Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branche kompakt | China | Medizintechnik

Moderne Medizintechnik gefragt - doch zu welchem Preis?

China setzt auf Digitalisierung und Modernisierung des Gesundheitswesens. Zentralisierte Beschaffungsverfahren drücken die Preise, für Importprodukte wird es noch schwieriger.

Von Corinne Abele | Shanghai

  • Marktentwicklungen und -trends

    Die Coronapandemie hat die Digitalisierung in Chinas Gesundheitsbereich enorm beschleunigt - von QR-Gesundheitscodes über Patientendatenbanken hin zu Internet-Krankenhäusern.

    Gesundheitssystem im Dauerstress  

    Chinas Gesundheitsbranche befindet sich seit Ausbruch der Coronapandemie mehr oder weniger kontinuierlich im Stresstest. Dieser hat sich im Dezember 2022 nach dem Ende der Covid-Beschränkungen um ein Vielfaches verschärft und die Schwächen in der Gesundheitsversorgung gerade jenseits der Zentren erneut unter Beweis gestellt. Zwar funktioniert – nicht zuletzt durch den Ausbruch der Covid-Pandemie beschleunigt – vieles inzwischen online: erste Arztkonsultationen, Medikamentenkauf und auch Betreuung. Bei der Digitalisierung der Managementsysteme im Krankenhaus geht es aufgrund der Fragmentierung sowie teilweise inkompatibler Systeme allerdings weiterhin nur langsam voran. Und auch die physische Ausstattung der Krankenhäuser – gerade jenseits der Megastädte in ländlichen Regionen – hat sich in den letzten Jahren de facto kaum verbessert. Mit Gesundheitsausgaben in Höhe von 7,12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2021 bleibt China weiterhin deutlich hinter westlichen Industrieländern zurück. 

    Viele Krankenhäuser in den roten Zahlen

    Chinas Gesundheitssystem steht 2023 vor einer gewaltigen Belastungsprobe. Schätzungsweise rund 230 Milliarden US-Dollar (US$) (etwa das Bruttoinlandsprodukt des Iran) wurden seit Ausbruch der Pandemie für den Aufbau von PCR-Test-Herstellung, Testlabore und Teststationen ausgegeben, so der Präsident der Europäischen Handelskammer in China (EUCCC), Jörg Wuttke, in einer Online-Veranstaltung von Merics Mitte Januar 2023. Ende 2022 befanden sich viele Krankenhäuser in den roten Zahlen. Dabei ist der Bedarf an moderner Medizintechnik sowie IT-Hardware und Software gewaltig. Branchenexperten rechnen daher auch für die kommenden zwei bis drei Jahre mit Zuwachszahlen für die Gesundheitsbranche im unteren zweistelligen Bereich – je nach Sektor. Damit expandiert der Sektor deutlich schneller als die Gesamtwirtschaft. Die Deutsche Bank schätzt Chinas reales Wirtschaftswachstum bei zugrunde gelegtem Basisszenario auf 4,5 Prozent im Jahr 2023.

    Um den Investitionsstau gerade in den weniger gut ausgestatteten Krankenhäusern in den kleineren Städten jenseits der Zentren zu bekämpfen, verkündete der Staatsrat im September 2022 im Rahmen seines Konjunkturprogramms Kreditanreize in Höhe von rund 246 Milliarden US$ für die Modernisierung und Renovierung öffentlicher Gebäude, von Universitäten und medizinischer Einrichtungen an. Auf letztere sollen allein rund 29 Milliarden US$ entfallen. Demnach können Krankenhäuser ihre medizinische Ausrüstung zu vergünstigten Kreditzinsen von 0,7 Prozent während der ersten zwei Jahre erneuern.

    Auch ausländische Finanzanbieter unterstützen Projekte in Chinas Gesundheitssektor, unter anderem die Asiatische Entwicklungsbank (ADB), die Weltbank sowie die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die Ausschreibungen müssen in diesen Fällen international erfolgen (siehe Projektdatenbank GTAI).

