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Markttrends
Gegen Mitte des Jahrzehnts erwartet die polnische Bauwirtschaft einen Aufschwung. Große Infrastrukturprojekte stehen an. Schon jetzt entstehen viele Industrie- und Lagerbauten.
09.08.2023
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Das polnische Baugewerbe durchlebt eine Schwächephase, erwartet aber wieder mehr Aufträge. Neue Mittel der Europäischen Union (EU), die Projekte co-finanziert, sollen ab 2024 stärker fließen. Polen ist ein wichtiges Land zum Near- und Friendshoring. Künftig dürften noch mehr Produktionsstätten aus Asien dorthin verlagert werden. Der US-Konzern Intel errichtet eine große Chip-Fabrik bei Wrocław (Breslau), komplementär zu der in Magdeburg. Im Wiederaufbau der Ukraine sieht Polen gute Chancen, auch als Logistikstandort.
Aufträge lassen auf sich warten
Die 20 größten Bauunternehmen haben laut der Marktforschungsfirma Spectis 2023 Aufträge im Gesamtwert von 15 Milliarden Euro in ihren Büchern (auf Złoty-Basis real mindestens -10 Prozent gegenüber 2022). Das Zugpferd sind derzeit öffentliche Investitionen aus bestehenden Verträgen mit inländischer Finanzierung. Das betrifft Gemeindeprojekte und den Straßenbau.
Die Seehäfen werden weiter ausgebaut. Neuen Bahn- und Energieprojekten fehlen dagegen EU-Mittel aus dem Haushalt 2021 bis 2027, die erst nach einer Vorlaufphase kräftig fließen. Für Polen vorgesehene Mittel aus dem Corona-Aufbaufonds hält die EU wegen des Streits über die Rechtstaatlichkeit weiter zurück. Großvorhaben im Energiesektor sind Offshore-Windparks und das erste Kernkraftwerk.
Besonders dynamisch entwickelt sich die Errichtung von Industrie- und Lagerhallen. Nach der Coronaflaute entstehen nun wieder Hotels und Einkaufszentren, vor allem Handelsparks. Mitte 2023 befanden sich laut Savills 438.500 Quadratmeter Einzelhandelsfläche im Bau. Auch der Bau von Bürohäusern kommt allmählich wieder in Gang.
Laut dem Statistischen Hauptamt GUS wurden 2022 rund 22.700 neue Nichtwohnungsgebäude übergeben (+0,6 Prozent gegenüber 2021). Zusammen mit Erweiterungen bestehender Gebäude wurden 15,9 Millionen Quadratmeter fertig gestellt (+12,6 Prozent). Davon entfielen 55 Prozent auf Industrie- und Lagerbauten.
Der derzeit schwache Auftragseingang führt zu einem Preiskampf unter den Bietern, und das bei steigenden Kosten. In Zahlungsschwierigkeiten geraten bislang vor allem kleinere, mit dem Wohnungsbau befasste Betriebe.
betrug der Wert der 2022 in Polen erbrachten Bauleistungen.
Einen großen Anteil an den Bauinvestitionen haben Unternehmen. Größere ab 50 Mitarbeitern investierten im 1. Quartal 2023 laut GUS gut 3,2 Milliarden Euro in Bauten (auf Złoty-Basis real +4,9 Prozent gegenüber dem 1. Quartal 2022) bei Investitionen von insgesamt gut 9,1 Milliarden Euro (+7,2 Prozent). Im Jahr 2022 hatten sie 16,3 Milliarden Euro in Bauten investiert. Sämtliche, auch kleinere, Unternehmen brachten gleichzeitig dafür gut 44,2 Milliarden Euro auf (-4,1 Prozent gegenüber 2021). Die Bauwirtschaft selbst (Unternehmen ab 50 Mitarbeitern) investierte im 1. Quartal 2023 rund 149 Millionen Euro und im Jahr 2022 rund 807 Millionen Euro.
Kennziffer | 2021 | 2022 | Veränderung 2022/21 |
---|---|---|---|
Wert der erbrachten Bauleistungen insgesamt | 25,6 | 30,0 | 19,9 |
Hochbau | 12,3 | 14,9 | 24,6 |
Wohneinheiten | 4,6 | 5,8 | 29,4 |
Andere Gebäude | 7,7 | 9,1 | 21,8 |
Industrie-/Lagerhallen | 3,2 | 3,9 | 24,8 |
Tiefbau | 13,4 | 15,1 | 15,5 |
Straßen, Autobahnen | 4,8 | 5,7 | 22,8 |
Überland-Pipelines, Telekom-/Hochspannungsleitungen | 1,7 | 2,1 | 31,0 |
Lokale Pipelines, Verteilungskabel | 2,2 | 2,0 | -4,2 |
Bahnlinien | 1,7 | 1,8 | 7,4 |
Sinkende Baugenehmigungen deuten auf eine Abschwächung des Baus von Gebäuden und Ingenieurobjekten hin. Für den Bau von Nichtwohnungsgebäuden wurden 2022 laut GUS 30.900 Genehmigungen erteilt oder Entwürfe eingereicht (-11,7 Prozent gegenüber 2021) und für den von Ingenieurobjekten zu Land und zu Wasser 46.600 (-14,5 Prozent). Von der geplanten Gebäudefläche von 20,4 Millionen Quadratmetern (-0,2 Prozent) entfielen 11,2 Millionen auf Industrie- und Lagerbauten.
