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Südkorea soll 2025 Bauaufträge für 40 Milliarden US$ erhalten
Die Aufträge der Baufirmen im Ausland stiegen 2024 das dritte Jahr in Folge. Die Hälfte der Vorhaben stammt aus einer Region. Künftig will Südkorea mehr Reaktoren bauen.
19.02.2025
Von Katharina Viklenko | Seoul
Die schwache Baukonjunktur in Südkorea treibt Baufirmen verstärkt auf ausländische Märkte. Im internationalen Baugeschäft sind Anbieter des Landes stark aktiv: Gemessen am Umsatz 2023 waren unter den 20 größten Baufirmen weltweit zwei südkoreanische Unternehmen. Im Jahr 2024 verbuchte Südkorea insgesamt 606 Aufträge für 37,1 Milliarden US-Dollar (US$). Das ist der höchste Bestellungseingang seit 2015. Laut dem Ministry of Land, Infrastructure and Transport (MOLIT) und der International Contractors Association of Korea (ICAK) entsprach dies einem Plus von 11,4 Prozent gegenüber 2023. Kumulierte Bestellungen sämtlicher Auftragseingänge von 1965 bis einschließlich 2024 im südkoreanischen Auslandsbau überschritten die 1-Billion-US$-Marke.
Vorhaben sollen weiter steigen
Laut dem Verband ICAK, der sich auf IHS Markit beruft, soll das weltweite Baugeschäft 2025 um 2,1 Prozent zulegen. Neben dem Nahen Osten ist Afrika eine dynamische Region mit zweistelligen Zuwachsraten. Die Auslandsaufträge südkoreanischer Anbieter dürften 2025 gemäß der Prognose der Export-Import Bank of Korea auf 40 Milliarden US$ ansteigen. Gegenüber dem Vorjahr entspräche dies einem Wachstum von fast 8 Prozent. Zum einen werden sich weltweit sinkende Zinsen und damit niedrigere Baukosten positiv auf das globale Geschäft auswirken. Zum anderen dürften sich südkoreanische Firmen angesichts der schwachen nationalen Baukonjunktur stärker auf das Auslandsgeschäft fokussieren. Außerdem kommt südkoreanischen Unternehmen staatliche Förderung der eigenen Regierung bei Projekten auf Auslandsmärkten zugute.
Die Prognose ist jedoch mit Unsicherheit behaftet. Die instabile Lage im Nahen Osten könnte sich auf Auftragsvergaben aus der Region auswirken. Daneben ist die ursprüngliche Euphorie um Aufträge im Rahmen des Megaprojekts NEOM in Saudi-Arabien einer nüchternen Zwischenbilanz gewichen: Der Fortschritt der meisten Projekte ist schwer zu prognostizieren. Teils hat Saudi-Arabien die ehrgeizigen Pläne zurückgeschraubt.
Saudi-Arabien ist wichtiger Auftraggeber
Südkoreanische Baufirmen sind in unterschiedlichen Sektoren aktiv – angefangen bei Gaskraftwerken und Entsalzungsanlagen, über Stromleitungen und Hotelbau, bis hin zu Anlagen für Aufbereitung von Abwasser oder Solar. Rund die Hälfte des Auftragswertes 2024 entfiel auf den Nahen Osten, darunter der Großteil auf Saudi-Arabien, gefolgt von Katar. In Europa erzielten südkoreanische Bauunternehmen mit knapp 5 Milliarden US$ ihr bisher zweitbestes Ergebnis in dieser Region. Nur im Jahr 2014 war das Neugeschäft mit 6,8 Milliarden US$ höher.
Weniger Bestellungen kamen hingegen aus Nordamerika und aus afrikanischen Ländern. Noch 2023 waren die USA für Südkorea erstmals die bedeutendste Kundenregion, 2024 schrumpften die Neuvorhaben auf etwas mehr als ein Drittel des Vorjahres zurück. Der Rekordwert 2023 basiert teils auf Investitionen südkoreanischer Firmen in den USA bei Kfz, Halbleiter und Batterien für E-Autos, die für den Bau ihrer Werke gerne auf Anbieter der eigenen Firmengruppe zurückgreifen. Die erste Investitionswelle infolge des Inflation Reduction Act und des Chips Act ist abgeschlossen. Weitere Investitionen verzögern sich, da nach dem Amtsantritt von Präsident Trump Unsicherheiten bezüglich der weiteren US-Förderung bestehen.