    Ausgewählte Investitionsprojekte in Chinas Gesundheitssektor (Investitionssumme in Millionen Euro) *)

    Projekt

    Investitionssumme

    Anmerkung

    Nationales regionales Medizinzentrum und internationale medizinische Basis in Baoding (Provinz Hebei)

    7.002,6

    Insgesamt 190 Projekte geplant, darunter in Baoding unter anderem im Bau: 

    Krankenhaus des Beijing University Cancer Hospital (Designphase), Kinderkrankenhaus des Beijing Children's Hospital der Capital Medical University; Krankenhaus des Guang'anmen Hospital der Chinese Academy of Traditional Chinese Medicine 

    Kooperationsabkommen für künftige Projekte unter anderem unterzeichnet mit dem Beijing Tongren Hospital der Capital Medical University, Hebei Orthopaedic Institute, Beijing You'an Hospital der Capital Medical University 

    Krankenhaus der Tsinghua Universität in Qingdao (Provinz Shandong) als Teil des Drei-Jahres-Aktionsprogramms Qingdaos zur Erhöhung seiner Kapazitäten im Gesundheitsbereich (2022 bis 2024)

    590,7

    Geplantes Bauende: Dezember 2024

    48 medizinische Einrichtungen sollen neu gebaut oder erweitert und 12.000 Krankenhausbetten geschaffen werden

    Internationales Krankenhaus Beijing Chaoyang Park North (Peking)

    787,5

    Geplantes Bauende: 2025

    Das Krankenhaus ist eines von insgesamt zwölf Krankenhausneubauten und -erweiterungen im Rahmen des 14. Fünfjahresprogramms des Bezirk Chaoyang in Peking

    13 Projekte im Gesundheitssektor in Kunshan (Provinz Jiangsu)

    Insgesamt 447,6

    Geplantes Bauende: 2023

    8 Erweiterungsprojekte und 5 neue Projekte inklusive medizinischem Zentrum und Pflegeheimen

    Three Gorges International Health City und Medizinzentrum (Chongqing)

    656,3

    Geplantes Bauende: September 2023

    Schlüsselprojekte im 14. Fünfjahresplan von Chongqing

    Longhua Produktionsbasis/Logistikzentrale von Mindray in Shenzhen (Provinz Guangdong)

    289

    Im Bau

    Bis 2030 soll das globale Logistics Headquarter von Mindray 60% der Lieferkettenkapazität des Unternehmens abdecken.

    * Umrechnung zum jahresdurchschnittlichen Wechselkurs der Deutschen Bundesbank 2021: 1 RMB = 0,131257 Euro.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; offizielle Webseite der lokalen Behörden 2022; Pressemeldungen

    Subventionierte Kredite für Krankenhausmodernisierungen

    Bereits im November 2021 hatte die Nationale Gesundheitskommission (NHC – National Health Commission) das Fünfjahresprogramm 2021 bis 2025 "1000 County Project" erlassen, um die Gesundheitsversorgung in ländlichen Gebieten zu verbessern. Im April 2022 hatte die NHC eine Liste mit knapp über 1.200 Krankenhäusern veröffentlicht, die bis 2025 zu Top-Krankenhäusern der Kategorie 3 modernisiert werden sollen. Ebenfalls soll die Anzahl der Intensivbetten erhöht werden. Insgesamt gibt es etwa 17.300 Krankenhäuser in Chinas Landkreisen.

    Spezialisierte öffentliche Gesundheitseinrichtungen in China*

    Fachbereich

    Anzahl

    Spitzenkrankenhäuser

    2.860

    Regionalkrankenhäuser

    10.059

    Primärkrankenhäuser

    11.545

    Zentren zur Prävention und Bekämpfung von Krankheiten

    3.424

    Gesundheitseinrichtungen für Mütter und Kinder

    3.070

    Krankenhäuser für Spezialkrankheiten (Institute, Stationen)

