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Lithiumvorkommen zu verkaufen
Der Rückzug des weltgrößten Lithiumförderers Talison aus Chile ist ein wirtschaftspolitisches Signal – öffnet aber zugleich Türen für neue Player. Doch deutsches Interesse fehlt.
03.11.2023
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Die australische Talison Lithium PTY und die chilenische Familie Vecchiola wollen ihr Lithiumprojekt "Siete Salares" (sieben Salzseen) im Norden Chiles verkaufen. Die Offerte stieß auf großes internationales Interesse, denn Chile verfügt über die weltgrößten Vorkommen des für die Energiewende unerlässlichen Metalls. Rund 36 Prozent der weltweit gesicherten Reserven schlummern in dem Andenstaat, so die U.S. Geological Survey. Zusammen mit Australien und Argentinien gehört Chile zu den drei Ländern, auf die sich etwa zwei Drittel aller weltweit bekannten Lithiumreserven verteilen.
Von über 20 Bewerbern für Siete Salares kamen mindestens fünf in die engere Wahl. Eine chilenische Firma sei nicht dabei, schreibt die Tageszeitung La Tercera - Pulso Domingo am 29. Oktober 2023. Dafür aber mehr als eine chinesische. Über eine Teilnahme von deutscher Seite ist nichts bekannt. Bis zum Jahresende sollen die Vereinbarungen unterschrieben sein.
Nur zwei Unternehmen fördern in Chile Lithium
Talison ist ein Joint-Venture zwischen der chinesischen Tianqi Lithium Corporation (51 Prozent) und der US-amerikanischen Albemarle Corporation (49 Prozent). Der Rückzug von Talison aus Siete Salares bedeutet für die Mutterfirmen nicht den Rückzug aus dem chilenischen Lithiumgeschäft. Denn beide haben über andere Kanäle Fuß gefasst: Tianqi ist zu circa 24 Prozent am chilenischen Konzern SQM (Sociedad Química y Minera de Chile) beteiligt. Gleichzeitig sind SQM und Albemarle bislang die einzigen Firmen, die in Chile Lithium abbauen dürfen. Ihre Aktivitäten basieren auf Verträgen von vor 1978, als die heute gültige Gesetzgebung in Kraft trat.
Siete Salares umfasst eine Gesamtfläche von knapp 40.000 Hektar, die sich auf sieben Vorkommen in den Regionen Antofagasta und Atacama verteilen. Das wichtigste Feld ist La Isla mit einer Fläche von 16.500 Hektar und einem maximalen Lithiumgehalt von 1.150 Milligramm pro Liter. Die Abwicklung erfolgt über die Investmentgesellschaft Asset Chile. |
Nationale Lithiumstrategie hat Branche verunsichert
Der Entschluss zum Verkauf des Projekts fiel kurz nach Bekanntgabe der Nationalen Lithiumstrategie im April 2023. Darin heißt es unter anderem, der künftige Lithiumabbau in Chile sei für Private nur im Verbund mit der staatlichen chilenischen Kupferkommission Codelco, der Staatsfirma Enami oder einer noch zu gründenden staatlichen Lithiumgesellschaft zulässig.
Seither prägt große Unsicherheit die Branche. Die Regierung hat viele Aspekte ihrer Strategie noch nicht konkretisiert, zum Beispiel welche Salzseen überhaupt ausgebeutet werden dürfen. Unklar ist weiter, wie die Kontrolle des Staates innerhalb der öffentlich-privaten Allianzen aussehen soll. Trotzdem sehen Rohstoffexperten wie Iris Wunderlich, Leiterin des Kompetenzzentrums für Bergbau und Rohstoffe an der AHK Chile, die Nationale Lithiumstrategie als Schritt in die richtige Richtung, da sie zumindest die Beteiligung privater Firmen einschließt, was vorher so nicht möglich war.
Chile braucht ausländische Investoren
Dabei brauche Chile ausländische Investoren im Bereich Lithium dringend, so Michael Schmidt, Lithiumexperte der Deutschen Rohstoffagentur DERA in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Ohne diesen transparenten und für alle gleichermaßen gültigen und somit sicheren Rechtsrahmen könnte der Marktanteil Chiles von aktuell 26 auf unter 13 Prozent im Jahr 2030 sinken.
"Neben Chile gibt es weitere Länder wie Bolivien, Mexiko, Serbien, die USA oder Kanada, die ihre Lithiumpolitik neu strukturieren beziehungsweise dies schon getan haben. Das künftige Angebot auf dem Weltmarkt wird auch stark von diesen Entwicklungen abhängen."