Nach Ländern betrachtet waren Saudi-Arabien im Jahr 2024 größter Auftraggeber mit 11,9 Milliarden US$, gefolgt von Katar mit 4,8 Milliarden US$, den USA mit 3,7 Milliarden US$, Ungarn mit 2,7 Milliarden US$ und Serbien mit 1,7 Milliarden US$.
Dienstleistungen gewinnen an Bedeutung
Das bereits traditionell größte Geschäftsfeld – der Bau von Industrieanlagen, Kraftwerken und Raffinerien – gewann 2024 deutlich an Bedeutung. Fast halbiert hat sich hingegen das Neugeschäft im Hochbau. Der Tiefbau verharrte auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie schon 2023. Besonders kräftig stiegen die Aufträge für Telekommunikation. Auch der Wert für Baudienstleistungen betrug mehr als das Doppelte des Vorjahres.
Größte Industrieanlage in Saudi-Arabien
Die größte Bestellung 2024 erhielten Hyundai E&C sowie GS E&C zur Erweiterung der Fadhili-Gasförderanlage in Saudi-Arabien. Allein für dieses Vorhaben beträgt der Auftragswert knapp 7,3 Milliarden US$.
Projekt | Wert | Firma | Anmerkungen |
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Erweiterung der Fadhili-Gasförderanlage in Saudi-Arabien (Packages 1 und 4; Package 2) | 6.080 und 1.223 | Samsung E&A und GS E&C | Erweiterung des Fadhili-Gaskraftwerks; rund 80 km von Jubail entfernt; Package 1: Anlage zur Gasaufbereitung, Package 4: Utility und Offsite, Package 2: Anlage zur Rückgewinnung von Schwefel; Auftraggeber: Aramco |
Bau des Entsalzungs-Kombikraftwerks Qatar Facility E in Katar | 2.840 | Samsung C&T | Engineering, Procurement and Construction (EPC) von Entsalzungs-Kombikraftwerk mit Leistung bis zu 2.400 MW und Produktion von 500.000 Tonnen Wasser täglich; in Ras Abu Fontas, etwa 18 km südöstlich von Doha; Auftraggeber: Kahramaa |
Bau von Offshore-Ölfeldplattform in Katar (Package 13) | 1.147 | HD Hyundai Heavy Industries | EPCIC-Auftrag (Engineering, Procurement und Construction, Installation and Commissioning) für Offshore-Ölfeldplattform des Ruya-Projekts; Teil der Erweiterung des Al-Shaheen-Ölfeldes; Auftraggeber: North Oil Company (NOC) |
Bau einer Anlage für Biokraftstoffe in Malaysia | 954 | Samsung E&A | Auftrag für Phoenix Bio-Refinery Project zur Produktion von Biokraftstoffen, darunter 650.000 Tonnen nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF) pro Jahr sowie Bio-Naphtha; Auftraggeber: Petronas und weitere |
Bau von Batteriezellen-Werk für E-Autos in den USA | 896 | Hyundai E&C | Im Bundesstaat Georgia; Auftraggeber: HSAGP Energy LLC (Joint Venture von Hyundai Motor Group und SK On); Auftrag vom Februar 2024 |
Bau von 500kV-Hochspannungsleitung in Saudi-Arabien | 723 | Hyundai E&C | Bau des ersten Abschnitts von 369 km zwischen Kudmi und Riad; Gesamtlänge: 1.089 km; Fertigstellung bis 2027; Auftraggeber: Saudi Electricity Co. |
Erweiterung von Ethylen- und Propylen-Produktionsanlagen in Saudi-Arabien | 503 | SGC E&C | EPC-Auftrag in Jubail; Auftraggeber: Saudi Ethylene & Polyethylene Company |
Fokus auf Entwicklungsprojekten statt reinen Bauverträgen
Bis 2027 will Südkorea Aufträge für 50 Milliarden US$ an Land ziehen. Künftig soll der Fokus auf dem Einstieg in große Entwicklungsprojekte von Finanzierung, Lizensierung, Planung bis hin zum Bau liegen. Statt bisher einfacher Bauverträge können südkoreanische Anbieter sich so an allen Etappen eines Vorhabens beteiligen – von Design und Bau bis hin zu Management. Insgesamt soll bei Entwicklungsprojekten der Fokus auf Public-Private-Partnerships liegen, die zu mehr Vorhaben für südkoreanische Baufirmen führen. Ein Pilotprojekt ist die Dongnam New City in der Bac Ninh Provinz in Vietnam. Laut der Absichtserklärung auf Regierungsebene vom Juli 2024 soll ein Konsortium aus südkoreanischen Institutionen und privaten Firmen den Stadt- und Wohnungsbau in Vietnam von 2025 bis 2060 begleiten.