    1.093

    Gesundheitsaufsichtsämter

    2.994

    Einrichtungen für technische Dienstleistungen zur Familienplanung

    3.952

    * Stand Ende Oktober 2020Quelle: Nationale Gesundheitskommission

    Das Unterstützungsprogramm wird von in- wie ausländischen Medizintechnikunternehmen begrüßt. Die Frage bleibt, ob ausländische Medizintechnik diesen Wachstumsmarkt gleichberechtigt neben ihren inländischen chinesischen Wettbewerbern weiterhin wird bedienen können. Gegenwind kommt von verschiedenen Seiten: So weitet China zuvor nur auf Pilotregionen und wenige Produktsegmente beschränkte zentralisierte Beschaffungsrunden in beiden Bereichen kontinuierlich aus. Einher gehen drastische Preissenkungen von bis zu 90 Prozent. Darüber hinaus prägt der nicht immer verschriftlichte Grundsatz "buy local" eine zunehmend wachsende Anzahl von Medizintechnikbereichen. Inzwischen haben einige Provinzen wie Sichuan, Zhejiang oder Jiangxi für bestimmte Medizingeräte derartige "buy local"-Vorgaben.

    Drastische Preissenkungen durch zentralisierte Beschaffung

    Das European Centre for International Political Economy veröffentlichte im April 2022 ein Policy Brief mit Ergebnissen der Untersuchung 41 zentralisierter Beschaffungsausschreibungen in China in verschiedenen medizintechnischen Segmenten zwischen 2019 und 2021. Demnach lag die Preissenkung durchschnittlich bei 58 Prozent, wobei in allen medizintechnischen Produktsegmenten im Rahmen dieser zentralisierten Ausschreibungsverfahren Preisabsenkungen von 70 Prozent zu beobachten waren. Als Daumenregel gilt: Je größer das Ausschreibungsvolumen, desto stärker die Preissenkung. Die stärksten Preiseinbrüche wurden bei Koronarstents und -ballons (durchschnittlich 72 Prozent) registriert. Das liest sich zwar drastisch. Brancheninsider verweisen jedoch darauf, dass es ähnliche Preiskorrekturen vor Jahren beispielsweise bereits auf dem US-amerikanischen Markt gab. China gleiche damit die inländischen Preise in gewisser Weise auch internationalem Niveau an.

    Ein alarmierendes Studienergebnis ist jedoch die kontinuierliche Steigerung der Preisreduktionen von durchschnittlich noch 50 Prozent im Jahr 2019 hin zu 79 Prozent im Jahr 2021. Und das Ende der Fahnenstange scheint noch nicht erreicht. In China aktive deutsche Medizintechnikanbieter berichten davon, dass das Verfahren schrittweise ausgerollt wird. Einige Provinzen wie Guangdong setzen die zentralen Beschaffungsausschreibungen gezielt in Segmenten ein, in denen chinesische Hersteller deutliche Preisvorteile besitzen.

    Rahmendaten zum Gesundheitssystem in China

    Indikator

    Wert

    Einwohnerzahl (2020 in Mio.)

    1.439

    Bevölkerungswachstum (2019 in % p.a.)

    0,33

    Altersstruktur der Bevölkerung (2019)

     Anteil der unter 16-Jährigen (in %)

    17,8

     Anteil der über 65-Jährigen (in %)

    12,6

    Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2019 in Jahren)

    77,3

    Durchschnittseinkommen (2019 p.a.in US$)*

    4.454

    Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019 in US$)*

    681,6

    Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2019 in %)

    6,64

    Ärzte/100.000 Einwohner (2019)

    277

    Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2019), davon

    630

     privat (Anteil in %)

    27,5

     öffentlich (Anteil in %)

    72,5

    *) Umrechnung zum jahresdurchschnittlichen Wechselkurs der Deutschen Bundesbank 2019: 1 US$ = 6,8999 RMB Quelle: Statistical Yearbook of P.R. China 2020; Statistisches Bulletin zur nationalen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung 2019; Health Statistics Bulletin 2019


    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Digital Health

    China setzt auf beschleunigte Digitalisierung, wobei die Fragmentierung von Hard- und Software im Gesundheitswesen abbremst. Der Schutz von Patientendaten steigt. 

