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Markttrends
Die Bauindustrie hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Hohe Zinsen, teure Materialien und fehlende Gelder trübten die Auftragslage. Doch jetzt scheint sich das Blatt zu wenden.
14.02.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Die staatlichen Infrastrukturgesellschaften Polens kündigen für das Jahr 2025 eine Reihe von Großprojekten an. Das Unternehmen PKP PLK macht den Aufschlag. Der Betreiber des Schienennetzes veröffentlichte im Januar 2025 eine große Ausschreibung.
Das erste Vorhaben betrifft die Bahnstrecke zwischen den Städten Białystok und Ełk im Nordosten Polens. PKP PLK sucht einen Auftragnehmer, der den Abschnitt modernisiert. Der Gegenwert der Maßnahme liegt geschätzt bei 1,4 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr 2025 werde das Unternehmen Projekte im Wert von insgesamt 3,5 Milliarden Euro ausschreiben, sagt der PKP PLK Vorstand.
Anteil der Bauwirtschaft an Polens Bruttoinlandsprodukt
Ähnlich ambitioniert zeigt sich der Betreiber des Fernstraßennetzes GDDKiA (Generalna Dyrekcja Dróg Krajowych i Autostrad). Die staatliche Gesellschaft will Bauvorhaben im Wert von mindestens 3,1 Milliarden Euro ausschreiben. Der Betrag kann noch steigen, wenn die Umweltbehörden weitere Strecken freigeben. Zu den wichtigsten Vorhaben gehört der Bau einer dritten Fahrspur auf der Autobahn A2 zwischen Warschau und der zentralpolnischen Stadt Łódź. Voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte 2025 veröffentlicht GDDKiA eine Ausschreibung.
Positive Signale nach einem schwierigen Jahr
Die Infrastrukturprojekte kommen Polens Bauindustrie gerade recht, denn die Bauproduktion sank zwischen dem 1. und 3. Quartal 2024 um 7 Prozent. Das meldet die europäische Statistikbehörde Eurostat. Wenig überraschend gehen auch die Brancheneinnahmen zurück. Wie Polens Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) berichtet, schrumpften die Umsätze besonders bei den Straßenbauunternehmen und in den Ausbaugewerken. Zwischen Januar und September 2024 lag das Minus in beiden Segmenten bei 10,5 Prozent. Die Statistik berücksichtigt Firmen ab 50 Mitarbeitern.
Der Beratungskonzern Deloitte begründet den Rückgang mit fehlenden EU-Mitteln. Die Europäische Kommission hatte erst im Frühjahr 2024 wichtige Förderprogramme freigegeben, nachdem Polens Regierung einen Konflikt über den Zustand des Rechtsstaates beilegen konnte. Jetzt fließen die neuen Gelder. Sie werden laut Deloitte mit dazu beitragen, dass sich der Bausektor 2025 erholt.
Neben den Ausschreibungen von PKP PLK und GDDKiA gibt es weitere Anzeichen für einen Aufschwung. Die Baugenehmigungen im Hochbau stiegen in den ersten neun Monaten 2024 um 12,3 Prozent. Baugenehmigungen von heute sind die Baustellen von morgen. Insbesondere der Wohnungsmarkt gewinnt wieder an Fahrt – und das, obwohl Polens Wirtschaftsministerium im Dezember 2024 ein geplantes Förderprogramm absagte. Es versprach einen Zinssatz von null Prozent auf bestimmte Immobilienkredite.
Baugewerbe bleibt konjunkturabhängig
Der Aufschwung hat einen Wermutstropfen: Das Wachstum im Wohnungsmarkt hängt auch mit dem niedrigen Ausgangswert zusammen, denn 2023 waren die Baugenehmigungen eingebrochen. Außerdem wachsen nicht alle Bausegmente. Wie das Maklerbüro CBRE berichtet, schrumpft die Zahl der neu begonnenen Industriebauten und Bürogebäude. Baufirmen bestätigen diese Entwicklung im Gespräch mit GTAI. Unternehmen reduzieren ihre Ausgaben für Immobilien, weil die Bestellungen in der Industrie stagnieren.
Kennziffer | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/22 |
---|---|---|---|
Wert der erbrachten Bauleistungen insgesamt | 30,5 | 35,4 | 16,1 |
Hochbau | 15,0 | 15,6 | 4,0 |
Wohneinheiten | 5,3 | 5,3 | 0,0 |
Andere Gebäude | 9,7 | 10,3 | 6,2 |
Industrie-/Lagerhallen | 4,5 | 4,2 | -6,7 |
Tiefbau | 15,4 | 19,8 | 28,6 |
Straßen, Autobahnen | 5,7 | 7,8 | 36,8 |
Überland-Pipelines, Telekom-/Hochspannungsleitungen | 2,4 | 2,9 | 20,8 |
Lokale Pipelines, Verteilungskabel | 2,2 | 2,8 | 27,3 |
Bahnlinien | 1,8 | 2,1 | 16,7 |
Trotz allem bleiben die Aussichten für die Baubranche als Ganzes positiv. Laut dem Marktforschungsunternehmen Spectris wird der Wert des Bausektors in Polen in den Jahren 2025 und 2026 um insgesamt 13,3 Prozent wachsen. Neben den EU-Geldern, den Infrastrukturprojekten und der Situation im Wohnungsmarkt verweist Spectris auf einen weiteren Treiber: die geplanten Großinvestitionen.
