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Wirtschaftsumfeld | Europa | Entwicklungszusammenarbeit

Europäische Länder zählen zu den wichtigsten Gebern weltweit

Der Beitrag der europäischen Geber zur globalen Entwicklungszusammenarbeit bietet ein interessantes Geschäftsfeld. Doch der Einstieg in den Markt bleibt anspruchsvoll.

Von Hélène Pestel | Bonn

Die internationale Entwicklungszusammenarbeit ist ein Markt, den deutsche Unternehmen in den Blick nehmen sollten. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betrugen die Zahlungen der Geberländer für Entwicklungszusammenarbeit (ODA) 211 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2022. Europäische Länder trugen einen erheblichen Teil dazu bei.

Was ist ODA?

Die Official Development Assistance (ODA) ist eine international vereinbarte Messgröße für die Entwicklungszusammenarbeit der Geberländer. Mit der ODA misst der Entwicklungsausschuss DAC (Development Assistance Committee) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die öffentlichen Mittel, die Geberländer für Entwicklungsleistungen in Entwicklungs- und Schwellenländern ausgeben. Die Geber melden jährlich ihre ODA-Zahlen, der DAC wertet sie aus und veröffentlicht sie.

Zur ODA zählen:

  • Leistungen, die zu günstigen Bedingungen
  • mit dem Hauptziel der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Entwicklungsländern,
  • von öffentlichen Stellen
  • an Entwicklungsländer vergeben werden.

Für die Anrechnung als ODA müssen alle vier Bedingungen erfüllt sein.

Europäische Geberländer leisten über die Hälfte der gesamten Entwicklungszusammenarbeit

Europäische Länder spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit. Das zeigt die jüngste Statistik des DAC, die die weltweite ODA für 2022 erfasst.

56 %

Europäische Geberländer leisteten 56 Prozent der globalen Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2022. 

Dem DAC gehören 31 Geberländer an; 21 davon sind Mitgliedstaaten der EU. Zusammen gaben die EU-Länder, die auch DAC-Mitglieder sind, im Jahr 2022 über 93 Milliarden US$ an ODA aus. Das sind 44 Prozent der globalen ODA. Zählt man das Vereinigte Königreich, Norwegen und die Schweiz dazu, dann gaben europäische Geberländer knapp 120 Milliarden US$ im Jahr 2022 aus. Das sind 56 Prozent der globalen ODA.

Unterschiedliche institutionelle Systeme...

Jeder Geberstaat verfügt über eigene Gesetze, Institutionen und Instrumente für die Durchführung von bilateralen Programmen mit seinen begünstigten Partnerländern.

In Deutschland setzen hauptsächlich zwei Organisationen entwicklungspolitische Maßnahmen im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) um. Die KfW Entwicklungsbank vergibt günstige Kredite oder Zuschüsse an Partnerländer. Diese setzen damit Investitionsprojekte um. Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) berät die Partner bei der Erreichung ihrer Entwicklungsziele in vielfältigen Sektoren.

Deutschlands europäische Nachbarn haben ihre eigenen Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit. In vielen Fällen verfügen die europäischen Länder über eine nationale Entwicklungsagentur, die einen Großteil des Budgets für die Entwicklungspolitik verwaltet und Programme selbst umsetzt. Das ist beispielsweise der Fall in Schweden mit der schwedischen Entwicklungsagentur Sida, in Norwegen mit Norad und in Belgien mit Enabel. Bei der französischen Agentur AFD (Agence Française de Développement) stehen Finanzierungsinstrumente im Vordergrund. Ähnlich wie die deutsche KfW vergibt sie Kredite und zinsverbilligte Darlehen an Partnerregierungen.

In anderen Ländern wie etwa im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden setzt das Außenministerium Projekte selbst um.

... um die gleichen Ziele zu erreichen

Auch wenn Geberländer und -institutionen eigene Strategien entwickeln, verfolgen sie doch alle die gleichen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung. Den Rahmen setzt eine Reihe von internationalen Abkommen. An erster Stelle stehen die Agenda 2030 der UN mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung sowie das Pariser Klimaabkommen.

Die Geber finanzieren Programme, die zur weltweiten Armutsbekämpfung und zum Klimaschutz beitragen sollen. Für die Umsetzung suchen die zuständigen Institutionen Unternehmen, die Consulting im Bereich beruflicher Bildung leisten, über Know-how in der Abwasserbehandlung verfügen oder auch Lösungen zur verbesserten Energieeffizienz anbieten. Die Sektoren, die für die Entwicklungszusammenarbeit Relevanz haben, sind vielfältig.

Wie komme ich ins Geschäft mit den Gebern?