Immerhin sollen ab 2024 weitere Abbaurechte im Rahmen der Lithiumstrategie ausgeschrieben werden. Neben Firmen aus Ländern wie Australien, Singapur, den USA, Kanada und Großbritannien haben sich mehrere chinesische Firmen über verschiedene Kanäle und auf mehreren Ebenen der Wertschöpfungskette positioniert.
Fast alles geht nach China
Lithium wird in Chile in erster Linie zum marktfähigen Lithiumkarbonat und -hydroxid verarbeitet und als solches exportiert. Die eigentliche Veredlung findet anderswo statt: Im Jahr 2022 gingen 80 Prozent des in Chile geförderten Lithiums in die Volksrepublik, gefolgt von Südkorea (8,9 Prozent) und Japan (4,7 Prozent). Dies sind auch die drei Länder mit den weltgrößten Herstellern von Lithium-Ionen-Batterien: CATL (China), LG Chem (Südkorea), Panasonic (Japan) und BYD (China).
China begnügt sich nicht damit, Lithium in Chile zu kaufen. In den Startlöchern steht zum Beispiel BYD. Im Juli 2023 berichtete Bloomberg, der zweitgrößte E-Autohersteller der Welt wolle eine 290 Millionen US-Dollar (US$) teure Lithium-Kathoden-Fabrik bei Antofagasta bauen. Hierfür wurde BYD von der chilenischen Wirtschaftsförderungsagentur Corfo der Status eines spezialisierten Lithiumproduzenten verliehen, was BYD 11.244 Tonnen Lithiumcarbonat in Batteriequalität pro Jahr von SQM bis 2030 sichert. Dem Status war eine öffentliche internationale Ausschreibung vorausgegangen, die BYD für sich entschied. Deutsche Firmen hatten sich gar nicht erst beworben.
Auch der chinesische Stahlkonzern Tsingshan ist in Chile aktiv. Bis 2025 will der wegen seines Engagements in Indonesien weltgrößte Nickelproduzent im südamerikanischen Land eine Fabrik für Lithium-Eisenphosphat-Akkumulatoren (LFP) für E-Autos hochziehen. Geschätzte Kosten: 233 Millionen US$. Dies gab der chilenische Präsident Gabriel Boric auf der Konferenz zur Seidenstraßeninitiative in Beijing im Oktober 2023 bekannt. Darüber hinaus konnte sich Tsingshan über seine Tochter Yongqing Technology bis 2030 den Bezug von ebenfalls 11.244 Tonnen batteriefähigem Lithiumkarbonat zum Vorzugspreis bei SQM sichern.
Lithiumaktivitäten in Chile sichern Chinas Technologieführerschaft
Mit einer Batteriefabrik käme die chilenische Politik dem Ziel, die Wertschöpfungskette für Lithium nach oben zu erweitern, ein gutes Stück näher. Umgekehrt sind die chinesischen Aktivitäten Teil der globalen Strategie des Landes, sich in Zukunftstechnologien an die Weltspitze zu katapultieren und sich hierfür weltweit die notwendigen Rohstoffe zu sichern.
Ohne Lithium sind Energiewende und E-Mobilität nach derzeitigem Technologiestand nicht denkbar. Bis 2030 könnte sich die globale Nachfrage nach dem Leichtmetall, je nach Szenario, um das Vier- bis Achtfache erhöhen, zeigen Berechnungen der Deutschen Rohstoffagentur DERA. Derzeit kommt mindestens die Hälfte des in Deutschland benötigten Lithiums aus Chile. Lieferrisiken sind daher absehbar, sofern sie nicht über langfristige Verträge abgesichert werden können. Hinzu kommen Preisrisiken. So schossen die chilenischen Exporte von Lithiumkarbonat 2022 um 777 Prozent auf knapp 7,8 Milliarden US$ nach oben, nachdem die Preise um 480 Prozent gestiegen waren. Volumenmäßig hatte Chile aber "nur" 48 Prozent mehr im Ausland verkauft, so die Behörde Subrei. Zwar sind die Spotmarktpreise seit Januar 2023 wieder um 70 Prozent gesunken, doch ist auch künftig mit hohen Lithiumpreisen und Preisschwankungen zu rechnen. |
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe | Analysiert und bewertet internationale Rohstoffmärkte für mineralische Rohstoffe und Recyclingrohstoffe |
| Zusammenschluss von acht Kompetenzzentren für Bergbau und Rohstoffe der Auslandshandelskammern (AHKs) in Australien, Brasilien, Chile, Ghana, Kanada, Kasachstan, Peru, Südlichem Afrika und China sowie dem Deutsch-Mongolischen Unternehmensverband, der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) und Germany Trade and Invest (GTAI) |
U.S. Geological Survey | Informationen zu Rohstoffvorkommen |