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Branchen | China | Halbleiter

Die Chipfabriken der Zukunft entstehen nicht in China

In der Volksrepublik sind zahlreiche Halbleiterwerke geplant, aber nur für ausgereifte Produkte. Die Regierung will die staatliche Förderung anscheinend effizienter gestalten.

Von Roland Rohde | Bonn

China ist bei zahlreichen Produktsparten der Unterhaltungs- und Haushaltselektronik sowie der Informations- und Kommunikationsindustrie der weltweit bedeutendste Hersteller und Exporteur. Zudem beherbergt die Volksrepublik den größten Automobilmarkt der Welt. In elektronischen Waren, aber auch anderen Konsumgütern wie etwa Autos, kommen immer mehr und leistungsfähigere Halbleiter zum Einsatz. Daher generiert das Reich der Mitte einen riesigen und stetig steigenden Bedarf an Chips.

China verdoppelt Fertigungskapazität in nur fünf Jahren

Die entsprechenden Fertigungskapazitäten wurden und werden mit staatlicher Unterstützung kräftig ausgebaut. Allein von 2017 bis 2022 verdoppelte sich die inländische Chipproduktion, so Angaben des nationalen Statistikamtes. Dennoch lag die Selbstversorgungsquote 2021 laut IC Insights lediglich bei knapp 16 Prozent. Das heißt, das Land ist auf den Import von Halbleitern angewiesen. Insbesondere bei Hochleistungschips hinkt China nach übereinstimmenden Einschätzungen von Branchenexperten um etwa zwei Generationen der US-amerikanischen und taiwanischen Konkurrenz hinterher.

Die Lücke dürfte sich weiter öffnen. Durch den Handelskonflikt mit den USA wird das Land von moderner westlicher Fertigungstechnologie abgeschnitten. Auch die Niederlande und Japan wollen sich an Halbleiter-Ausfuhrkontrollen beteiligen. Auftragshersteller aus Taiwan, Südkorea und Japan holen die Fertigung zurück in die Heimat beziehungsweise bauen Fabriken in den USA und Europa. Auch US-Firmen wie Intel setzen auf Reshoring oder neue Werke in Europa.

Ähnlich verhalten sich internationale Fachkräfte. Viele haben während der dreijährigen Grenzschließung im Zuge der Null-Covid-Politik dem Land den Rücken gekehrt. Zugleich altert die Gesellschaft rasant. Die China Daily berichtete Mitte März 2023, dass der Halbleiterbranche in den nächsten drei Jahren 220.000 Fachkräfte fehlen.

Regierung stampft Milliarden-Subventionsprogramm wieder ein

Beijing kündigte daraufhin Ende 2022 ein Subventionsprogramm für die Halbleiterbranche im Umfang von umgerechnet knapp 150 Milliarden US-Dollar (US$) an. Doch das Geld sitzt auch in China nicht mehr so locker in der Tasche. Durch die Coronapolitik und die umfangreichen Lockdowns erlitten insbesondere die lokalen Regierungen enorme Steuerausfälle. Die Unternehmensverschuldung war zudem bereits vor der Pandemie die höchste aller asiatischen Flächenstaaten. Bereits Anfang 2023 war den Medien zu entnehmen, dass das Programm auf Eis läge.

Die bisherigen Aufbauprogramme für die Halbleiterbranche haben viel Geld verschlungen und das Ziel einer höheren Selbstversorgung weit verfehlt.

Ohnehin waren die staatlichen Unterstützungsleistungen in der Vergangenheit nicht sehr effizient eingesetzt worden. Bereits 2014 hatte das Land den China National Integrated Circuit Investment Fund im Umfang von 50 Milliarden US$ ins Leben gerufen. Die Lokalregierungen mobilisierten noch einmal die gleiche Summe. Viele Regionen versuchten, ihr eigenes IT-Cluster aufzubauen. Dadurch wurde die eigentlich dringend notwendige Konsolidierung der Industrie verhindert. Selbst der Branchenprimus - Semiconductor Manufacturing International Corp. (SMIC) -  ist im Foundry-Bereich im internationalen Vergleich eher ein Zwerg. Korruption und Betrug gesellten sich hinzu. Daher kam es 2021 und 2022 zu mehreren Pleiten von Chipprojekten, obwohl global Halbleitermangel herrschte und die Branche dicke Gewinne schrieb.

