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Special | Lateinamerika | Seidenstraße

Chinas wachsender Fußabdruck in Lateinamerika

Die Volksrepublik weitet ihre Präsenz in der Region aus. Dabei geht es nicht nur um Handel und Investitionen, sondern zunehmend um geostrategische Interessen. (Stand: 19.01.2023)

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Im Fokus des chinesischen Engagements in Lateinamerika steht traditionell die Sicherung der Nahrungsmittel- und Rohstoffversorgung – etwa mit Rindfleisch und Soja oder Kupfer und Eisen. Neuerdings gefragt sind Ausgangsmaterialien, die für die Energiewende gebraucht werden, so eine Studie des Global Development Policy Centers der Boston University. Dabei geht es um Rohstoffe wie:

  • Lithium aus dem "Lithium-Dreieck Chile - Argentinien - Bolivien",
  • Balsa-Holz aus Ecuador zur Herstellung von Rotorblättern für Windräder oder
  • Bauxit/Aluminium aus Jamaika.

Minen, Häfen oder Strom – China zählt zu den Hauptinvestoren

Inzwischen gehört die Volksrepublik zu den Hauptinvestoren in Lateinamerika und der Karibik, analysierte die UN-Organisation Comisión Económica para América Latina y el Caribe (CEPAL) für den Zeitraum 2005 bis 2020. Die chinesischen Unternehmen investieren nicht nur in strategisch wichtige Branchen, sondern differenzieren gezielt nach oben und unten in der Wertschöpfungskette aus. Dabei geht es nicht nur ums Geldverdienen, sondern auch um den Zugriff auf für den Transport von Rohstoffen nach China strategisch wichtige Infrastruktur. Diese Tendenz wird zunehmen, analysiert Enrique Dussel Peters, Leiter des Centro de Estudios China-México, da die Schere zwischen notwendigen Infrastrukturprojekten und den tatsächlich realisierten Vorhaben seit 2021 auseinandergeht. Umso willkommener sind Investitionen aus der Volksrepublik.

Wichtigste Investitionsziele Chinas in Lateinamerika/Karibik nach Branchen (2005 bis 2020; Anteile in Prozent des Investitionsvolumens)

Branche

Anteil

Strom-, Gas-, Wasserversorgung

37

Gas, Öl

28

Bergbau

16

Fertigung

9

Transport, Lagerhaltung

5

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Rinderfarmen

3

Finanzdienste

1

Andere

1

Quelle: Comisión Económica para América Latina y el Caribe (CEPAL) 2021

Zwar geht der Investitionszufluss laut Forschern der Boston University seit dem Höhepunkt 2019 mit 17,7 Milliarden US-Dollar (US$) zurück, da sich China gegenwärtig auf seine Binnenwirtschaft konzentriert. Trotzdem kommen immer neue Projekte hinzu:

  • In Peru baut der chinesische Hafenbetreiber Cosco Shipping Ports für geplante 600 Millionen US$ den Hafen Chancay aus. Chancay soll der wichtigste Pazifikhafen Südamerikas werden und eine logistische Schlüsselrolle für die Seidenstraße in der Region spielen.
  • In Argentinien erwarb Zijin Mining Group im 3. Quartal 2021 für 770 Millionen US$ den Salar Tres Quebradas, das beste Projekt, das Argentinien zu dem Zeitpunkt zur Lithiumgewinnung zu vergeben hatte.
  • In Chile gewann im Dezember 2021 das Yallique-Konsortium aus der lokalen Transelec, ISA (Kolumbien) und China Southern Power Grid International (CSG) die Ausschreibung für eine fast 1.500 Kilometer lange Hochspannungs-Gleichstromleitung.

Politik flankiert diplomatisch und finanziell

Chinas Regierung flankiert die Aktivitäten mit ihrer Seidenstraßeninitiative oder dem Abschluss von Freihandelsabkommen und stellt über ihr staatliches Bankensystem Kredite bereit. So finanziert die China Development Bank chinesische Unternehmen, die sich an Projekten für Energie, Straßen, Telekommunikation oder Häfen beteiligen. Von Seiten der EXIM Bank of China stehen zinsvergünstigte Kredite für Entwicklungshilfe und Exportkredite zur Verfügung.

Überdies gibt es bilaterale Kreditvereinbarungen mit einzelnen Ländern, allen voran mit Ecuador und Argentinien. Generell sind 2023 für die neuen Mitglieder der Seidenstraßeninitiative und der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank AIIB (Chile, Argentinien und Peru) zusätzliche Kredite zu erwarten. Mit Argentinien hat das Reich der Mitte bereits eine Absichtserklärung über ein 23 Milliarden US$ schweres Kreditpaket abgeschlossen.

Neue Seidenstraße reicht bis Lateinamerika

Seit 2018 hat China mit 21 Staaten aus Lateinamerika und der Karibik eine Absichtserklärung über den Beitritt zur neuen Seidenstraßeninitiative unterschrieben, zuletzt mit Argentinien 2022. Darüber hinaus unterhält das Land mit Chile, Peru und Costa Rica Freihandelsabkommen; mit Panama und El Salvador laufen seit einigen Jahren Verhandlungen. Zu Spannungen innerhalb des Wirtschaftsraums Mercosur führte das Vorpreschen Uruguays, das im Juli 2022 offizielle Gespräche zu einem eigenen Freihandelsabkommen einleitete.

Lateinamerika gerät in Handelsabhängigkeit

Für sechs Länder ist die Volksrepublik bereits zum bedeutendsten Handelspartner avanciert: Brasilien, Chile, Uruguay, Peru, Panama und Argentinien. In vielen weiteren Ländern hat sie stark an Boden gut gemacht. Dessen ungeachtet ist der Verkauf chinesischer Produkte in die Region aus Sicht der Volksrepublik eher "nice to have". Laut China Customs entfielen 2021 lediglich 6,8 Prozent des Exportvolumens Chinas auf den Subkontinent.

China drängt traditionelle Anbieter aus dem Markt

Kritiker bemängeln, dass Beijing vor allem Rohstoffe und Lebensmittel einkaufe, was wenig für die heimische Wertschöpfung einbringe. In umgekehrter Richtung fächert sich die Exportpalette dagegen auf: Südamerikanische Verbraucherinnen und Verbraucher tragen nicht nur immer mehr Kleidung oder Schuhe "Made in China", sondern freuen sich zudem über günstige PCs und Handys von Huawei oder Lenovo, während über die Straßen immer mehr chinesische Autos rollen.

Denn China kann nicht nur billig. China macht außerdem mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis nicht nur der lokalen Industrie, sondern zunehmend auch Anbietern aus Industrieländern Konkurrenz – allen voran den USA. Trotzdem konnten speziell die USA ihren Anteil an den Importen der Region noch erstaunlich konstant halten. Es scheint indes nur eine Frage der Zeit, dass sich dies ändert. Deutsche Unternehmen bekommen die chinesische Konkurrenz schon heute zu spüren.

In China denkt man in Generationen, nicht in Quartalsberichten

Nicht alle chinesischen Engagements sind erfolgsgekrönt. Mitunter ist sogar ein gehöriges Lehrgeld fällig. Beispielsweise musste der Erdölkonzern Sinopec 2021 seine vom US-Unternehmen Occidental Petroleum in Argentinien elf Jahre zuvor für 2,45 Milliarden US$ erworbenen Beteiligungen mit großem Verlust für 240 Millionen US$ abstoßen. Doch insgesamt haben sich Chinas Firmen mit ihrer langfristigen Planung und der Bereitschaft zu Präsenz und Investition erfolgreich etabliert.

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