    Digitalisierung formt Gesundheitssektor

    Die Digitalisierung von Patienten- und Krankenhaus-Management sowie deren Einsatz zur Qualitäts- und Effizienzverbesserungen von Gesundheitsdienstleistungen jenseits der Top-Zentren ist fester Bestandteil des langfristigen Entwicklungsprogramms "Healthy China 2030". Auch im 14. Fünfjahresprogramm für die Medizintechnik 2021 bis 2025 spielt sie eine wichtige Rolle, nachdem bereits im April 2018 das Entwicklungsprogramm "Internet plus Medizin und Gesundheit" vorlag.

    Allgemein zählt zu Digital Health die digitale Verbreitung von Gesundheitswissen sowie die Implementierung digitaler Technologien wie Internet of Things (IoT), künstliche Intelligenz (KI) und Big Data im Gesundheitsbereich. Zum Einsatz kommen diese bei Patientenbehandlung, klinischer Forschung, Medikamentenentwicklung, diagnostischer Auswertung von Aufnahmen verschiedener bildgebender Verfahren sowie im Gesundheitsmanagement. Gemäß der Informationsplattform International Comparative Legal Guides (ICLG) dürfte Chinas Digital Health-Markt bis 2030 jährlich um knapp über 30 Prozent wachsen; andere Analysten gehen von 10 bis 20 Prozent aus.

    Starkes Wachstum

    Der E-Health-Markt (Digital Fitness und Well-Being mit einem Anteil von 58 Prozent eingeschlossen) könnte laut Statista 2023 bereits rund 55 Milliarden US$ erreichen und bis 2027 auf knapp 85 Milliarden US$ steigen. Schon 2022 sollen laut dem zu Reuters gehörenden Marktinformationsanbieter ZAWYA knapp 30 Prozent des weltweiten E-Health-Umsatzes auf China entfallen sein. Je nach Quelle fallen die Zahlen, auch aufgrund abweichender Marktdefinitionen, sehr unterschiedlich aus.

    Schon vor Ausbruch der Covid-Pandemie setzte China auf die Verbindung von Off- und Online-Dienstleistungen im Gesundheitssektor. Covid wirkte als Katalysator: Inzwischen gibt es einen soliden rechtlichen Rahmen für Online-Krankenhäuser. Erste Arztkonsultationen können online stattfinden, Medikamentenbestellung ist per App auf dem Handy möglich. Im August 2019 führte die National Healthcare Security Administration (NHSA) das elektronische Krankenversicherungssystem ein, das erstmal auch internetbasierte Gesundheitsdienstleistungen einschloss und deren (teilweise) Abrechnung im Rahmen der Krankenversicherung ermöglichte. Der Zugang kann via WeChat oder Alipay App erfolgen.

    Versicherer sowie Krankenhäuser buhlen um die Begleitung ihrer Patienten mit attraktiven privaten Versicherungs- und Behandlungspaketen – von der Geburtshilfe über Vorsorgeuntersuchungen bis hin zur Krebsbehandlung. Ende 2021 gab es Experten zufolge landesweit über 1.900 Internet-Krankenhäuser – fünfmal so viel wie noch Ende 2019. Internet-Krankenhäuser können nur verbunden mit einem Offline-Krankenhaus agieren.

    Internetkonzerne dominieren Angebot

    Chinas große Internetgiganten wie Alibaba, Tencent, Baidu, aber auch JD.com (Online-Medikamentenverkauf) sind früh in den Markt eingestiegen. So hatte Alibaba Health 2022 über 15.000 medizinische Einrichtungen unter Vertrag, davon allein 400 Klasse III Krankenhäuser in 17 Provinzen, so das China-Briefing vom 7.6.22 von Dezan Shira & Associates. Auch Ping An Good Doctor des großen staatlichen Versicherers Ping An, der als "KI-Riese" gilt, zählt zu den Branchenführern. Ebenfalls zu den führenden Unternehmen gehört die von Tencent unterstützte Plattform WeDoctor.

