Wirtschaftsumfeld | Chile | Grüner Wasserstoff
Entwicklungsbanken fördern Chiles Dekarbonisierung
Chile erhält Kredite zur Förderung von grünem Wasserstoff. Die Projekte sollen die Erzeugung und Verwendung im Land ankurbeln. Dabei gibt es aber Hindernisse. (Stand: 04.07.2023)
04.07.2023
Von Martin Walter | Bonn
Aus Europa und von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) erhielt Chile im Juni 2023 Zusagen für Kredite und Zuschüsse in Höhe von 638 Millionen US-Dollar (US$). Mit dem Geld will Chile konkrete Wasserstoff-Projekte finanzieren und die Rahmenbedingungen für seine eigene Energiewende verbessern.
Ziel des Andenstaats ist es, zu einem der größten Exporteure von grünem Wasserstoff aufzusteigen. Aufgrund der guten Produktionsbedingungen für grünen Strom zählt Chile weltweit zu den Ländern mit dem größten Potential für die Herstellung von grünem Wasserstoff. Der Norden des Landes hat die höchste Sonneneinstrahlung auf der Erde und vor der Südküste wehen konstante Winde aus dem Pazifik.
Interamerikanische Entwicklungsbank bewilligt Darlehen
Von der IDB erhält Chile ein Darlehen in Höhe von 400 Millionen US$, um seine grüne Wasserstoffindustrie auszubauen. Mit den Mitteln will die chilenische Regierung technologische Innovationen und Forschung unterstützen sowie die private Finanzierung von neuen Projekten erleichtern. Institutionen, Unternehmen und Beschäftigte aus der Industrie sollen von den Maßnahmen profitieren.
Davon gehen 350 Millionen US$ in Investitionen in Projekte zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Speziell entwickelte Finanzierungsinstrumente stellen Kredite und Garantien bereit. Die Finanzierung richtet sich an größere Unternehmen zum Kauf oder zur Installation von Elektrolyse-Anlagen. Dabei strebt die Bank eine Größenordnung von 50 Millionen US$ pro Vorgang an.
Weitere 50 Millionen US$ stellt die IDB bereit, um die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der chilenischen Wasserstoffindustrie zu verbessern. Ziel ist es, die Inlandsnachfrage nach Wasserstoff anzukurbeln. Für die chilenische Energiewende sollen Unternehmen Anreize erhalten, Wasserstoff in ihren Produktionsprozessen zu nutzen. So will das Land seine Wirtschaft dekarbonisieren.
Speziell gefördert werden die Aus- und Fortbildung sowie die Schaffung von Zwischenprodukten und Dienstleistungen in der Wasserstoffindustrie. Ebenfalls werden angewandte Forschung und die Entwicklung technologischer Innovationen finanziert und das Unternehmertum gefördert.
Verantwortlich für die Umsetzung der Maßnahmen ist die chilenische Wirtschaftsfördergesellschaft CORFO (Corporación de Fomento de la Producción). CORFO schreibt somit die notwendigen Waren und Dienstleistungen aus. An den Ausschreibungen können Firmen und Einzelpersonen aus allen Mitgliedsländern der IDB teilnehmen, darunter aus Deutschland.
Europa fördert klimaneutralen Wasserstoff in Chile
Für seine Energiewende benötigt Europa grünen Wasserstoff und sucht überall auf der Welt nach Bezugsquellen. Dabei hat es seit Längerem das Andenland im Visier. Beim Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Juni 2023 unterzeichneten die EU und Chile Kreditverträge zur Finanzierung und technischen Unterstützung des Wasserstoffsektors.
Insgesamt geht es um Kredite in Höhe von 216,5 Millionen Euro. Federführend bei der Kreditvergabe sind die Europäische Investitionsbank (EIB) sowie die deutsche KfW Entwicklungsbank. Beide Banken stellen jeweils bis zu 100 Millionen Euro bereit. Ein weiterer Zuschuss von 16,5 Millionen Euro stammt aus der Investitionsfazilität der EU für Lateinamerika und die Karibik (LACIF).
Beide Seiten wollen mit dem Geld die Dekarbonisierung der chilenischen Wirtschaft fördern und grüne Arbeitsplätze schaffen. Dabei sollen Geschäftschancen für chilenische und europäische Unternehmen entstehen. Gleichzeitig soll die europäische Nachfrage nach klimaneutralem Wasserstoff gedeckt werden.
"Team Europa fördert mit vereinten Kräften eine Investitionspriorität der Global-Gateway-Initiative, die Chiles ehrgeizigen Klimaschutzzielen entspricht. Die EIB Global ist der richtige Partner für das Land. Ich freue mich, dass die Zusammenarbeit zwischen Europa und Chile dank Projekten wie diesem wächst." sagte Kristin Lang, Leiterin der EIB-Abteilung Öffentlicher Sektor - Lateinamerika und Karibik.
Auch für die Kredite der Europäer ist CORFO zuständig. Sie leitet die Mittel an Initiativen für grünen Wasserstoff in Chile weiter.
Unternehmen bieten sich Geschäftsmöglichkeiten
Deutsche Unternehmen können von der Dekarbonisierung in Chile profitieren. Im chilenischen Solarmarkt und beim Aufbau der Wasserstoffindustrie bieten sich Geschäftsmöglichkeiten als Lieferant von moderner Umwelt- und Energietechnik sowie bei Planung, Bau und Inbetriebnahme von Solarkraftwerken und Elektrolyse-Anlagen. Beratende Ingenieure können bei Planungsverfahren und Machbarkeitsstudien zum Zuge kommen.
Germany Trade & Invest (GTAI) informiert tagesaktuell über Entwicklungsprojekte und Ausschreibungen internationaler Geberorganisationen in Chile.
Wasserstoffsektor braucht politische und technische Unterstützung
Die Kredite kommen zur rechten Zeit, um insbesondere Hindernisse bei der Erzeugung und beim Transport von grünem Strom in Chile aus dem Weg zu räumen. Ohne grünen Strom gibt es auch keinen klimaneutralen Wasserstoff.
Die Investitionen in die grüne Wasserstoffindustrie in Chile stecken noch in den Kinderschuhen und stehen vor den typischen Herausforderungen einer im Entstehen begriffenen Industrie. Aktuell gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Projekten mit noch hohen Kosten. Zudem ist ungewiss, wie leistungsfähig die Technologie über einen längeren Zeitraum ist.
Probleme haben aktuell auch die Erzeuger von grünem Strom in Chile. Sie stehen vor massiven Finanzproblemen. Gründe sind technische Faktoren wie mangelnde Netz- und Übertragungskapazitäten. Hinzu kommen regulatorische Defizite, welche zu einem zu niedrigen Einspeisepreis für Strom aus erneuerbaren Energien in das Hochspannungsnetz führen. Die Produzenten von grünem Strom erleiden finanzielle Verluste, die ersten Insolvenzen wurden bereits beantragt, weitere drohen.
Internationale Banken, darunter die KfW IPEX-Bank, werden keine weiteren Solar- und Windparks in Chile finanzieren, solange sich die Marktbedingungen nicht verbessern.