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Lithium aus Chile hat den kleineren ökologischen Fußabdruck
Der Lithiumbergbau im Andenstaat hat ein Imageproblem. Der Wasserkonsum gilt als kritisch. Politische Unsicherheiten halten Firmen auf Abstand. Beides bedarf eines Realitätschecks.
06.05.2022
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Chile besitzt mit rund 9,2 Millionen Tonnen global die größten nachgewiesenen Lithiumreserven. Laut Bergbauministerium gibt es landesweit 18 Salare mit abbauwürdigen Vorkommen; rund 90 Prozent der Reserven befinden sich in der Region Atacama. Am Salar de Atacama fördern aktuell die beiden privaten Konzerne SQM (Sociedad Química y Minera de Chile S.A.) aus Chile und Albemarle aus den USA. Ob und in welchem Rahmen weitere Konzessionen vergeben werden, diskutieren gegenwärtig die chilenische Regierung und die verfassungsgebende Versammlung.
Dessen ungeachtet sehen sich beide Konzerne mit einem Imageproblem konfrontiert. Ihre hektargroßen, scheinbar mit Wasser gefüllten Becken, in denen sie mitten in der Wüste die Lithiumsole aufkonzentrieren, suggerieren eine unsägliche Verschwendung. Der Schluss liegt nahe, das beim Abbau verwendete Wasser fehle den Menschen, die dort wohnen, zum Leben und schädige außerdem die Fauna und Flora vor Ort.
Die Realität ist jedoch komplexer. Tatsächlich handelt es sich bei der zwischen Blau und Gelb chargierenden Flüssigkeit um stark salzhaltige Sole (englisch: brine). Die Firmen pumpen sie mit einer natürlichen Konzentration von circa 0,2 Prozent Lithium aus der Tiefe und lassen sie mithilfe der Sonne verdunsten, bis der Lithiumgehalt etwa 6 Prozent erreicht. Schon wenn die Sole aus dem Boden kommt, ist sie um fast die Hälfte salzhaltiger als das Wasser im Toten Meer. Zur Trinkwassernutzung/-aufbereitung ist sie völlig ungeeignet, ebenso für die Landwirtschaft; selbst spezialisierte Tiere oder Pflanzen können hier nicht leben.
Kategorie | Salzgehalt 1) |
---|---|
Frischwasser | 5 |
Meerwasser | 35 |
Lagunen in der Atacama-Wüste 2) | 30 bis 150 |
Totes Meer | 240 |
Atacama-Sole | 350 |
Kupferminen sind die größten Wasserverbraucher
Gerade weil der Salar so lebensfeindlich ist, siedeln die Menschen seit Jahrhunderten nur an seinem Rand oder oberhalb in den Bergen. Dort beziehen sie ihr Wasser aus den seltenen Niederschlägen oder den Schmelzwässern, die aus höhergelegenen Regionen herabfließen. Was hiervon noch weiter unten am Rand des Salars meist unterirdisch ankommt, tritt aufgrund der spezifischen geologischen Gegebenheiten in einer Übergangszone an die Oberfläche. Dort bilden sich beispielsweise die berühmten Lagunen der Atacama. Mit der noch tiefergelegenen Sole mischt sich das Frischwasser wegen der Dichteunterschiede nicht; es ist es erheblich leichter.
Dessen ungeachtet ist Wasserknappheit in der Atacama unbestreitbar ein existenzielles Problem. Umso wichtiger ist es, für die Verteilung des knappen Gutes eine politische Lösung zu finden. Die größten Wasserverbraucher sind derzeit die Kupferminen: Ihnen stehen laut chilenischer Wasserbehörde Dirección Genéral de Aguas (DGA) 2.365 Liter pro Sekunde zu. An zweiter Stelle folgen Landwirtschaft, Tourismus und die Bewohner um den Salar mit in Summe 2.270 Litern pro Sekunde. Dagegen betragen die Wasserrechte der Lithiumfirmen lediglich rund 470 Liter pro Sekunde. Gebraucht wird das Frischwasser vor allem, um die mit Salz verstopften Rohre und Pumpen zu säubern.
Lithium aus Sole hat bessere Wasser- und Kohlendioxidbilanz als aus Erz
Die zwei gängigsten Verfahren zur Produktion von Lithium sind die Gewinnung aus Sole und die Förderung aus Erz. Dabei schneidet erstere Methode mit Blick auf den Wasserverbrauch deutlich besser ab, so eine Studie von Kelly et al. von 2021. Der klassische Erzbergbau findet etwa in Australien statt, dem derzeit größten Lithiumförderland.