    IT-Infrastruktur bislang fragmentiert

    Trotz rasanter E-Health-Entwicklungen hinkt die Digitalisierung des Krankenhausmanagements in der Breite – vor allem auf dem Land – hinterher. Viele Krankenhäuser befinden sich aufgrund der Covid-Pandemie in den roten Zahlen. Eingesetzte Systeme bleiben inkompatibel, was eine stärkere Zusammenführung von Gesundheitsdaten bislang behindert. Andererseits erhalten so auch ausländische Spezialsoftware-Anbieter Zugangsmöglichkeiten vor allem im privaten Krankenhaussektor (was bei stärkerer Zentralisierung schwieriger sein dürfte).

    Komplexer Rechtsrahmen zu beachten

    Trotz geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Herausforderungen gilt aufgrund schneller Überalterung der Bevölkerung und hohem Bedarf gerade Digital Health als wichtiges Segment für Risikokapital in China. Die Tech-Plattform Tracxn zählte Anfang Januar 2023 knapp 1.800 HealthTech-Startups in China. Zwar wurde in den letzten Jahren der Zugang zu einigen Segmenten von Chinas digitalem Gesundheitsmarkt für ausländische Firmen und Investoren möglich. Gleichzeitig ist der rechtliche Rahmen hochkomplex – derzeit sind um die 20 Gesetze und Vorschriften für digitale Produkte und Dienstleistungen zu beachten (plus spezifische Registrierungs- und Genehmigungsvorschriften für Gesundheitsprodukte und medizinische Geräte allgemein). Grundlegend sind unter anderem das Cybersecurity Law, seit dem 1. Juni 2017 gültig, das Data Security Law, das zum 1. September 2021 in Kraft trat und das seit dem 1. November 2021 gültige Personal Information Protection Law (PIPL).

    So gelten gemäß Artikel 28 des PIPL personenbezogene Gesundheitsdaten als "sensitive Daten", deren unrechtmäßige Sammlung, Übertragung und Verarbeitung verhindert werden soll. Die Daten müssen im Land gespeichert werden und Unternehmen, die mit diesen Daten arbeiten, müssen ein den entsprechenden Vorschriften genügendes Sicherheitsmanagementsystem für diese Daten etablieren. In Abhängigkeit der vom Unternehmen verarbeiteten Datensatzgröße unterliegt der Transfer derartiger Daten außer Landes zusätzlich zur Zustimmung des jeweiligen Patienten einer jeweils erforderlichen Sicherheitsprüfung. Grundsätzlich sieht bereits das Cybersecurity-Gesetz einen Genehmigungsvorbehalt für den Transfer personenbezogener und sogenannter "wichtiger" Daten außer Landes einen Genehmigungsvorbehalt vor. Bei Missachtung drohen nicht nur dem Unternehmen, sondern auch den jeweils im Unternehmen Verantwortlichen hohe Strafzahlungen. Generell sind laut Michael Tan von der Rechtsanwaltskanzlei Taylor Wessing in Shanghai die Risiken für Firmen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Lokale Branchenstruktur

    China will inländische Wertschöpfungskette für Medizintechnik vertiefen und setzt auf die Förderung führender heimischer Branchenunternehmen. 

    Mehr Medizintechnik "made in China"

    Chinas Regierung nutzt den Nachholbedarf in der Medizintechnikausstattung des Landes, um eine eigene – auch international – wettbewerbsfähige Branche aufzubauen. Die Kombination aus zentraler Beschaffung und „buy local“, strategischer Industriepolitik mit einhergehender gezielter Förderung inländischer medizintechnischer Innovationen sowie kostspieliger, langwieriger und zunehmend risikoreicheren Zulassungsverfahren führt zu einer immer deutlicher zu Tage tretenden Benachteiligung importierter sowie von ausländischen Firmen im Land hergestellter Medizintechnik.