Chipprojekte für zehn Jahre steuer- und zollbefreit

Eine effizientere Maßnahme war die 2020 eingeführte zehnjährige Steuerbefreiung für Halbleiterprojekte. Ebenso setzte die Regierung die Einfuhrzölle auf Ausrüstungen und Material für die Chipproduktion bis 2030 aus. Da es ein schier undurchschaubares Geflecht an nationalen und lokalen Maßnahmen gibt, lässt sich die exakte Summe an Subventionen, Steuererleichterungen und direkten staatlichen Beteiligungen nicht genau ermitteln. Nach Angaben des US-Verbands Semiconductor Industry Association (SIA) summieren sich die gesamten Unterstützungsleistungen auf 17 Milliarden US$ pro Jahr. Für die enorm kapitalintensive Branche sind solche Summen zu gering. Alleine der taiwanische Konzern TSMC investiert von 2021 bis 2023 rund 100 Milliarden US$.

Im Rahmen der staatlichen Finanzierungspolitik stand der Ausbau des Foundry-Bereichs anscheinend nicht im Fokus. Laut iResearch wurden zwischen 2014 und Mai 2022 insgesamt 865 Start-ups finanziert. Doch fast zwei Drittel der Gelder flossen in das Chipdesign und nur 1 Prozent in die Fertigung. Dahinter mag die Hoffnung stecken, dass sich im Design-Bereich die technologische Lücke zu den USA leichter schließen lasse. 

Einzelfallentscheidung statt Subvention mit der Gießkanne

Tatsächlich fördert Beijing diesen auch weiterhin kräftig. Allerdings scheint man nun Abstand von einem globalen Programm zu nehmen und Einzelfallentscheidungen zu treffen. Laut South China Morning Post erhielt der Chipproduzent Yangtze Memory Technologie Co einen Kapitalzuschuss von  kürzlich gegründeten staatlichen Beteiligungsgesellschaften in Höhe von 7 Milliarden US$. Auch politische Gründe dürften für solch weniger medienwirksame Unterstützungen sprechen. Man will wohl den Vereinigten Staaten nicht mit vollmundig angekündigten Megaprogrammen noch zusätzliche Munition im Technologiekonflikt liefern.

Bei weniger modernen Halbleitern geht das Geschäft relativ normal weiter

In weniger sensiblen Bereichen der chinesischen Halbleiterindustrie – bei Chips einer Größe ab 12/14 Nanometern – geht derweil das Business offenbar relativ normal weiter. Überall im Land entstehen hierfür neue Fabriken. Schließlich steigt auch der Bedarf an weniger modernen Halbleitern stetig an und muss befriedigt werden. So kommt der globale Branchenverband SEMI für den Zeitraum 2021 bis 2023 auf insgesamt 20 Projekte (für ausgereifte Technologie). Damit liegt die Volksrepublik knapp vor den USA und Europa.

Kontakte

Name

Beschreibung

IC Insights/Tech Insights

Marktforschungsunternehmen für den IT-Bereich; seit Anfang 2023 nur noch unter dem Namen Tech Insights

iResearch

Marktforschungsunternehmen für den IT-Bereich

AskCI research

Chinesisches Marktforschungs- und Beratungsunternehmen

Semiconductor Industry Association (SIA)

US-Branchenverband

SEMI

Globaler Branchenverband

Semiconductor Manufacturing International Corp. (SMIC)

Größter chinesischer Halbleiterkonzern

TSMC

Taiwanischer Halbleiterkonzern; größter Auftragsfertiger der Welt

South China Morning Post (SCMP)

Hongkonger Tageszeitung; liefert regelmäßig Berichte zu Chinas Halbleiterindustrie

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