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Rechtsbericht | China | Gesellschaftsrecht

Weitreichende Reform des Gesellschaftsrechts in China

Am 1. Juli 2024 werden zahlreiche Änderungen des chinesischen Gesellschaftsgesetzes in Kraft treten. Dazu zählen Neuerungen bei Gesellschaftsstruktur, Kapitaleinlagen und Haftung.

Von Julia Merle | Bonn

Im Folgenden werden ausgewählte Änderungen im Gesellschaftsgesetz Chinas (中华人民共和国公司法; Company Law - CL) beleuchtet. Die neue Fassung umfasst insgesamt 266 Artikel.

Corporate-Governance-Struktur

Bislang dürfen General Manager, Executive Director oder der Vorstandsvorsitzende nach der Satzung die Rolle des gesetzlichen Vertreters der Gesellschaft ausüben. In Zukunft genügt nach Art. 10 CL anstelle des Managers die Bestimmung eines Mitglieds des Vorstands (Board of Directors), mithin eines gewöhnlichen Directors. Dieser "Legal Representative" hat die Gesellschaft bei der Ausführung der Unternehmensangelegenheiten zu vertreten (vgl. Art. 61 Zivilgesetzbuch).

Die maximale Anzahl von 13 Mitgliedern des Vorstands bei einer Limited Liability Company (LLC) entfällt (Art. 44 CL a.F., nun Art. 68 CL).

Im Vorstand kann die Gesellschaft künftig ein "Audit Committee" einrichten, das sich aus mehreren Direktoren zusammensetzt und die Funktionen des dann wegfallenden Aufsichtsrates (Board of Supervisors) übernimmt (Art. 69 CL bei der LLC, Art. 121 CL bei Joint Stock Companies). Stimmen alle Gesellschafter zu, sind bei "kleinen" LLCs gar keine Aufsichtspersonen mehr erforderlich, Art. 83 CL.

Hat eine Gesellschaft mehr als 300 Mitarbeitende, ist nunmehr nach Art. 68 Abs. 1 und 120 Abs. 2 CL (zumindest) eine Vorstandsperson als Mitarbeitendenvertretung von den Angestellten demokratisch zu wählen – es sei denn, ein vorhandener Aufsichtsrat verfügt über eine solche Vertretung. Eine genaue Anzahl der Vertreter gibt das CL nicht vor.

Einen ordentlichen Beschluss der Gesellschafterversammlung muss nun nach Art. 66 CL eine über die Hälfte der Stimmrechte repräsentierende Gesellschafterzahl annehmen.

Vorstandssitzungen können bei der LLC nach Art. 73 CL künftig nur bei Anwesenheit der Mehrheit der Direktoren abgehalten, Beschlüsse nur von mehr als der Hälfte aller Direktoren erlassen werden.

Sitzungen und Abstimmungen sind nun ausdrücklich auf elektronischem Wege möglich, Art. 24 CL.

Haftungsvorschriften

Bedeutsam sind auch die neuen, detaillierteren und teils verschärften Regelungen zur Organhaftung. Darunter folgende: 

Das reformierte Gesetz enthält in Art. 180 CL nähere Ausführungen in Bezug auf die Treue- und Sorgfaltspflichten von Direktoren, Senior Managern und Aufsichtsräten. So haben sie bei ihrer Aufgabenerfüllung mit angemessener Sorgfalt in den besten Interessen der Gesellschaft zu handeln. Diese Verpflichtungen gelten nun auch für Mehrheitsaktionäre und tatsächliche Kontrolleure der Gesellschaft. 

Wird ein Director "ohne triftigen Grund" vor Ablauf seiner Amtszeit von den Gesellschaftern abberufen, hat er gemäß Art. 71 CL einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft.

Werden an die Gesellschafter Gewinne gesetzeswidrig ausgeschüttet, greifen nach Art. 211 CL Haftungsvorschriften.

Nach dem neuen Art. 191 CL haften neben der Gesellschaft auch Direktoren und Senior Manager unmittelbar persönlich, wenn Dritten durch ihre vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. 

Kapitaleinbringungsfrist

Das CL sieht in Zukunft eine Einzahlung des gesamten Stammkapitals innerhalb von fünf Jahren ab Gründung der Gesellschaft (LLC) vor, Art. 47 CL. So werden insbesondere sehr lange Einzahlungsfristen künftig verhindert, da es bislang keine zeitliche Beschränkung (mehr) dafür gab. Vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung bereits bestehende Gesellschaften haben ihre in der Satzung vereinbarten Zahlungszeiträume schrittweise daran anzupassen (Art. 266 CL); diesbezüglich wird der Staatsrat Implementierungsregeln erlassen.

Nach Art. 228 CL findet dieser 5-Jahreszeitraum auch bei Kapitalerhöhungen Anwendung. 

Ein Gesellschafter ist nach Art. 52 CL schriftlich unter Mindestfristsetzung von 60 Tagen zu mahnen, wird bei der Prüfung der Kapitaleinlagen ein Zahlungsverzug festgestellt. Kommt der Vorstand dieser neuen Pflicht zur Überprüfung nicht nach, haften verantwortliche Direktoren für Schäden, die der Gesellschaft entstehen (Art. 51 CL). Eine Anordnung des Einziehens der Anteile durch Beschluss des Vorstandes ist möglich. Die Anteile werden entweder übertragen oder das Stammkapital reduziert. Geschieht dies nicht binnen sechs Monaten, haben die anderen Gesellschafter das ausstehende Kapital einzubringen, Art. 52 CL.

Künftig dürfen explizit auch Anteile (equity) an Gesellschaften und Gläubigerrechte als Kapitaleinlage eingebracht werden, Art. 48 CL.

Kann eine Gesellschaft fällige Schulden nicht begleichen, haben die Gesellschaft oder ihre Gläubiger nach Art. 54 CL das Recht, von den Gesellschaftern eine Kapitaleinzahlung vor dem satzungsmäßig festgelegten Stichtag zu verlangen. 

Mitgesellschafter haben ferner – bestimmt die Satzung nichts anderes – Vorkaufsrechte bei Eigenkapitalübertragungen an Dritte: Erfolgt binnen 30 Tagen keine Antwort auf die schriftliche Mitteilung, gilt das als Verzicht auf das Vorkaufsrecht, Art. 84 CL.

Gesetzeshistorie und Ausblick

Das Gesellschaftsgesetz befand sich seit dem Jahr 2021 im Änderungsprozess. Die finale vierte Fassung wurde schließlich am 29. Dezember 2023 veröffentlicht. Das Gesetz war zuletzt im Jahr 2018 angepasst worden. Ursprünglich war es 30 Jahre zuvor, am 29. Dezember 1993, verabschiedet worden.

Die Neuerungen ab 1. Juli 2024 können Satzungsänderungen erfordern. Mit Umsetzungsbestimmungen zu einzelnen Vorschriften ist noch zu rechnen.

Foreign Investment Law: Frist läuft noch bis Ende 2024

Ausländische Investoren sollten zudem die im Gesetz über ausländische Investitionen (Foreign Investment Law - FIL) vorgesehene Frist bis zum 31. Dezember 2024 zur strukturellen Anpassung bestehender Joint Ventures im Blick behalten und erforderliche Änderungen in der Organisationsstruktur fristgerecht vornehmen. Dazu zählt etwa die Gesellschafterversammlung als höchstes Entscheidungsorgan. Nach Art. 31 FIL finden die Regelungen des CL –  in aktueller Fassung – dabei Anwendung. Die Übergangsfrist von fünf Jahren hatte mit Inkrafttreten des FIL am 1. Januar 2020 begonnen.

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