Bilanz nicht ausreichend ins Gewicht falle, so die Erfahrung eines Vertreters der Schweizer Gruppe Aqua4D. Auch sonst fehle es an Anreizen wie Steuererleichterungen für entsprechende Investitionen oder zinsgünstigen Krediten.
Nutzung von Grauwasser wird an Gewicht gewinnen
Eine Schlüsselrolle zur Lösung der chilenischen Wasserproblematik werde künftig die Wiederverwendung häuslicher Abwässer beziehungsweise von aufbereitetem Wasser als Grauwasser spielen, betonte der Geschäftsführer von Fondo de Aguas Santiago-Maipo gegenüber der chilenischen Presse.
Zwar wurde schon 2018 ein Gesetz verabschiedet, das die Nutzung von Grauwasser regelt, doch bislang hat das Gesundheitsministerium kein grünes Licht für dessen Umsetzung erteilt. Abhilfe schaffen könnte das neue Wassernutzungsrecht, das noch 2022 verabschiedet werden soll und ebenfalls Regelungen für Grauwassernutzung enthält. Treten die neuen Bestimmungen in Kraft, dann dürfte Chile in großem Umfang Umwelttechnologien auf diesem Gebiet benötigen – einschließlich Fachkräften, die in der Lage sind, diese vor Ort zu installieren und zu warten.
Umweltzertifizierung noch nicht als Wettbewerbsvorteil etabliert
Künftig könnte außerdem die bisher noch wenig entwickelte Umweltzertifizierung an Gewicht gewinnen. Seit 2021 können sich chilenische Firmen beispielsweise den effizienten und nachhaltigen Umgang mit Wasser mit dem Certificado Azul bescheinigen lassen. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Initiative, die unter anderem vom chilenischen Umweltministerium und der Schweizer Botschaft unterstützt wird. Angelehnt ist das Certificado Azul an ISO 14.046 zur Messung des ökologischen Wasser-Fußabdrucks.
Bislang haben jedoch nur wenige Firmen davon Gebrauch gemacht. Denn auf der einen Seite fürchten viele Unternehmer die erforderliche Offenlegung zahlreicher Daten. Anderseits sehen die meisten keinen wirklichen Nutzen für sich, da das Zertifikat in Chile bisher nur Insidern bekannt ist. Die Hoffnung besteht indessen, dass sich dies mit wachsendem Problembewusstsein für die Folgen des Klimawandels ändert.
Referenzprojekte und Überzeugungsarbeit vor Ort für Geschäftserfolg unabdingbar
Langfristig bietet Chiles Wasserwirtschaft zahlreiche Geschäftschancen, noch bedarf es aber viel Aufklärungsarbeit. Ganz wichtig sei zudem ein lokaler Ansatz, weiß etwa der Vertreter von Aqua4D. Die meisten Entscheidungsträger interessieren sich beispielsweise nicht für wissenschaftliche Studien aus Europa; sie wollen Referenzprojekte in Chile sehen. Auch ohne geduldige Überzeugungsarbeit der Bauern vor Ort gehe gar nichts. Nicht zu unterschätzen seien überdies die typisch chilenischen Netzwerke – sprich wer mit wem zur Schule oder auf die Universität gegangen ist.