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Branche kompakt | Indien | Abfallwirtschaft

Großer Nachholbedarf schafft Absatzmöglichkeiten

Die indischen Städte produzieren immer mehr Müll. Um das Problem in den Griff zu bekommen, müssten bis 2030 mindestens 65 Milliarden US-Dollar in die Kreislaufwirtschaft fließen.

Von Boris Alex | New Delhi

  • Marktchancen

    Indien muss in die Abfallbehandlung investieren. Strengere Recycling- und Entsorgungsvorschriften bieten wachsende Geschäftschancen.

    In Indiens Städten wachsen die Müllberge

    Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Indiens hat sich auch die Müllproblematik verschärft - vor allem in den schnell wachsenden Ballungszentren. Zwar hat die Regierung seit 2015 die Ausgaben für die Kreislaufwirtschaft kontinuierlich erhöht, doch der Investitionsbedarf bleibt gewaltig. Allein in den Städten sollen sich die Siedlungsabfälle bis 2041 auf 200 Millionen Tonnen verdoppeln, prognostiziert der Verband ASSOCHAM. Um das Müllaufkommen nur in diesem Segment bewältigen zu können, müssten bis 2030 etwa 65 Milliarden US-Dollar (US$) an Investitionen in die Kreislaufwirtschaft fließen, schätzt das Ministry of Housing and Urban Affairs (MoHUA).

    Nicht nur die indischen Haushalte produzieren immer mehr Müll, auch bei Gewerbe-, Industrie- und Bauabfällen erwartet das Ministerium weiterhin starke Zuwächse. Die Coronapandemie hat zudem für einen sprunghaften Anstieg bei medizinischen Abfällen gesorgt. Seit Juni 2020 hat sich das Volumen um ein Viertel auf durchschnittlich 800 Tonnen pro Tag erhöht. Schon vor COVID-19 konnten nur etwa 80 Prozent davon umweltgerecht entsorgt werden, so dass immer mehr Krankenhausabfälle auf zum Teil illegalen Deponien landen. Beim Elektroschrott sind die Defizite noch größer. Von den 5 Millionen Tonnen, die im Finanzjahr 2019/20 (1. April bis 31. März) angefallen sind, dürften nur rund 10 Prozent umweltgerecht entsorgt worden sein, so die Einschätzung von ASSOCHAM.

    Großer Nachholbedarf bei Recycling und Entsorgung

    Zuständig für die Abfallbehandlung sind die kommunalen Verwaltungsbezirke (Urban Local Bodies) der Städte und Gemeinden. Diese müssen im Rahmen der seit 2016 geltenden Solid Waste Management Rules die Sammlung, Trennung, Behandlung und Entsorgung des Siedlungsabfalls organisieren. Indien hat zumindest bei der Sammlung in den letzten fünf Jahren beachtliche Fortschritte erzielt. Inzwischen wird in 98 Prozent der rund 86.000 Bezirke der Müll an der Türe abgeholt - und damit in doppelt so vielen wie noch 2015. Bei den weiteren Behandlungsschritten werden die Defizite allerdings immer offensichtlicher: Nur 70 Prozent des Mülls werden getrennt, knapp 60 Prozent weiterverarbeitet, 30 Prozent auf legalen Deponien entsorgt und lediglich 13  Prozent des gesamten Haushaltsmülls der Wiederverwertung zugeführt, so eine Analyse von Urban Management Consultants.

    Eckdaten zur indischen Kreislaufwirtschaft 1)

    Siedlungsabfälle (Millionen Tonnen)

    100

    .Organische Abfälle

    53

    .Papier

    11

    .Plastik

    10

    .Metall und Elektroschrott

    9

    .Glas

    4

    Sondermüll (Millionen Tonnen) 2)

    9

    Legale Deponien

    1.160

    Abfallkompostieranlagen

    1.531

    Biogas- und Biomethananlagen

    37

    Ersatzbrennstoffkraftwerke (Waste to electricity)

    26

    Anlagen zu Bauschuttbehandlung

    6

    1) Angaben für 2019; 2) Finanzjahr 2017/18Quelle: Statistikbehörde MOSPI; Recherchen von Germany Trade & Invest