Evaluierung | Lithium aus Erz | Lithium aus Sole |
---|---|---|
Frischwasserverbrauch für Lithiumkonzentrat | 3,4 Kubikmeter auf eine Tonne Spodumen 2) | 2,95 bis 7,3 Kubikmeter pro Tonne Lithiumkonzentrat |
Frischwasserverbrauch für die Produktion von Lithiumkarbonat 1) | 77 Kubikmeter für eine Tonne Lithiumkarbonat | 15,5 bis 32,8 Kubikmeter für eine Tonne Lithiumkarbonat |
Frischwasserverbrauch für die Produktion von Lithiumhydroxid 1) | 69 Kubikmeter pro Tonne Lithiumhydroxid | 31 bis 50 Kubikmeter pro Tonne Lithiumhydroxid |
Gleiches gilt für die Kohlendioxidemissionen und damit gekoppelt für den Energieverbrauch: Bei der Gewinnung von einer Tonne Lithiumkarbonat aus Erz werden 20,4 Tonnen des klimaschädlichen Gases freigesetzt; für eine Tonne Lithium aus Sole nur zwischen 2,7 bis 3,1 Tonnen. Die schlechtere Kohlendioxidbilanz rührt daher, dass das Erz bei etwa 1.000 Grad "geröstet" und mit Schwefelsäure behandelt werden muss. Dieser chemische Prozess findet in der Regel in China statt, dem Hauptkunden für australisches Lithiumerz und weltweit größtem Exporteur für Lithiumoxid und -hydroxid (Weltmarktanteil 2020: 65,7 Prozent).
Herstellungsprozess | Lithium aus Erz | Lithium aus Sole |
---|---|---|
Produktion von Lithiumkonzentrat | ||
Treibhausgasemissionen | 0,42 Tonnen CO2 auf eine Tonne Spodumen 2) | 0,08 bis 0,18 Tonnen CO2 pro Tonne Lithiumkonzentrat |
Energieverbrauch | 5.500 Megajoule auf eine Tonne Spodumen 2) | 1.300 bis 2.800 Megajoule pro Tonne Lithiumkonzentrat |
Produktion von Lithiumkarbonat 1) | ||
Treibhausgasemissionen | 20,4 Tonnen CO2 für eine Tonne Lithiumkarbonat | 2,7 bis 3,1 Tonnen CO2 für eine Tonne Lithiumkarbonat |
Energieverbrauch | 218.000 Megajoule für eine Tonne Lithiumkarbonat | 30.000 bis 36.000 Megajoule für eine Tonne Lithiumkarbonat |
Produktion von Lithiumhydroxid 1) | ||
Treibhausgasemissionen | 15,7 Tonnen CO2 pro Tonne Lithiumhydroxid | 6,9 bis 7,3 Tonnen CO2 pro Tonne Lithiumhydroxid |
Energieverbrauch | 187.200 Megajoule für eine Tonne Lithiumhydroxid | 76.600 bis 82.900 Megajoule für eine Tonne Lithiumhydroxid |
Politische Unwägbarkeiten lassen westliche Firmen abwarten
In der Folge ist Lithium, das über die Prozessroute Australien-China nach Europa kommt, um ein Vielfaches kohlendioxidlastiger als chilenisches. Trotzdem ist bisher wenig Interesse aus Deutschland zu beobachten. Ein entscheidender Grund sind die vielen Unsicherheiten über die Zukunft des Lithiumbergbaus in Chile, glaubt ein Branchenexperte. Wie ein Damoklesschwert hänge über allen Aktivitäten die angekündigte Gründung einer staatlichen Lithium-Gesellschaft, von der niemand wisse, welche Rolle sie spielen werde.
Allerdings ist kaum mit einer großen Verstaatlichungswelle zu rechnen. Die chilenische Regierung sieht die wachsende internationale Nachfrage nach Lithium und die damit für das Land entstehenden Einkommen positiv. Um diese zu generieren, bedarf es, abgesehen von Investitionen und Zeit, großen Know-hows im Abbau und in der Weiterverarbeitung des Metalls. Die Politik in Santiago hat sich auf die Fahnen geschrieben, Umweltschäden stärker zu minimieren, die benachbarten Dörfer einzubinden und die Wertschöpfung vor Ort zu erhöhen. Mehr ganzheitliche Ansätze seien auch im Sinne der lokalen Bevölkerung und ihrer Entscheidungsträger, so der Bürgermeister des Städtchens San Pedro de Atacama.
Lithium gehört zu den Schlüsselrohstoffen der Zukunft. Vor Kurzem diente das Metall gerade einmal als Zusatz zur Schmiermittelproduktion oder zur Herstellung von Glas oder -keramik. Doch im Zuge der Energiewende hält der Abbau mit der nach oben schnellenden Nachfrage kaum noch Schritt. Umso drängender stellt sich die Frage nach der Verfügbarkeit. Dies gilt auch für Deutschland, wo Lithium derzeit nicht abgebaut wird. Dabei geht es Firmen, die auf Compliance bedacht sind, nicht nur darum, Lieferketten zu sichern, sondern überdies den Rohstoff dort zu beschaffen, wo er den kleinsten ökologischen Fußabdruck hinterlässt.
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