    Der heimische Wettbewerb wird damit noch intensiver. Führende inländische Hersteller wie Lepu oder Mindray Medical haben darüber hinaus die Jahre der Covid-Pandemie im Ausland wie Europa oder den USA genutzt, um dort nicht nur Masken, Schutzanzüge, Test-Kits und andere Hilfsmittel im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie-Bekämpfung zu positionieren, sondern sich auch als Lieferanten in anderen Sparten ins Spiel zu bringen. Nicht zuletzt aufgrund des Preisvorteils war diese Strategie teilweise durchaus erfolgreich.

    Ziel ist die globale Branchenspitze

    In China selbst möchte die Regierung die Wertschöpfungskette vor allem im Bereich hochklassiger und hochpreisiger Medizintechnik deutlich vertiefen. Um die inländische Branche auf internationales Niveau zu bringen, strebt das Entwicklungsprogramm für die Medizintechnikbranche 2021 bis 2025 beispielsweise an, bei zentralen Komponenten und Materialien den Durchbruch zu schaffen. Als Ziel wird ein Umsatzzuwachs von jährlich 15 Prozent vorgegeben.

    Aufbauend auf dem großen Binnenmarkt sollen es gemäß Entwicklungsprogramm bis 2025 (mit Unterstützung der Regierung) sechs chinesische Firmen unter die 50 global führenden Medizintechnikhersteller schaffen. Voran getrieben werden soll dabei vor allem die Entwicklung in folgenden Schwerpunktbereichen: In-vitro Diagnostik (darunter High-End Diagnosegeräte, hohe Bilddiagnose, teilweise fernsteuerbar und/oder miniaturisiert; mikrofluidische Analyse, Point-of Care-Technologien), intelligente Chirurgieroboter mit Echtzeitnavigation, Überwachungs- und lebenserhaltende Geräte (beispielsweise bei Hirnverletzungen oder zur intrakraniellen Blutsauerstoffversorgung und Schmerzlinderung) inklusive Wearables und personalisierte intelligente Medtech-Produkte, nicht-invasive pränatale und frühkindliche Diagnosetechnologien sowie Medizingeräte für den Einsatz traditioneller chinesischer Medizin (TCM).

    Aufholjagd auf Innovationsvorsprung

    Tatsächlich sind jedoch auf langjähriger Erfahrung und Innovation beruhende qualitative Produktvorteile internationaler Hersteller nicht so einfach einzuholen. Der Ende Oktober 2022 von der Staatlichen Reform- und Entwicklungskommission (NDRC) in seiner jüngsten Version veröffentlichte „Catalogue of Encouraged Industries for Foreign Investment“ beinhaltet daher auch einige neue Produktbereiche in der Gesundheitsindustrie. Dazu zählen unter anderem Entwicklung und Produktion von Arzneimitteln für seltene Krankheiten sowie spezielle Medikamente zur Behandlung von Kindern, Herstellung von Systemen für Zahnimplantationen und deren Reparatur bei auftretendem Knochenschwund oder Produktion und Entwicklung therapeutischer medizinischer sowie gesunder Textilien oder künstlicher Haut.

    Allerdings kann der Staat (auf zentraler sowie vor allem regionaler Ebene) über eine Ausweitung zentraler Beschaffungsvorgaben zunehmend darüber bestimmen, welches Produktsegment ausländischen Anbieter überhaupt zugänglich bleibt.  So finden zentralisierte Beschaffungsausschreibungen inzwischen auch im Bereich Knochenersatzmaterialien statt. Noch 2018 stammten gemäß der CMP-Nachrichten der Chinese Medical Device Procurement Public Service Platform fast 40 Prozent dieser Produkte für Wirbelsäulenersatz und Gelenkchirurgie von fünf ausländischen Herstellern.

    Generell zeichnet sich ab: Sobald es regional einen ernst zu nehmenden inländischen Anbieter gibt, werden ausländische Anbieter über zentralisierte Ausschreibungen (mit Vergabe an das günstigste Angebot) ins Aus gedrängt.