    Damit eröffnen sich Geschäftschancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Kreislaufwirtschaft. Angefangen bei Müllbehältern und -fahrzeugen, die eine Trennung der Wertstoffe schon bei der Sammlung ermöglicht. Da die Abfallbehandlung bislang kaum automatisiert ist, wächst der Bedarf an Sortier- und Recyclinganlagen. Zudem soll die Rest- und Sondermüllentsorgung ausgebaut und verbessert werden. Dazu müssen bestehende Deponien versiegelt sowie Endlagerstätten und Müllverbrennungsanlagen unter anderem für medizinische Abfälle errichtet werden. Das alles dürfte für zusätzliches Wachstum in der Abfallwirtschaft sorgen. Deren Umsatz soll bis 2024 auf 3,5 Milliarden US$ zulegen, von 2,5 Milliarden US$ im Jahr 2017.

    Verbot von Einwegplastikprodukten beschlossen

    Künftig sollen die Verursacher bei der Mülltrennung stärker in die Verantwortung genommen werden. Was bereits für Unternehmen, Restaurants und Wohnungsgenossenschaften gilt, könnte bald für alle städtischen Haushalte Realität werden. Damit will Indien die Recyclingquote bei Papier, Glas und Plastik erhöhen. So werden 40 Prozent des Kunststoffabfalls nicht gesammelt und recycelt. Bis 2031 soll sich das Plastikmüllvolumen auf 31 Millionen Tonnen verdreifachen. Ab 1. Juli 2022 gilt deshalb ein Verbot von Einwegplastikprodukten wie Geschirr, Besteck und Bechern sowie von dünnen Kunststofftüten. Die Federation of Indian Chambers of Commerce & Industry (Ficci) beziffert das Geschäftspotenzial beim Plastikrecycling auf 2 Milliarden US$ pro Jahr.

    Auch bei anderen Müllsegmenten will die  Regierung die Zügel bei Herstellerverantwortung, Entsorgung und Wiederverwertung anziehen. Ziel ist es, die Abfallbehandlung in die Hände der organisierten Wirtschaft zu überführen. Im Juli 2019 hat das indische Umweltministerium einen ersten Entwurf der National Resource Efficiency Policy vorgestellt. Darin werden auch Recycling-Quoten für unterschiedliche Produkte und Wertstoffe und ein Deponieverbot für Kunststoffe, Glas und Papier bis 2025 angestrebt.

    Seit August 2021 gelten in Indien neue Regelungen für die Entsorgung von Altfahrzeugen. Bis 2023 will die indische Regierung gemeinsam mit dem Privatsektor 50 Verschrottungszentren für Kfz im ganzen Land einrichten. Der Autobauer Tata Motors hat im August 2021 den Bau einer Einrichtung in Gujarat mit einer Kapazität von 36.000 Fahrzeugen pro Jahr angekündigt. Die HDFC Bank schätzt das Geschäftsvolumen für die Fahrzeugentsorgung auf jährlich 6 Milliarden US$.

    Regierung stellt 19 Milliarden US$ für Abfallbehandlung bereit

    Für die Anbieter von Ausrüstung und Dienstleistungen für die Kreislaufwirtschaft bietet die Verlängerung der Swachh Bharat Mission-Urban (SBM-U) bis 2025/26 Geschäftschancen. Deren Ziel ist es, die Abfalltrennung beim Verursacher zu verbessern, den Plastikmüll zu reduzieren, alte Deponien zu sanieren sowie neue Müllverbrennungs- und Waste-to-Energy-Anlagen in den Städten und Biogasanlagen auf dem Land zu bauen. Die Regierung plant für das SBM-U-Programm in den nächsten fünf Jahren Budgetmittel von 19 Milliarden US$ ein. Im Rahmen des 2 Billionen US$ schweren Infrastrukturprogramms hat Invest India 128 Vorhaben entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Abfallbehandlung mit einem Investitionsvolumen von 2,2 Milliarden US$ identifiziert, die bis 2026 realisiert werden sollen.

    Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft in Indien

    Projekt

    Investition (in Mio. US$)

    Stand

    Projektträger

    Cluster-Projekt zur Abfallbehandlung (Bau von Kompostier- oder Waste-to-Energy-Anlagen) im Bundesstaat Haryana

    68,1

    Technologieoffene Ausschreibung im Oktober 2021; Fertigstellung: 2023 

    Municipal Corporation Ambala

    Bau einer Recyclinganlage für Bauschutte in Kolkata (Kapazität: 500 Tonnen/Tag)

    7,6

    Projektphase; Fertigstellung bis Ende 2022

    Hyderabad Integrated Municipal Solid WasteKolkata Municipal Corporation

    50 Entsorgungs- und Recyclingzentren für Altfahrzeuge

    k.A.

    Planungsphase; Finanzierung als PPP; erste Absichtserklärung unterzeichnet  

    Ministry of Road Transport and Highways

    Anlage zur  Produktion von Biogas aus organischen Abfällen (100 Tonnen/Tag) in New Delhi

    k.A.

    Absichtserklärung unterzeichnet; Fertigstellung bis 2023

    South Delhi Municipal Corp.Indraprastha Gas Ltd

    Bau von 3 Recycling- und Entsorgungszentren für Elektroschrott in New Delhi

    k.A.

    Planungsphase; Fertigstellung bis 2023

    Municipal Corporation of Delhi

    Bau von 14 Recyclinganlagen für Elektroschrott (Kapazität insgesamt 150.000 Tonnen/Jahr)

    k.A.

    Projektphase; Fertigstellung bis Ende 2022

    Attero Recycling

    Bau einer Recyclinganlage für Lithium-Ionen-Batterien (Kapazität: 1.000 Tonnen/Jahr) in Gujarat

    k.A.

    Planungsphase

    Hydromet Solutions

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Boris Alex | New Delhi

  • Branchenstruktur

    Die Wachstumsprognosen für die indische Abfallwirtschaft verstärken das Engagement des Privatsektors. Auch für Start-ups wird die Branche interessant.

    Umsatz in der Müllbranche soll bis 2024 auf 3,5 Milliarden US$ zulegen

    Die indische Abfallwirtschaft ist stark fragmentiert und wird vom informellen Sektor beherrscht. Angaben zum Umsatz beziehen sich nur auf den organsierten Bereich und geben deshalb nur ein unvollständiges Bild der tatsächlichen Aktivitäten in der Branche wieder. Für 2017 beziffert das Ministry of Statistics and Program Implementation das Umsatzvolumen auf 2,5 Milliarden US$. Bis 2024 soll es auf 3,5 Milliarden US$ zulegen, so die indische Statistikbehörde. Die Städte und Gemeinden sind für die Abfallsammlung, -behandlung und -entsorgung zuständig. Vor allem in den größeren Städten sind diese Aufgaben aber zum Teil an den Privatsektor outgesourct oder werden im Rahmen von Public Private Partnership gemeinsam übernommen.

    Der Anteil der öffentlichen Dienstleister nimmt dabei im Verlauf der Wertschöpfungskette immer weiter ab, so dass beim Recycling, der Abfallverbrennung oder der Entsorgung von Sondermüll spezialisierte Unternehmen aus dem Privatsektor stärker vertreten sind. Branchenführer wie BVG India, A2Z Group, Ecowise, Ramky Enviro Engineeers oder Antony Waste sind in der Regel überregional aktiv und decken ein breites Dienstleistungsspektrum in der Kreislaufwirtschaft ab. Daneben gibt es eine Reihe von Unternehmen, die sich auf einzelne Bereiche beschränken. Attero ist laut eigenen Angaben inzwischen der größte Recycler von Elektroschrott und Lithium-Ionen-Akkumulatoren.

