Wirtschaftsumfeld | Hongkong | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Arbeitsmarkt
Unternehmen stellen insbesondere im Einzelhandel wieder Personal ein. Bedarf an Fachkräften besteht im Bildungs- und Gesundheitswesen.
20.04.2023
Von Robert Herzner | Hongkong
In Hongkong werden mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) mit Dienstleistungen erzielt, rund ein Fünftel des BIP allein im Finanz- und Versicherungswesen. Das produzierende Gewerbe trägt gerade einmal 1 Prozent zur Wertschöpfung bei. Die Sonderverwaltungsregion mit 7,3 Millionen Einwohnern beschäftigt etwa 3,8 Millionen Arbeitskräfte, von denen knapp 38 Prozent über einen Universitätsabschluss verfügen.
Die Arbeitslosenquote stieg mit dem Ausbruch der Coronapandemie auf 6,6 Prozent im 4. Quartal 2020, schwächte sich im Nachfolgenden aber wieder ab und betrug im 4. Quartal 2022 zuletzt knapp 3,5 Prozent.
Herausforderungen zur Nachbesetzung hat die Bildungsbranche mit 7.750 offenen Stellen, gefolgt von der Transport- und Logistikbranche mit 7.390 Stellenangeboten. An dritter Stelle rangiert das Gesundheitswesen mit 6.510 Positionen. Infolge der Grenzöffnung zum chinesischen Festland und den steigenden Touristenzahlen gehen Experten für 2023 von einem Anstieg der Umsätze im Hongkonger Einzelhandel von 15 Prozent aus. Nach dem BIP-Rückgang 2022 von 3,5 Prozent prognostiziert die Regierung für 2023 einen Anstieg der Wirtschaftsleistung von 2,8 Prozent. Insbesondere im Einzelhandel werden Neueinstellungen erwartet.
Indikator | Wert |
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Bevölkerung (Ende 2022; in Millionen) | 7,3 |
Erwerbspersonen (2022; Bevölkerung älter als 14 und jünger als 65 Jahre; in Millionen)1 | 3,8 |
Erwerbstätige (2022; in Millionen)1 | 3,6 |
Arbeitslosenquote, offiziell (2022; in Prozent)1 | 3,5 (5,02) |
Geringqualifizierte (2021; Anteil in Prozent)3 | 17,9 |
Universitätsabschlüsse (2022; Anteil in Prozent) | 37,7 |
Die Anzahl der Selbstständigen hat sich um 4.000 auf 219.900 im Jahr 2021 erhöht. In den Arbeitsmarkt neu eingetreten sind 2022 rund 22.000 Universitätsabsolventen. In Hongkong waren mit Stand vom März 2023 knapp 460.000 Ausländer beschäftigt, davon drei Viertel als Haushaltshilfen und etwa 5 Prozent in Führungspositionen in der Finanzbranche.
Generell rechnen Experten 2023 mit einer stabilen Entwicklung des Arbeitsmarktes; die meisten Arbeitgeber dürften die Anzahl ihrer Beschäftigten beibehalten. Prognosen zufolge soll der durchschnittliche Bruttomonatslohn im Jahr 2023 mit 3 Prozent moderat ansteigen. Die Wachstumsrate liegt jedoch deutlich unter der Boom-Zeit vor der Covid-19-Pandemie. Aufgrund der im Vergleich zu Europa geringen Inflation und stabilen Mietpreisen ist keine negative Entwicklung der Nettogehälter für Arbeitnehmer zu erwarten.
Fachkräfte vor allem im IT- und ESG-Bereich gesucht
Den höchsten Bedarf an Neueinstellungen verzeichnet der Handel, insbesondere der Einzelhandel mit Verkaufspersonal. In weiteren Branchen wie dem Finanz- und Dienstleistungsbereich besteht hohe Nachfrage nach Fachkräften mit Kenntnissen der Informationstechnik (IT). Vor allem Datenanalyse und Cybersicherheit gehören zu besonders nachgefragten Spezialisierungen, mit deren Hilfe Unternehmen die digitale Transformation bewältigen wollen. Darüber hinaus werden Experten im Bereich "Environmental, Social and Governance" (ESG) benötigt, die die Firmenführung in der Region in den Aspekten Nachhaltigkeit, Umwelt und soziale Verantwortung unterstützen. Groß- und Einzelhändler, die über ihre Beschaffungsbüros in Hongkong Waren aus der Region beziehen, benötigen Beschäftigte, die ihre Lieferketten im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes prüfen.