  1. Investieren Sie Zeit in die Marktrecherche: Welche Geber sind in meiner Zielregion besonders aktiv und in welchen Sektoren fördern sie Projekte? Dazu lohnt sich ein Blick auf die Geberprofile und in die Projekt- und Ausschreibungsdatenbank von Germany Trade & Invest.
  2. Pflegen Sie Kontakte: Führen Sie Gespräche mit den Geberinstitutionen sowohl in den Geberländern als auch in den Projektländern. So werden Sie bekannt und erhalten zudem frühzeitig Informationen, um die Projekte besser zu verstehen.
  3. Bauen Sie Ihr Netzwerk auf: Bündeln Sie Ihre Expertise mit jener von deutschen, internationalen und lokalen Partnern und nehmen Sie als Konsortium oder Joint Venture an Ausschreibungen teil.
  4. Seien Sie genau: Die Ausschreibungsverfahren sind stark reguliert und die Anforderungen müssen genau erfüllt werden.
  5. Bleiben Sie dran: Vielleicht sind Sie nicht direkt mit der ersten Bewerbung erfolgreich. Doch mit mehr Erfahrung steigen auch Ihre Chancen.

Ein Markt mit Herausforderungen

Entwicklungshaushalt wichtiger europäischer Geber steht unter Druck

Die aktuelle budgetäre Lage in manchen europäischen Ländern führt zu einem erhöhten Druck auf deren Entwicklungsetats. So hat die deutsche Bundesregierung Kürzungen im Budget des BMZ für das Jahr 2024 um 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr vorgenommen.

Auch in Frankreich kündigte das Finanzministerium im Februar 2024 an, angesichts einer angespannten Haushaltslage den Entwicklungsetat um 800 Millionen Euro zu kürzen. Die französische Entwicklungsfinanzierung verzeichnet eine rückläufige Tendenz: Bereits 2023 wurde das Ziel, eine ODA-Quote von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) bis 2025 zu erreichen, auf das Jahr 2030 verschoben.

Das 0,7-Prozent-Ziel

Das 0,7-Prozent-Ziel besagt, dass reiche Länder 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsleistungen (ODA) ausgeben sollen. Das Ziel gibt es seit dem Jahr 1972 und stammt von den Vereinten Nationen. Bisher haben es nur wenige Länder erreicht, im Jahr 2022 waren es vier: Luxemburg, Schweden, Norwegen und Deutschland.

Auch Schweden und Norwegen, die zu den großzügigsten Geberländern gehören – beide Länder erreichen seit vielen Jahren kontinuierlich das 0,7-Prozent-Ziel – senken ihre Ambitionen. Beide Länder haben das selbstgesetzte Ziel revidiert, sogar 1 Prozent ihres BNE der ODA zu widmen.

Das Vereinigte Königreich – der drittgrößte europäischer Geber – plant zwar eine Erhöhung seines Entwicklungsbudgets. Doch diese prognostizierte Budgetsteigerung wird aller Voraussicht nach nicht reichen, um die Kürzungen der letzten Jahre auszugleichen.

Die europäische Geberlandschaft ist fragmentiert und nicht immer zugänglich

Dazu kommen weitere Hürden auf dem Weg zum Geschäft mit den europäischen Gebern.

Zum einen mangelt es in manchen Fällen an Transparenz: Nicht alle europäischen Geber haben ein leicht zugängliches Ausschreibungsportal, sei es weil das Portal nur in der Landessprache verfügbar ist oder weil die Ausschreibungen dezentral veröffentlicht werden und nicht gut auffindbar sind.

Zum anderen ist der Markt der Entwicklungszusammenarbeit europäischer Geberländer stark fragmentiert, auch wenn die EU mit ihrer Global-Gateway-Initiative die verschiedenen Angebote verstärkt bündeln will. Der ODA-Beitrag der einzelnen Geber ist teilweise bescheiden. Dabei geht nur ein Teil davon in bilaterale Projekte in den Partnerländern. Denn ein anderer Teil der ODA fließt in die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit: Die Geberländer tätigen Zahlungen an internationale Organisationen wie die EU, die UN oder die Weltbank. In diesem Fall ergeben sich Geschäftschancen nicht direkt mit den europäischen Gebern, sondern mit diesen Organisationen. Nur bei der bilateralen Zusammenarbeit kommt es zu Ausschreibungen seitens der durchführenden Institutionen der Geberländer.

Wer seine Leistungen bei Entwicklungsprojekten europäischer Länder anbieten möchte, sollte sich deshalb mit dem Markt gut befassen. Das Geschäftspotenzial ist vorhanden, der Zugang jedoch komplex.

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