Die Anzahl der 2022 fertig gestellten Wohneinheiten stieg laut GUS gegenüber 2021 noch um 1,6 Prozent auf 238.490. Im 1. Halbjahr 2023 wurden 111.873 Einheiten übergeben (+2,5 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2022). Im Bau befanden sich Mitte 2023 aber nur noch rund 806.800 Einheiten (-8,5 Prozent gegenüber Mitte 2022). Insgesamt 298.000 Baugenehmigungen wurden 2022 erteilt, beziehungsweise es wurden Entwürfe eingereicht (-12,6 Prozent), im 1. Halbjahr 2023 rund 111.900 (-34,7 Prozent). Die seit dem Krieg in der Ukraine in Polen gestiegenen Preise und Kreditzinsen (Inflation 2022: 14,4 Prozent) verteuerten die Anschaffung von Wohneigentum und das Bauen erheblich.
Zinssubventionen für Wohnungsbaukredite
Nun soll ein staatliches Programm den Wohnungsbau wieder ankurbeln, das stark vergünstigte Kredite mit einer Verzinsung von 2 Prozent anbietet. Kreditwürdige Personen unter 45 Jahren können für ihre erste eigene Wohneinheit (Wohnung, Haus oder Grundstück) ohne geforderten Eigenanteil einen Kredit in Höhe von maximal 112.000 Euro bei Singles und 135.000 Euro bei Eltern mit mindestens einem Kind aufnehmen. Dieser wird zehn Jahre lang von der staatlichen Förderbank BGK (Bank Gospodarstwa Krajowego) bezuschusst, die die Differenz zu den marktüblichen Zinssätzen übernimmt. Der freiwillige Eigenanteil darf 45.000 Euro nicht übersteigen. Bezüglich der Wohnungsgröße gibt es keine Beschränkungen.
Seit Anfang Juli 2023 können Anträge für eine Förderung im Rahmen dieses Programms „Sicherer Kredit 2 Prozent“ (Bezpieczny Kredyt 2 Procent) eingereicht werden. Das Interesse ist groß. Gegen Ende Juli 2023 bestanden 250 zinsvergünstigte Verträge zwischen Geschäftsbanken und Kreditnehmern. Circa 12.500 weitere Anträge lagen laut dem Minister für Entwicklung und Technologie, Waldemar Buda, vor. Deren Anzahl soll sich noch vervielfachen. Im 1. Halbjahr 2023 wurden laut dem Kreditinformationsbüro (Biuro Informacji Kredytowej, BIK) insgesamt nur rund 55.100 marktübliche Wohnungsbaukredite erteilt (mengen- und wertmäßig etwa -40 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2022).
Gute Chancen für deutsche Branchenunternehmen
Deutsche Unternehmen haben gute Zulieferchancen auf dem polnischen Markt. Moderne Baulösungen und –technik sind gefragt, gerade auch für Heizungen und nachhaltige Bauweisen sowie für Ingenieurobjekte. Deutschland liefert Baustoffe und Baumaterialien, etwa für technische Installationen, sowie Baumaschinen und -geräte nach Polen. Kleinere Handwerksbetriebe können insbesondere im grenznahen Raum zum Zuge kommen. Bestellungen für spezielle Anfertigungen können auch aus ganz Polen kommen.
Spectis schätzt den Gesamtwert der 960 größten Investitionen in Polen 2023 auf 195 Milliarden Euro, davon 34 Milliarden Euro im Bau und 161 Milliarden Euro in Planung.
Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Zentraler Großflughafen CPK | 6.900 | Planung, fertig 2027 | Centralny Port Komunikacyjny (CPK) |
Montage- und Testzentrum, Miękinia bei Wrocław | 4.200 | Planung, fertig 2027 | US-Chip-Hersteller Intel |
Tiefwasser Container Terminal beim Hafen Świnoujście und Vertiefung Wasserstraße dorthin | 2.315 | Planung, fertig 2029 | Hafenverwaltung Szczecin-Świnoujście, belgisch-katarisches Konsortium Deme Concession NV, Qterminals W.L.L. |
Hotelkomplex Woźniak Resort & Spa, Kołobrzeg | Keine Angaben | Baubeginn, fertig 2025 | Seamed Sp.z o.o., Fermy Drobiu Woźniak Sp.z o.o. |
Fabrik für Wärmepumpen, Dobromierz, Niederschlesien | 270 | Planung, fertig Ende 2025 / Anfang 2026 | Robert Bosch GmbH |
Krankenhauskomplex, Gliwice | 244 | Planung, fertig 2027 | Stadt Gliwice |
Büro-Rundbau The Form, Warschau, 28.000 qm | keine Angaben | Baubeginn, fertig Ende 2024 | Lincoln Property Company Poland, Porr S.A. |