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Hotelgesellschaften verschieben Projekte in China
Die Wachstumsaussichten für die Hotelbranche in China trüben sich ein, während die Risiken steigen. Zwar werden weiterhin neue Hotels geplant, doch der Bau geht langsamer voran.
27.01.2023
Von Roland Rohde | Bonn
Das Reisen innerhalb Chinas ist deutlich einfacher möglich, seitdem die Regierung im Dezember 2022 die Null-Covid-Politik abrupt beendet hat. Doch einen großen Umschwung hat der Politikwechsel nicht gebracht. Aufgrund der hohen Infektionszahlen können oder wollen viele Menschen nicht verreisen. Laut dem Ministerium für Kultur und Tourismus beliefen sich die Ausgaben der Inlandsreisenden zum Jahreswechsel 2022/23 trotz der Lockerungen lediglich auf ein gutes Drittel des Niveaus von 2019, dem letzten Jahr vor der Coronapandemie.
Auch die am 8. Januar 2023 erfolgte Grenzöffnung dürfte nur langsam Besserung bringen. Es wird lange Zeit dauern, den internationalen Flugverkehr wieder hochzufahren. Das Auswärtige Amt rät derzeit von nicht notwendigen Reisen nach China ab. Zudem müssen Reisende aus China vor Reiseantritt nach Deutschland einen Antigen-Schnelltest vorlegen. Laut Angaben der Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post kann die Volksrepublik 2023 rund 20 Millionen Auslandstouristen erwarten, was einem Siebtel der Zahlen von 2019 entspricht.
Neuvorhaben gehen nur leicht zurück
Zwar dürfte sich die Infektionslage zum Frühjahr 2023 wieder bessern. Doch das Reich der Mitte muss zum Herbst 2023 mit einer Welle durch neue Varianten rechnen. Für die Hotelbranche sind das keine guten Aussichten. Sie hatte bislang immer noch kräftig in der Volksrepublik investiert. Doch nun legen immer mehr Bauherren ihre Projekte erst einmal auf Eis. Bei bereits im Bau befindlichen Vorhaben lassen sie es langsamer angehen; Eröffnungstermine werden nach hinten geschoben. Außerdem dürfte das eine oder andere Haus kleiner als ursprünglich geplant ausfallen.
Anzahl Hotels | Anzahl Zimmer | |
---|---|---|
Gesamt, davon | 3.571 | 681.095 |
im Bau | 2.453 | 444.439 |
Baubeginn in den nächsten 12 Monaten | 546 | 103.526 |
im frühen Planungsstadium | 572 | 133.130 |
Anzahl baldiger Baustarts halbiert sich
Diesen Trend bestätigen auch die Zahlen von Lodging Econometrics. Laut dem Marktforschungsunternehmen hat die Anzahl sämtlicher Hotelvorhaben in China im 1. Quartal 2022 einen Rekordwert erreicht. Seitdem bröckeln die Werte, wenn auch nicht dramatisch. Dafür machen sich die Projektverzögerungen deutlich bemerkbar. Die Anzahl der Häuser, deren Baubeginn für die kommenden zwölf Monate vorgesehen ist, hat sich gemäß dem Stand vom 3. Quartal 2022 innerhalb von gut zwei Jahren nahezu halbiert.
Doch wie stehen die Aussichten für die Zeit nach der Covid-19-Pandemie? In Ländern mit einem mittleren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf wie China wächst der Inlandstourismus in der Regel wesentlich kräftiger als die allgemeine Wirtschaft. In der Volksrepublik besteht immer noch Nachholbedarf, allerdings tritt das Land in eine Phase schwächeren Wachstums ein.
Langfristig dämpfen viele Faktoren den Inlandstourismus
Sorge bereitet die zunehmende Verschuldung der Privathaushalte. Viele sind zusätzlich durch die Immobilienkrise ärmer geworden und können ihre Wohnungen, die oftmals als Altersvorsorge gedacht und kreditfinanziert sind, nicht mehr oder nur noch mit Verlust verkaufen. Das passiert ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Bevölkerung rasant altert. China sieht sich in Gefahr, schneller alt als reich zu werden.
Vier internationale Konzerne sind in China für die Hälfte aller Hotelprojekte verantwortlich.
Das werden auch internationale Hotelkonzerne zu spüren bekommen. Sie spielen im Reich der Mitte eine tragende Rolle. Laut Lodging Econometrics haben in China alleine die vier großen Mitspieler Hilton, InterConti, Mariott und Accor gut 1.700 Projekte mit mehr als 350.000 Zimmern in ihrer Pipeline. Damit sind sie für ungefähr die Hälfte aller Vorhaben verantwortlich.
Neue Hotels entstehen vor allem in Metropolen
Gemäß Lodging Econometrics entstehen die meisten Hotels in Chengdu in der Provinz Sichuan. Weltweit betrachtet liegt die Metropole sogar auf Rang zwei. Sie ist mit ihrer Forschungs- und Aufzuchtstation für Pandas ein wichtiger Tourismusmagnet. Shanghai kommt innerhalb Chinas an zweiter Stelle. In der wohl internationalsten Stadt des Landes sehen Hotelkonzerne anscheinend noch viel Wachstumspotenzial. Angst vor Überkapazitäten scheinen sie nicht zu kennen.
Auf Rang drei rangiert das südchinesische Guangzhou. Die Business-Metropole soll künftig von einer stärkeren Verzahnung mit den umliegenden Städten sowie der Sonderverwaltungsregion Hongkong profitieren. Die sogenannte Greater Bay Area wird von der Zentralregierung mit Nachdruck vorangetrieben. An vierter und fünfter Stelle folgen zwei weitere Touristenhochburgen: Hangzhou ist bekannt für seine Seelandschaften, Xi'an beheimatet die weltberühmten Terrakottaarmee.
Internationale Hotelkonzerne planen im Vergleich zu ihren chinesischen Konkurrenten größere und besser ausgestattete Hotels. Sie dominieren das Vier- und Fünf-Sterne-Segment und treten häufig als reine Betreiber oder Lizenzgeber auf. Chinesische Firmen hingegen bauen und besitzen die Häuser. Geschäftschancen für deutsche Zulieferer ergeben sich in den Bereichen Hotel- und Großküchenausstattungen sowie Aufzugs-, Sicherheits- und Klimatechnik.
Ausländische Konzerne müssen sich auf protektionistischeres Umfeld einstellen
Doch auch im Hotelgewerbe droht ein protektionistischeres Umfeld. Die Volksrepublik setzt auf eine Lokalisierung der einheimischen Wirtschaft. Internationale Firmen und Fachkräfte sind nicht mehr so willkommen wie noch vor einigen Jahren. Zugleich müssen sich ausländische Unternehmen in ihrer Heimat zunehmend für das Engagement in China rechtfertigen. Insgesamt sind die Risiken im Chinageschäft deutlich gestiegen. Die Attraktivität des Landes hat stark abgenommen, wie die Geschäftsklimaumfrage 2022/23 der deutschen Auslandhandelskammern (AHK) in China ergab.
Marktteilnehmer müssen selbst entscheiden, ob sie zu einseitig auf China ausgerichtet sind. Es ist ratsam, sich nach alternativen Märkten umzuschauen. Wie eine weitere Studie der AHK zeigt, orientieren sich ihre Mitglieder in China verstärkt in Richtung Südostasien und Indien. In Asien-Pazifik (ohne China) registrierte Lodging Econometrics im 3. Quartal 2022 fast 1.900 Hotelprojekte, immerhin gut halb so viel wie im Reich der Mitte.