Helfen soll seit 2020 auch das "K-City Network Global Cooperation Program", das koreanische Firmen bei der Expansion von Smart Cities ins Ausland unterstützt. Zudem kündigte die Regierung Mitte 2024 einen zweiten PIS-Fonds (Plant, Infrastructure, Smart City) in Höhe von rund 800 Millionen US$ an. Im Rahmen des Fonds mit staatlicher Beteiligung bringen sich öffentliche Einrichtungen als Projektentwickler von Smart-Cities ein, beauftragen private koreanische Bauunternehmen mit dem Bau und unterstützen diese von der Entwicklung bis zur Fertigstellung der Projekte.
Institution | Anmerkungen |
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International Contractors Association of Korea (ICAK) | Verband; veröffentlicht Statistiken zu Auslandsbau sowie Analysen zu Risiken und Markttrends in einzelnen Ländern; darüber hinaus auch Unterstützung bei Marketing, Bildungs- und Schulungsprogrammen sowie HR-Support; Durchführung von jährlicher "Global Infrastructure Cooperation Conference" in Südkorea und Delegationsreisen |
Korea Overseas Infrastructure & Urban Development Corporation (KIND) | Umfangreiche Unterstützung zum Einstieg bei Public-Private-Partnership-Projekten, von Erstellung von Finanzierungsplan und Machbarkeitsstudien, über Finanzierung (Equity Financing und Debt Financing), bis hin zu Durchführung von Programmen (etwa K-City Network oder PIS-Fonds (Plant, Infrastructure, Smart City)) |
Korea Export-Import Bank (Korea Eximbank) | Vergibt Kredite zur Finanzierung von Bauprojekten südkoreanischer Firmen im Ausland für EPC-Aufträge; Exportförderungsdarlehen; Direktinvestitionen in Auslandsprojekte; Kapitalbeteiligungen; Sonderdarlehen zur Kapitalbeschaffung; Finanzierung von Machbarkeitsstudien; auch Garantien für Importeure im Portfolio |
Korea Trade Insurance Corporation (K-Sure) | Bietet Kreditgarantien für Export von Bau- und Ingenieurdienstleistungen sowie für notwendige Anlagegüter; Absicherung von politischen und wirtschaftlichen Risiken (Zahlungsausfall, Insolvenz des Auftraggebers) |
Kernkraft und Ukraine-Wiederaufbau als Impulse?
Langfristig will sich Südkorea beim Bau von Nuklearkraftwerken stärker in Osteuropa, etwa in Bulgarien, Tschechien und Polen, engagieren und Aufträge gewinnen. Außerdem möchte das Land die Zusammenarbeit mit US-Unternehmen bei kleinen modularen Reaktoren (SMR) ausbauen. Die südkoreanische Regierung treibt etwa den Abschluss der Kooperationsvereinbarung zum Bau zweier Reaktoren in Tschechien für rund 17 Milliarden US$ aktiv voran: Der südkoreanische Konzern Korea Hydro & Nuclear Power (KHNP) erhielt 2024 den Zuschlag, doch ein Streit um geistiges Eigentum mit dem US-Unternehmen Westinghouse Electric Company zum Einsatz von Technik brachte das Vorhaben ins Wackeln. Anfang 2025 erzielten die Parteien eine Einigung.
Daneben positionieren sich südkoreanische Baufirmen aktiv, um von Aufträgen beim Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft nach dem Krieg zu profitieren. Erste Verträge und Absichtserklärungen zu Investitionsvorhaben im Energie- und Infrastrukturbereich werden dabei von der staatlichen Korea Overseas Infrastructure & Urban Development Corporation (KIND) flankiert.
Südkoreanische Baufirmen sind häufig auch in Schwellen- und Entwicklungsländern aktiv. Für deutsche Firmen bieten Zulieferungen an südkoreanische Unternehmen Chancen, um auch in risikoreichen Ländern aktiv zu werden.