Finanzierung ist nicht die einzige Herausforderung
Zu den größten Vorhaben zählt der Flughafen CPK (Centralny Port Komunikacyjny) zwischen Warschau und Łódź. Im Januar 2025 erhielt die staatliche Projektgesellschaft eine Standortentscheidung. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um eine Vorstufe für die Baugenehmigung. Das Luftfahrt-Drehkreuz kostet laut den Plänen der Projektgesellschaft rund 10 Milliarden Euro. Neben den hohen Kosten gibt es noch eine weitere Herausforderung: weniger als 50 Prozent der geplanten Fläche des CPK gehören der Projektgesellschaft. Nicht alle Eigentümer sind bereit, zu verkaufen.
Das Flughafenprojekt beinhaltet auch den Bau einer Schienenstrecke für Hochgeschwindigkeitszüge. Sie führt unter anderem von Warschau über den CPK nach Łódź. Laut Projektgesellschaft kosten die Schienen-Investitionen rund 17,9 Milliarden Euro. Die Summe beinhaltet einen Tunnel unter der Stadt Łódź. Im Rahmen einer Ausschreibung hat das Unternehmen PORR das günstigste Angebot vorgelegt. Es beträgt 510 Millionen Euro brutto. Die CPK-Projektgesellschaft hat noch keinen Gewinner bekanntgegeben.
Ein weiteres Großprojekt wartet auf grünes Licht von der Europäischen Kommission. Polen will östlich der Hafenstadt Gdańsk ein Atomkraftwerk bauen. Staatliche Beihilfen sollen einen Teil der Kosten in Höhe von insgesamt 45 Milliarden Euro decken. Dafür braucht Polen eine Genehmigung der Kommission. Ein entsprechender Antrag liegt bereits in Brüssel. Die staatliche Projektgesellschaft hinter dem Atomvorhaben hofft auf eine Rückmeldung im Laufe des Jahres 2025. Neben der Kernenergie spielt die Offshore-Windenergie im Jahr 2025 eine große Rolle. Bereits im 1. Quartal des Jahres will der Öl- und Gaskonzern Orlen mit dem Bau des ersten Offshore-Parks vor Polens Küste beginnen.
Parallel zu den Offshore-Investitionen wachsen die Häfen in Polen. Die Baltic Hub Gesellschaft in Gdańsk stellt 2025 das Container Terminal T3 fertig. Solche Bauarbeiten stehen dem Hafen von Świnoujście noch bevor. Anfang Februar 2025 erhielten die Hafen-Gesellschaft und private Partner eine Umweltgenehmigung für ein geplantes Containerterminal.
Auch im Hafen von Gdynia sollte ein neues Containerterminal als öffentlich-private Partnerschaft entstehen. Die Hafenbehörde hat eine Ausschreibung jedoch bereits zum fünften Mal verschoben, diesmal auf Juni 2025. Der Grund seien technisch notwendige Änderungen in den Unterlagen. Laut der Tageszeitung Rzeczpospolita spielen auch Sicherheitsbedenken eine Rolle. Ein chinesisches Unternehmen hat sich für die Ausschreibung qualifiziert.
Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Atomkraftwerk, Choczewo, Pommern | 4.520 | Planung, fertig 2036 | Polskie Elektrownie Jądrowe (PEJ) |
Tiefwasser Container Terminal beim Hafen Świnoujście und Vertiefung Wasserstraße dorthin | 3.180 | Planung, fertig 2029 | Hafenverwaltung Szczecin-Świnoujście, belgisch-katarisches Konsortium Deme Concessions NV, QTerminals W.L.L., Urząd Morski w Szczecinie |
Zentraler Großflughafen CPK, Baranów, Masowien | 3.100 | Planung, fertig 2032 | Centralny Port Komunikacyjny (CPK) |
Modernisierung der Bahnlinie Białystok-Ełk (Rail Baltica) | 1.413 | Ausschreibung, fertig 2029 | PKP Polskie Linie Kolejowe (PKP PLK) |
Krankenhauskomplex, Wrocław | 353 | Baubeginn, fertig 2028 | Dolnośląskie Centrum Onkologii, Pulmunologii i Hematologii (DCOPiH) |
Fabrik für Wärmepumpen, Dobromierz, Niederschlesien | 280 | Baubeginn, fertig Ende 2025 / Anfang 2026 | Robert Bosch GmbH |
Fabrik für kleine Hausgeräte, Rudna Wielka bei Rzeszów | 140 | Baubeginn, fertig Mitte 2026 | BSH Home Appliances |