Ein weiterer Trend ist der erhöhte Bedarf an Zeitarbeitern und Freelancern, vor allem in Bereichen, wo Bewerbermangel, Marktfluktuation und steigende Nachfrage nach IT-Projekten herrschen. In diesen Fällen suchen Unternehmen häufig Auftragnehmer, um geschäfts- und zeitkritische Stellen zu besetzen. In den Sektoren Technologie, Finanzdienstleistungen und Handel dürfte die Einstellung von Vertragsarbeitskräften zunehmen, da Arbeitgeber angesichts der sich ändernden Geschäftsbedingungen nach flexibleren Arbeitskräften suchen.
Personalsuche findet online statt
Zur Gewinnung von Arbeitskräften spielen Internetplattformen eine wesentliche Rolle. Die Webseiten stellen Ausschreibungen überwiegend auf Englisch zur Verfügung. Für die individualisierte Personalsuche engagieren Firmen häufig Headhunter.
Plattform | Anmerkungen |
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Führende Jobplattform in Hongkong mit regionalem Fokus | |
Rekrutierungs-, Beschäftigungs- und Jobportal mit Branchenfokus auf Finanzen, Hotel- und Gaststättengewerbe, Informations- und Kommunikationstechnologie, NGOs und Einzelhandel | |
Fokus auf mittleres und gehobenes Management | |
Fokus auf mittlere und untere Ebene von kleinen und mittelständischen Unternehmen |
Deutsche Unternehmen können darüber hinaus das Angebot der Auslandshandelskammer (AHK) Hongkong nutzen. Die AHK Hongkong bietet verschiedene Dienstleistungen zur Gewinnung von Fachkräften an. Dabei unterstützt sie kleine und große Firmen durch maßgeschneiderte Personaldienstleistungen bei Stellenausschreibungen und bei der Personalsuche. Für lokal etablierte Unternehmen bietet die AHK außerdem die Teilnahme an der dualen Berufsausbildung in den Ausbildungsberufen Kaufmann und Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement, für Spedition und Logistikdienstleistungen sowie für Digitalisierungsmanagement an.
Grundsatzfrage: Expatriate oder Lokalkraft?
Bei leitenden Positionen stehen Unternehmen immer wieder vor der Frage, ob diese mit lokalen oder entsandten Fachkräften aus Deutschland besetzt werden sollen. Eine allgemeine Antwort lässt sich nicht finden. Aufgrund der rigiden Coronamaßnahmen haben viele Fachkräfte, Expatriates und lokale Experten Hongkong seit 2021 verlassen. Entsprechend hat sich der Pool an zur Verfügung stehendem Führungspersonal verkleinert. Des Weiteren haben zahlreiche Unternehmen einzelne Abteilungen an andere Standorte verlagert, teils ist der Personalbedarf der Firmen in Hongkong dadurch gesunken. Von der Verlagerung von Arbeitsplätzen im IT-Bereich hat Singapur überdurchschnittlich profitiert, während sich Vietnam in der Beschaffung und Südchina bei Compliance als alternative Standorte etabliert haben.
Firmen sollten sich der hohen Kosten bei einer Entsendung von Expatriates bewusst sein. Dies betrifft insbesondere den Mietzuschuss aufgrund der hohen Mieten in der Metropole. Doch auch bei einheimischen Spitzenkräften sollten Arbeitgeber den Zuschuss für die Wohnung einplanen. Für den Standort Hongkong sprechen die äußerst niedrigen Einkommenssteuern mit einem Spitzensteuersatz von maximal 17 Prozent.