    Chinageschäft versus globales Konzerngeschäft

    Für bereits etablierte und weniger innovative Produkte vergeben internationale Hersteller bereits seit Jahren Lizenzen an lokale Hersteller. Andere investieren in oder erwerben vielversprechende chinesische Wettbewerber im Mittelfeld komplett. Für deutsche mittelständische Medizintechnikanbieter, die nur zum Teil vor Ort produzieren und immer noch einen bedeutenden Teil ihrer Produktpalette aus Deutschland importieren, ist dieser Weg nicht gangbar – schon gar nicht angesichts der steigenden politischen, geopolitischen, Marktzugangs- und Haftungsrisiken.

    Aufgrund der zunehmenden Benachteiligung ausländischer Hersteller und wachsender geopolitischer Spannungen trennte Siemens Healthineers im Herbst 2022 sein Chinageschäft als eigenständige Regionaleinheit ab. Künftig will diese – wie die chinesische Konkurrenz - ihre Produkte in China selbst entwickeln, produzieren und verkaufen. Das Beispiel könnte Schule machen.

    Führende ausgewählte Medizintechnikunternehmen in China (Umsatz in Millionen Euro; Veränderung in Prozent) ¹⁾ ²⁾

    Unternehmen

    Umsatz 2021

    Veränderung 2021/20

    Mindray

    3.316,9

    24,7

    Lepu Medical

    1.399,2

    37,6

    Shinva

    1.244,6

    7,5

    Yuwell

    904,9

    6,2

    Truking

    690,4

    52,6

    1 Veränderung zum Vorjahr basierend auf Umsatz in RMB in Prozent; 2 Umrechnung zum jahresdurchschnittlichen Wechselkurs der Deutschen Bundesbank 2020: 1 RMB= 0,126478854 Euro; 2021: 1 RMB = 0,131257022 Euro.Quelle: AskCI, Recherchen von Germany Trade & Invest

    Generell gilt das Yangtze-Delta als Zentrum der Medizintechnik in China, auch deutsche Branchenfirmen haben sich häufig dort niedergelassen. Branchencluster finden sich beispielsweise in Changzhou (Provinz Jiangsu), Shenzhen in der Provinz Guangdong oder in der Hauptstadt Peking. An diesen Standorten befinden sich wohl auch die innovativsten inländischen Branchenunternehmen. Für ausländische Medizintechnikhersteller wird die Luft in China dünner – vor allem, wenn sie dessen Markt ausschließlich mit Importprodukten bedienen. Doch wer bereits im Markt tätig ist, versucht, bestmöglich am weiteren Ausbau des Gesundheitswesens in den nächsten Jahren zu partizipieren.

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Rahmenbedingungen

    Zentralisierte Ausschreibungsverfahren bestimmen weitere Produktsegmente. Beim Umgang mit digitalen Patientendaten ist immer mehr zu beachten.

    Kostenreduzierung und Standardflut

    Seit ihrer Gründung im März 2018 hat die National Healthcare Security Administration (NHSA) ihren Einfluss auf die Beschaffung medizintechnischer Geräte und Produkte mit dem Ziel der Kostenreduzierung erhöht. Bereits im März 2020 wurden die Lokalregierungen aufgefordert, die volumenbasierte Beschaffung medizinischer Einwegprodukte voranzutreiben. Seither wurden zentralisierte Ausschreibungsverfahren auf immer mehr Produktsegmente ausgedehnt. Die Folge sind drastisch fallende Preise. Parallel sprechen Branchenkenner angesichts regional variierender "buy local"-Vorgaben von Provinzprotektionismus. 

    Bessere Produktqualität durch erhöhte Normen

    Gleichzeitig erhöht die National Medical Products Administration (NMPA) als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde die Qualitätsanforderungen an die Branche und deren Überwachung; dabei nähern sich Chinas Zulassungskriterien schrittweise internationaler Praxis an. Kontinuierlich werden zuvor obligatorische Industrienormen zu Pflichtnormen für die Branche umgewandelt. Bei Nichteinhaltung drohen zum Teil hohe Strafen. Gleichzeitig wächst der rechtliche Rahmen für Erfassung, Speicherung und Umgang mit digitalen Patientendaten. 

