Der indische Hochbau hat sich 2022 positiv entwickelt. Die Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeimmobilien zieht trotz höherer Baukosten und Zinsen weiter an.
Wohnungsbau legt 2022 erneut kräftig zu
Die indische Bauindustrie bleibt auf Wachstumskurs. Das Bauvolumen dürfte bis 2025 zwischen 6 und 7 Prozent jährlich zulegen, so die Prognose von Invest India. Zwar bleibt der Infrastruktursektor die treibende Kraft für die Branche, aber auch der Wohnungs- und Gewerbebau entwickeln sich positiv. Die Urbanisierung treibt die Nachfrage nach Wohnraum in den indischen Ballungszentren voran. Bis 2030 soll die Bevölkerung in den Städten um ein Fünftel auf 600 Millionen und bis 2050 weiter auf 800 Millionen Menschen zulegen, schätzt die Weltbank. Die Builders Association of India schätzt, dass in den nächsten 30 Jahren 100 Millionen Wohneinheiten in den Städten gebaut werden müssen.
Der Wohnungsbau hatte sich 2021 nach einem Corona-bedingten Rückgang im Jahr davor wieder erholt. Der positive Trend am Immobilienmarkt hat sich im 1. Halbjahr 2022 weiter gefestigt. So legten die Baubeginne von Wohnungen und Häusern in den acht größten Ballungsgebieten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 56 Prozent auf 160.806 Einheiten zu, so die Daten von Knight Frank Research. Der Verkauf von Neubauten verzeichnete im betrachteten Zeitraum ein Plus von 60 Prozent auf 158.705 Wohnungen und Häuser.
Immobiliennachfrage trotz Preissteigerungen und Leitzinserhöhung stabil
Die Befürchtung der Unternehmen, dass sich die im Zuge des Ukrainekriegs gestiegenen Preise für Energie und für Baustoffe wie Stahl und Zement negativ auf die Bauaktivitäten auswirken könnten, ist bislang nicht eingetreten. Branchenschätzungen zufolge dürften die Baukosten 2022 um bis zu 15 Prozent über dem Vorjahresniveau liegen. Auch die Anhebung des Leitzinses hat nicht zu einem Rückgang der Immobiliennachfrage geführt. Seit Anfang Mai 2022 hat die indische Zentralbank, Reserve Bank of India, die Repo Rate schrittweise um 185 Basispunkte auf 6,25 Prozent (Stand 8. Dezember 2022) angehoben. Dies dürfte allerdings die positiven Aussichten für den Haus- und Wohnungsmarkt kaum eintrüben, so die Einschätzung der State Bank of India.
In dem aus Sicht deutscher Branchenunternehmen besonders relevanten Premiumsegment wächst die Nachfrage überdurchschnittlich stark. Im 3. Quartal 2022 legten in den Ballungszentren die Baubeginne von Wohnimmobilien ab einem Bauwert von 175.000 US-Dollar (US$) gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15 Prozent auf 6.688 Einheiten zu, analysiert der Immobiliendienstleister JLL India. Die Bauvorhaben beschränken sich dabei nicht mehr nur auf Metropolen wie Mumbai und Bengaluru oder die Hauptstadtregion New Delhi. Trident Reality will beispielsweise 370 Millionen US$ in eine 80 Hektar große Luxuswohnanlage in Panchkula (Bundesstaat Haryana) investieren.
Milliardenschweres Stadtentwicklungsprojekt in Mumbai geplant
Die Bau- und Immobilienbranche erwartet zusätzliche Wachstumsimpulse durch die Entwicklung des Dharavi-Slums in Mumbai. Ende November 2022 hatte der indische Mischkonzern Adani Group den Zuschlag für das Projekt erhalten. Bis 2040 sollen auf dem 2,5 Quadratkilometer großen Gebiet Wohn- und Geschäftshäuser mit einer Fläche von rund 1 Million Quadratmetern entstehen. Zudem müssen für die Umsiedlung von 68.000 Bewohnern Ersatzwohnungen an anderer Stelle gebaut werden. Adani wird 615 Millionen US$ für das Bauland zahlen. Die Gesamtinvestitionen werden auf 3,4 Milliarden US$ geschätzt.
Bedarf an neuer Bürofläche und Industriebauten zieht wieder an
Mit dem Ende der Coronabeschränkungen kehren die Beschäftigten in ihre Büros zurück und der Markt für Gewerbeimmobilien zieht wieder an. Im 1. Halbjahr 2022 wurden in den acht größten Städten 2,2 Millionen Quadratmeter an neuer Bürofläche fertiggestellt, 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der positive Trend dürfte sich weiter fortsetzen, so die Einschätzung von DLF. Der Immobilienentwickler erwartet, dass bis 2025 jährlich zwischen 2,8 Millionen und 3,3 Millionen Quadratmeter an neuer Büroflächen auf den Markt kommen dürften.
