Der indische Maschinenbau profitiert von steigenden privaten und öffentlichen Investitionen. Die meisten Sparten haben 2022 ihren Absatz gesteigert.
Industriesektor wächst langsamer als Wirtschaft insgesamt
Indiens Wirtschaft kann sich trotz globaler Krisen behaupten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll im Finanzjahr 2022/2023 (1. April bis 31. März) real zwischen 6 und 7 Prozent zulegen. Für die Folgeperiode wird ein Plus von 6 Prozent erwartet. Die verarbeitende Industrie hatte im Zuge des Ukrainekriegs mit steigenden Preisen für Vorprodukte und Energie zu kämpfen. Die Investitionen im Privatsektor legten dennoch von April bis September 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum nominal um 27 Prozent auf 40 Milliarden US-Dollar (US$) zu. Mit einem Plus von 5 Prozent wird der Industriesektor in diesem und dem nächsten Finanzjahr allerdings langsamer wachsen als die Wirtschaft insgesamt, schätzt die indische Zentralbank.
Für den Maschinenbau gibt es dennoch positive Wachstumssignale. Indiens Regierung will den Anteil der verarbeitenden Industrie am Bruttoinlandsprodukt bis 2030 auf 25 Prozent steigern - der Sektor machte 2022 nur etwa 18 Prozent aus. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie 2021 das "Production Linked Incentives" Förderprogramm aufgelegt. Dabei erhalten Unternehmen aus 14 Sektoren wie Kfz, Elektro und Elektronik, Stahl, Pharma und Textil einen Bonus, wenn sie ihre lokale Produktion steigern. Voraussetzung hierfür sind Investitionen in Neukapazitäten und Fertigungstechnologien. In diesem und im nächsten Finanzjahr sollen Firmen, die am PLI-Programm teilnehmen, 18 Milliarden US$ in zusätzliche Kapazitäten investieren, schätzt die Ratingagentur ICRA.
Nachfrage nach Werkzeugmaschinen wieder auf Vorkrisenniveau
Davon profitieren auch die Hersteller von Industrieausrüstung. Der Umsatz im Maschinenbau könnte bis 2025 auf 115 Milliarden zulegen - 2019 waren es 92 Milliarden US$. Der Absatz von lokal gefertigten Werkzeugmaschinen soll 2022/2023 um 20 Prozent auf 1,2 Milliarden US$ steigen, schätzt die Indian Machine Tool Manufacturers' Association (IMTMA). Die Importe erzielten in den ersten neun Monaten 2022/2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein nominales Plus von 4 Prozent. Mit der geplanten Ausweitung des PLI-Programms auf bis zu zehn weitere Produktgruppen wie E-Bikes, Smartphones und Spielwaren dürfte die Nachfrage in dem Segment zusätzliche Wachstumsimpulse erhalten, so die Einschätzung von IMTMA.
Der Verband erwartet für die nächsten zwei Finanzjahre Absatzzuwächse um die 10 Prozent. Geplante Investitionen in wichtigen Abnehmerbranchen wie der Kfz- und Zulieferindustrie und der Metallverarbeitung dürften die Nachfrage nach Werkzeugmaschinen steigern. Auf der anderen Seite treibt Indien die Transformation zur Elektromobilität voran. Bis 2030 sollen 30 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge mit Strom fahren. Autokonzerne wie Tata, Bajaj und Mahindra investieren bereits kräftig in Fertigungslinien für batteriebetriebene Modelle, bei deren Produktion weniger Präzisionswerkzeuge benötigt werden als bei Verbrennern.
Indien fährt Investitionen im Infrastruktursektor hoch
Indiens Regierung hat in ihrem Bundeshaushalt für das Finanzjahr 2023/2024 beschlossen, die Kapitalinvestitionen um ein Drittel anzuheben auf umgerechnet 121 Milliarden US$. Mit den zusätzlichen Mitteln sollen weitere Projekte im Infrastruktursektor angeschoben werden. Aktuell befinden sich rund 9.000 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von 1,4 Billionen US$ in der Pipeline. Der Infrastruktursektor bleibt die treibende Kraft hinter der Nachfrage nach Maschinen und Anlagen. Der Absatz von Ausrüstung für die Energieerzeugung wird bis 2025 auf 72 Milliarden US$ steigen, so die Prognose der India Electrical and Electronics Manufacturers Association - 2021 lag der Umsatz noch bei 50 Milliarden US$.
Die Investitionen in die Transportinfrastruktur, allen voran im Straßen- und Schienenbau, sorgen für eine lebhafte Nachfrage bei Baumaschinen. Das Segment befindet sich nach zwei Corona-bedingt mittelmäßigen Jahren wieder auch Wachstumskurs. Für 2022/2023 erwartet die Indian Construction Equipment Manufacturers' Association (ICEMA) ein Plus von 25 Prozent. In den ersten neun Monaten des Finanzjahres wurden 68.095 Baumaschinen in Indien verkauft, eine Steigerung um 26 Prozent im Vergleich zur Vorperiode. Der Verband sieht Indien auf dem Weg zum zweitgrößten Markt für Baumaschinen weltweit. Bis 2030 könnte der jährliche Absatz auf 250.000 Einheiten zulegen.
Mehr Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen benötigt
Auch in anderen Maschinensparten stehen die Zeichen weiter auf Wachstum. Der Bedarf an Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen profitiert von der steigenden Nachfrage nach verarbeiteten Lebensmitteln und den lebhaften Investitionen im Pharmasektor. Der Anteil verarbeiteter Produkte am 400 Milliarden US$ schweren Nahrungsmittelmarkt liegt bei 15 Prozent und bietet damit Wachstumspotenzial für Automatisierung, so die Boston Consulting Group. Indien will seine starke Position bei der globalen Arzneimittelproduktion ausbauen. Bis 2030 dürfte sich das Marktvolumen auf 130 Milliarden US$ nahezu verdreifachen, schätzt die Indian Pharmaceutical Alliance.
Industrieautomatisierung mit Wachstumspotenzial
Der Automatisierungstrend in der indischen Industrie hat sich im Zuge der COVID-Pandemie beschleunigt. Der mögliche Aufbau von Fertigungskapazitäten auf dem Subkontinent durch internationale Konzerne, die ihre Lieferketten diversifizieren wollen, könnte für zusätzlichen Schub in diesem Segment sorgen. Indien hat bei der Automatisierung noch Nachholbedarf, zählt aber beispielsweise bei Industrierobotern weltweit zu den Märkten mit den höchsten Zuwächsen. So legten die Neuinstallationen 2021 gegenüber dem Vorjahr um 54 Prozent auf knapp 5.000 Einheiten zu nach Daten der International Federation of Robotics (IFR).
Auf der einen Seite unterstützt die Regierung Investitionen in neue Fertigungstechnologien. Andererseits besteht dadurch auch die Gefahr, dass weniger qualifizierte Arbeitsplätze im Industriesektor geschaffen werden.
Von Boris Alex
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New Delhi