    Seit Dezember 2020 gilt mittlerweile die neue Verordnung zur Überwachung und Verwaltung von Medizinprodukten, die Unternehmen und Entwicklern mehr Verantwortung für die Sicherheit und Wirksamkeit von Medizinprodukten zuweist, Zulassungs- und Registrierungsverfahren präzisiert und die Überwachungsmöglichkeiten sowie mögliche Bußgelder und Strafen (bis hin zu Strafverfolgung und Lizenzentzug in schwerwiegenden Fällen) deutlich erhöht hat. Ebenfalls beinhaltet sie eine eindeutige Produktidentifikation zur Rückverfolgbarkeit (UDI) und damit die Grundlage zur Überwachung eines Produkts (Herstellerverantwortung) während des gesamten Lebenszyklus. Gleichzeitig klärt sie die Pflichten von Market Authorisation Holders (MAH).

    Ebenfalls kippt sie die zuvor notwendige Zulassung eines innovativen Produkts im Herkunftsland als Bedingung für die Nutzung des "Fast Track Approval Channels" für innovative Produkte. In den vergangenen Jahren wurde dieser "Fast-Track" bis auf wenige Ausnahmen nur von chinesischen Firmen genutzt. Für ausländische Hersteller ist es nicht unmöglich, diese beschleunigte Zulassung zu erhalten, aber nach wie vor sehr schwierig.

    Erweiterte Haftung

    Die Registrierung von Medizinprodukten der Klasse II oder III muss durch eine Repräsentanz oder eine benannte juristische Person im Land als Vertretung erfolgen. Diese haftet gemäß der neuen Verordnung vom Dezember 2020 nun gesamtschuldnerisch für Verordnungsverstöße und erbrachte Dienstleistungen. Im Falle eines Rückrufs haften Hersteller und der lokale, registrierende Vertreter/Vertriebspartner gesamtschuldnerisch.

    Zentrale Anlaufstelle für Zertifizierungen im Medizintechnikbereich ist das "Center for Medical Device Evaluation" (CMDE) des Staatlichen Zentralamts für medizinische Produkte (National Medical Product Administration) unter der im März 2018 neu geschaffenen "Superbehörde" für Marktüberwachung (State Administration for Market Regulation). Am 18. November 2022 hat es die bislang jüngste Liste der für Medizinprodukte geltenden verbindlichen chinesischen Normen veröffentlicht, zu denen sowohl nationale Standards als auch Industrienormen zählen.

    Die Flut neuer Standards und Regularien, aber auch neue Produktklassifizierungen im Blick zu behalten, ist vor allem für mittelständische Unternehmen eine große Herausforderung. Über entsprechende Änderungen informiert der kostenlose Newsletter "Medtech Update China" der Exportinitiative Gesundheitswirtschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest/China

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Greater China


    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Exportinitiative Gesundheitswirtschaft

    Die Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft

    National Health Commission

    Entstanden aus dem Gesundheitsministerium

    National Medical Product Administration (NMPA) unter der State Administration for Market Regulation (SAMR)

    Zulassungsbehörde für Arzneimittel und Medizintechnik

    Government Procurement Network China (Zhongguo Zhengfu Caigou Wang)

    Offizielle Plattform für öffentliche Beschaffung

    Center for Medical Device Evaluation (CMDE) unter NMPA

    Zertifizierungsstelle für Medizintechnik

    China Association for Medical Devices Industry (CAMDI)

    Branchenverband

    COCIR China Desk

    China Desk der europäischen Wirtschaftsvereinigung COCIR

    China International Medical Equipment Fair (CMEF)

    Internationale Messe für Medizintechnik im Frühling in Shanghai und im Herbst in wechselnden Städten

    Medtec China

    Jährliche Messe der medizinischen Geräte-Industrie mit Konferenz im Herbst in Shanghai

    Bio ValleyShengwu Gu

    Chinesischsprachiges Industrieportal für die Medizintechnikbranche

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.