Der Bedarf an Industriebauten zieht wegen geplanter Großinvestitionen unter anderem in der Elektro- und Elektronikindustrie, dem Automobilsektor und der chemischen Industrie ebenfalls wieder an. Der boomende IT- und Telekommunikationssektor sorgt zudem für eine steigende Nachfrage nach Rechenzentren. JLL India erwartet in diesem Segment bis 2024 Investitionen in Höhe von 5,5 Milliarden US$. Bis 2025 werden zudem weitere 18,5 Millionen Quadratmetern an zusätzlicher Lagerhausfläche benötigt, prognostiziert die Associated Chambers of Commerce and Industry of India.
Zahlreiche neue Einkaufszentren geplant
Auch im Einzelhandel stehen die Zeichen auf Wachstum. Im Jahr 2022 sind knapp 1 Million Quadratmeter an neuer Gewerbefläche in 15 Einkaufszentren hinzugekommen - fast doppelt so viel wie in der Vorperiode, so eine Analyse von Anarock. Für 2023 erwartet der Immobiliendienstleister die Eröffnung von weiteren 16 Malls mit einer Verkaufsfläche von 674.000 Quadratmetern. Einer der größten Projektentwickler in diesem Segment, Phoenix Mills, will seine Einzelhandelsfläche bis 2026 auf 1,2 Millionen Quadratmeter nahezu verdoppeln. Dabei werden immer mehr Malls in kleineren Millionenstädten (Tier-2- und Tier-3-Cities) wie Indore, Nagpur, Udaipur und Vadodara gebaut.
Gebäude bieten Potenzial für Energieeinsparung
Der Energieverbrauch in Indiens Gebäudesektor steigt jedes Jahr um etwa 3 Prozent. Mit dem 2017 verabschiedeten Energy Conservation Building Code (ECBC) soll der Verbrauch von gewerblichen und öffentlichen Neubauten bis 2030 um bis zu 50 Prozent gegenüber 2017 reduziert werden. Mit der Energy Conservation (Amandment) Bill 2022 wurde die gesetzliche Grundlage dafür gelegt, dass die ECBC-Bauvorschriften künftig auch auf Wohngebäude angewendet werden können. Der Absatz von Smarthome-Technik könnte sich bis 2025 auf 9 Milliarden US$ verdreifachen. Das Segment Energiemanagement soll bis 2026 Jahren von 150 Millionen auf 410 Millionen US$ zulegen, so die Prognose von Statista.
Ausgewählte Hochbauprojekte in Indien (Investitionen in Millionen US-Dollar)Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Projektträger |
---|
Gurugram Global City / Stadtentwicklungsprojekt in Grurugram (Haryana) | 12.125 | Frühe Planungsphase; Landerwerb verzögert sich; Finanzierung noch offen | Haryana State Industrial & Infrastructure Development Corporation Limited (HSIIDC) |
India International Convention and Expo Centre / Messe- und Kongresszentrum in New Delhi | 4.000 | Bauphase; Ende der 1. Projektphase 2022; Fertigstellung: 2024 | KINTEX |
Dharavi Development Project / Stadtentwicklungsprojekt in Mumbai | 3.400 | Ausschreibung abgeschlossen; Laufzeit des Projekts bis 2039 | Adani Group |
Central Vista Redevelopment Project / Neubau des Regierungsviertels in New Delhi | 2.400 | Baubeginn: 2021; weitere Teilausschreibungen in Planung; Fertigstellung: 2024 | Central Public Works Department |
Gigafactory für Lithium-Ionen-Batterien / Telangana | 1.152 | Planungsphase; Laufzeit des Projekts bis 2032 | Amara Raja |
Luxus-Apartmentkomplex / New Delhi | 970 | Planungsphase; Baubeginn: Frühjahr 2023 | Godrej Properties |
Wohn-Gewerbe-Anlage mit 743.000 Quadratmetern / Gurugram (Haryana) | 485 | Baubeginn der 1. Projektphase mit 232.000 Quadratmeter für Anfang 2023 geplant | Elan Group |
Einkaufszentrum / Ahmedabad (Gujarat) | 364 | Planungsphase; Baubeginn Anfang 2023 | Lulu Group |
Industrie- und Logistikpark mit Rechenzentrum / Karnataka | 303 | Planungsphase; Absichtserklärung mit Regierung von Karnataka unterzeichnet | ESR India |
Bürogebäude und Rechenzentrum / Noida (Uttar Pradesh) | 206 | Planungsphase; Baubeginn 2023 | DLF India |
Innovation Hub / Innovationscampus für Medizintechnik Digital Health in Bengaluru | 177 | Architekturwettbewerb abgeschlossen; Fertigstellung: 2025 | Siemens Healthineers; Generalplaner: Eller + Eller |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Von Boris Alex
|
New Delhi