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"Ein einzigartiger Zugang zur jungen, digitalen Zielgruppe"
Der deutsche E-Sports-Markt ist noch überschaubar, hat aber viel Potenzial. Lesen Sie hier das Interview mit Nicole Lange, Produktmanagerin kicker eSport beim Olympia-Verlag.
04.12.2023
Von Leonie Schneiderhöhn | Bonn
Frau Lange, welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um Teil der Branche zu sein?
Geduld, Skalierungspotenzial und eine nachhaltige Strategie. Für kicker war es von Anfang an wichtig, eine nachhaltige Idee mit dem E-Sport zu verfolgen und darauf weitere Produkte aufzubauen. Das Kernthema und die Ausrichtung müssen klar sein. Seit 2014 setzen wir auf E-Football-Journalismus mit großem Engagement. Wesentlich ist die klare Ausrichtung, der Mehrwert für die Zielgruppe und Geduld. Das ist unerlässlich, da das Vertrauen der Community und die Skalierung Zeit benötigen. Man muss sich das Vertrauen in der Branche erst verdienen und auch Monetarisierungs-Grundlagen schaffen. Diese Aspekte sollte man immer berücksichtigen, um Teil der Branche zu werden und es vor allem auch zu bleiben.
Was unterscheidet die E-Sports-Branche von anderen Branchen dieser Art?
Der E-Sport bietet einen einzigartigen Zugang zur jungen Zielgruppe, die sich im Netz aufhält. E-Sports-Fans haben ein spannendes sowie vielschichtiges Profil und sind vor allem auch für werbende Marken sehr interessant. Für Sportvereine bieten E-Sports-Vereine und Angebote ebenfalls eine hervorragende Möglichkeit, Jugendliche abzuholen. Vor allem, da der E-Sport keine körperlichen oder geschlechtlichen Barrieren bietet. Jeder kann mitmachen und mit jedem zusammenspielen.
Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich auf dem E-Sports-Markt da?
In Deutschland ist die Nachrichten-Landschaft den E-Sport betreffend noch überschaubar. Mittlerweile haben einige Medien leider schon wieder das Thema zurückfahren müssen. Hier kann der deutsche Markt noch sehr viel von den internationalen Kollegen aus beispielsweise Asien lernen. kicker eSport ist da schon eine Ausnahmeerscheinung im DACH-Markt, mit knapp zehn Jahren in der Szene.
Der Standort Deutschland ist auch noch ausbaufähig, was die Umsetzung von Events und Turnieren angeht. Hier haben Bundesländer wie beispielsweise Hamburg, die eigentlich alles mitbringen für solche Projekte, noch sehr viel Luft nach oben. Ein breiteres Angebot an bezahlbaren Austragungsstätten ist ein großes Thema und wird noch viel zu wenig angegangen. Hier laufen uns die Nachbarländer den Rang ab. Nur wenige E-Sport-Veranstaltungen schaffen es nach Deutschland – und da spreche ich nicht von den großen Events wie Worlds oder die Intel Extreme Masters. Es müssen auch Angebote für kleinere Veranstalter geliefert werden, damit Deutschland attraktiver für diese Events wird.
Positiv betrachten kann man allerdings die Entwicklung der LAN-Veranstaltungen. 2023 und 2024 wagt man sich schon wieder mehr an die Ausrichtung dieser Events, was zumindest schon mal ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Wo sehen Sie die größten (wirtschaftlichen) Wachstumschancen für deutsche Unternehmen im E-Sports?
Egal, ob aus redaktioneller oder Event-technischer Sicht - Sponsoren können im E-Sports und Sportspiele-Bereich immer noch sehr gute Möglichkeiten schaffen, um an eine sehr interessante Zielgruppe zu kommen. Vor allem die Aktivierung junger Zielgruppen ist hier möglich. Redaktionell liegt in Deutschland noch sehr viel ungenutztes Potenzial. Es fehlt an redaktioneller Aufmerksamkeit, sodass sich ein Wirtschaftszweig nur sehr schwer entwickeln kann. Es schreiben derzeit zu wenige über das Thema und vieles findet eher in sozialen Medien statt.
Für uns war es deshalb wichtig, Medienzweige wie Streaming nicht zu ignorieren. Hier sollten Marken und Unternehmen wesentlich stärker hinschauen und diese Plattformen ernst nehmen. Es gibt kaum Leute, die sich mit dem Themenfeld auseinandersetzen, dabei sind Profis in diesem Bereich wichtig.
In welchen Bereichen haben deutsche Unternehmen noch Nachholbedarf und was machen ausländische Unternehmen auf dem Markt vielleicht besser?
E-Sports bietet für deutsche Unternehmen auf vielen Wegen Möglichkeiten. Man hat viele Jahre verschlafen und den Markt zu wenig analysiert. Dadurch sind zum Teil auch Fehlinvestitionen entstanden. Doch die Zielgruppe ist immer noch da und die Streuverluste deutlich geringer, wenn man sich in diesem Umfeld platziert. Unternehmen können kompetitive Wettbewerbe ausrichten und darüber neue Mitarbeiter suchen. Arbeitnehmer werden in der Wahrnehmung viel interessanter, wenn sie sich diesem Thema öffnen. Agenturen müssen die Wertigkeit der Community stärker dem Kunden kommunizieren.
Aber auch Vermarkter und Marketing-Verantwortliche dürfen die Augen vor dem E-Sports-Markt nicht verschließen. E-Sports ist nicht nur League of Legends oder CS:GO. Es gibt noch viele andere Wege und Abzweigungen und die hat man vielerorts in Deutschland noch nicht wirklich erkannt.
LESETIPP: Lesen Sie den ausführlichen Artikel "Ganz schön abgezockt" zur E-Sports-Branche in der aktuellen Ausgabe der Markets International. |