    Bedarf an Ausrüstung für die Abfallwirtschaft wächst

    Das Thema Urban Mining - also die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen unter anderem aus Haushalts- und Gewerbeabfällen - gewinnt in Indien an Bedeutung, denn das Land produziert immer mehr elektronische Geräte. Derzeit werden schätzungsweise 95 Prozent des Elektroschrotts im informellen Sektor per Handarbeit recycelt. Allerdings dürfte hier und in anderen Segmenten - insbesondere Metall und Kunststoff - künftig immer mehr Maschinen zur fachgerechten Zerlegung und Reststoffsortierung zum Einsatz kommen und Geschäftschancen für Hersteller von Ausrüstung für die Abfallwirtschaft eröffnen.

    Der Markt für Müllverarbeitungsmaschinen wird von lokalen Anbietern wie Hikon (Kunststoff) oder Rajshree (Papier), die Ausrüstung auf technisch niedrigerem Niveau anbieten, sowie von Importen aus China dominiert. Aber auch westliche Hersteller wie Starlinger sind auf dem indischen Markt präsent. Der österreichische Maschinenbauer hat im Herbst 2021 eine Plastikrecyclingmaschine beim indischen Recyclingunternehmen Srichakra Polyplast in Betrieb genommen - der Auftragswert belief sich nach Presseinformationen auf 10 Millionen US$. Die Branche lockt zudem immer mehr Start-ups wie Banyan Nation (Plastikrecycling) an, die nachhaltige Lösungen für die Abfallwirtschaft entwickeln.

    Von Boris Alex | New Delhi

  • Rahmenbedingungen

    Die indischen Kommunen haben wenig Geld für die Abfallbehandlung. Projekte im Müllsektor stoßen häufig auf Widerstand in der Bevölkerung.

    Die indische Müllbranche steht ausländischen Unternehmen offen. Direktinvestitionen im Infrastruktursektor, zu dem auch die Abfallwirtschaft zählt, sind - unter Auflagen - bis 100 Prozent erlaubt und werden im beschleunigten Genehmigungsverfahren ("Automatic Route") bewilligt. Vorhaben der öffentlichen Hand werden auf der zentralen Ausschreibungsplattform der indischen Regierung veröffentlicht. Der Prozess ist weitgehend digitalisiert und damit transparenter als noch vor einigen Jahren. Aufgrund der geringen finanziellen Ausstattung der Städte und Kommunen für die Abfallbehandlung, kommen bei den Tender eher lokale Anbieter und bei der Beschaffung von Ausrüstung auch chinesische Hersteller zum Zug. In der Privatwirtschaft ist die Preissensibilität beim Thema Schadstoffentsorgung ebenfalls hoch und die Nachfrage nach gebrauchten Importmaschinen steigt.

    Der Bau von Müllverbrennungs- und Waste-to Energy-Anlagen ist in Indien ein schwieriges Unterfangen. Bei den Vorhaben kommt es regelmäßig zu Protesten in der Bevölkerung und viele Projekte verzögern sich oder werden ganz eingestellt. Auch die Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen stößt oft auf Widerstand, wenn beispielsweise durch eine effizientere Sammlung und -sortierung unter Einsatz von Müllfahrzeugen und Maschinen Beschäftigungsmöglichkeiten im Niedriglohnsektor wegfallen. 

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Boris Alex | New Delhi

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    GTAI

    Germany Trade and Invest

    AHK Indien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    German RETech Partnership e.V.

    Netzwerk deutscher Unternehmen und Institutionen der Entsorgungs- und Recyclingbranche zur Exportförderung

    Ministry of Environment, Forest and Climate Change

    Umweltministerium

    Ministry of Housing and Urban Affairs

    Ministerium für Stadtentwicklung

    Swachh Bharat Mission

    Staatliches Investitionsprogramm für die Abfallwirtschaft

    Material Recycling Association of India

    Verband der Recycling-Unternehmen

    National Solid Waste Association of India (NSWAI)

    Verband der Abfallwirtschaft

    IFAT India

    Fachmesse für die Abfallwirtschaft (02.12. bis 04.12.21, Gandhinagar)

    Waste Technology India Expo

    Fachmesse für die Abfallwirtschaft (23.02 bis 24.02.21, Greater Noida)

    Clean India Journal

    Fachzeitschrift und Internetportal für die Abfallwirtschaft

    Central Public Procurement Portal

    Zentrale Veröffentlichungsstelle für öffentliche Ausschreibungen

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