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Branchen | Indien | Luftfahrt

Neuer Schub für den Flughafenbau

Die indische Luftfahrtindustrie hofft auf eine rasche Erholung nach Corona. Bis 2026 sollen 19 Milliarden US-Dollar in die Modernisierung der Flughafeninfrastruktur fließen. 

Von Boris Alex | New Delhi

Indiens Luftfahrtindustrie befindet sich wegen der Coronapandemie seit März 2020 im Krisenmodus. Ursprünglich sollte im Dezember 2021 wieder der reguläre Flugbetrieb aufgenommen werden. Doch mit der weltweiten Ausbreitung der Omikronvariante musste die indische Regierung den Neustart verschieben. Nun soll frühestens im März 2022 der reguläre Flugverkehr wieder möglich sein, so die Planung des Ministry of Civil Aviation. Derzeit gibt es einige Flugverbindungen innerhalb bilateraler Abkommen (Air Transport Bubbles), die Indien mit 35 Ländern unterhält. Erst im Finanzjahr 2023/2024 (1. April bis 31. März) dürften die Passagierzahlen wieder das Vorkrisenniveau erreichen, prognostiziert das Luftfahrtministerium.

Trotz staatlicher Unterstützungsmaßnahmen hat sich die Ertragslage im Luftfahrtsektor seit Beginn der Pandemie dramatisch verschlechtert. Im laufenden Finanzjahr 2021/2022 droht der Branche ein Nettoverlust von 3,5 Milliarden US-Dollar (US$). In der Vorperiode beliefen sich die Verluste bereits auf 2,8 Milliarden US$. Neben den Airlines sind auch die Flughafenbetreiber von der Krise betroffen. So erzielte die staatliche Airports Authority of India (AAI) während der zweiten Coronawelle von April 2021 bis Juni 2021 nur einen Umsatz von 120 Millionen US$ mit ihren rund 90 Verkehrsflughäfen. Im Vergleichszeitraum 2019 war dieser dreimal so hoch.

Bis 2036 werden jährlich 480 Millionen Passagiere erwartet

Trotz der zurzeit schwierigen Lage im Luftfahrtsektor will die Regierung den Ausbau der Flughafeninfrastruktur weiter vorantreiben. Denn langfristig sind die Wachstumsaussichten für die Branche positiv. Bis 2036 soll die Zahl der Passagiere auf 480 Millionen pro Jahr steigen. Vor der Coronakrise wurden rund 340 Millionen Fluggäste jährlich befördert. Im Finanzjahr 2020/2021 waren es pandemiebedingt nur 115 Millionen Reisende. Für 2021/2022 erwartet die Ratingagentur ICRA ein moderates Wachstum. Von April 2021 bis September 2021 wurden 63 Millionen Passagiere befördert, so die Zahlen des Ministry of Civil Aviation.

Um das steigende Luftverkehrsaufkommen zu bewältigen, will die Regierung im Rahmen ihres nationalen Infrastrukturplans die Zahl der Flughäfen auf knapp 200 Aerodrome fast verdoppeln. Bis 2026 sollen für insgesamt 19 Milliarden US$ neue Flugplätze gebaut sowie bestehende modernisiert und erweitert werden. Allerdings verzögern sich wegen Corona viele der geplanten Vorhaben. Von den 21 Greenfield-Projekten (Bebauung von freien Flächen), die eine Baugenehmigung von der Zentralregierung oder den Bundesstaaten erhalten haben, konnten bislang sechs Flugplätze den Betrieb aufnehmen. Die übrigen Flughäfen sollen bis Ende 2026 fertiggestellt werden.

Neue Großflughäfen in der Hauptstadtregion und in Mumbai im Bau

Eines der Schlüsselprojekte ist der Noida International Airport im Bundesstaat Uttar Pradesh. Der Greenfield-Flughafen entsteht rund 80 Kilometer südlich der Hauptstadt New Delhi. Am 25. November 2021 wurde der Grundstein für das 4 Milliarden US$ schwere Bauvorhaben gelegt. Der Flughafen soll bei seiner geplanten Eröffnung in 2024 zunächst 12 Millionen Passagiere und knapp 100.000 Flugbewegungen pro Jahr abfertigen können. Je nachdem, wie sich die Fluggastzahlen entwickeln, ist ein schrittweiser Ausbau auf jährlich bis zu 70 Millionen Reisende und fast 500.000 Flugbewegungen möglich. Den Zuschlag zum Bau und Betrieb hatte 2020 die Flughafen Zürich AG erhalten. Der Konzessionsvertrag läuft über 40 Jahre.

Nach jahrelangen Verzögerungen ist inzwischen auch wieder Bewegung in den Bau des Navi Mumbai International Airports in der Finanzmetropole Mumbai gekommen. Seit der Übernahme des Projekts durch den indischen Mischkonzern Adani Group im Sommer 2021 kommen die Bauarbeiten wieder zügiger voran. Der Flughafen soll spätestens Ende 2024 den kommerziellen Betrieb aufnehmen, so die Pläne des Eigners. Die Anfangskapazität liegt bei 10 Millionen Reisenden pro Jahr. Nach der letzten Ausbaustufe sollen dann jährlich bis zu 90 Millionen Passagiere abgefertigt werden. Die Kosten für den Flughafen haben sich seit dem Projektstart auf inzwischen 2,7 Milliarden US$ mehr als vervierfacht.

Neben den großen Greenfield-Flugplätzen gibt es eine Reihe von kleineren Projekten, die in den nächsten Jahren fertig gestellt werden sollen. Der staatliche Betreiber AAI will bis 2026 insgesamt 3,4 Milliarden US$ in die Modernisierung seiner Lufthäfen - unter anderem in Pune, Chennai, Agra und Jaipur - investieren. An insgesamt 15 Flughäfen befinden sich neue Terminals im Bau beziehungsweise in Planung, an weiteren neun Standorten werden die bestehenden Gebäude erweitert. Nach Abschluss der Arbeiten könnten so zusätzlich bis zu 100 Millionen Passagiere abgefertigt werden, schätzt AAI. Darüber hinaus werden an zehn Airports neue Start- und Landebahnen gebaut sowie existierende verlängert und verstärkt.

Befristete Privatisierung spült Geld in die Staatskasse

Indiens Regierung hat im Herbst 2021 das Privatisierungsprogramm "National Monetisation Pipeline" gestartet. Dabei werden staatliche Vermögenswerte nicht verkauft, sondern den Investoren für einen begrenzten Zeitraum zur Nutzung überlassen. Im Gegenzug erhält die Regierung eine Gebühr, bevor die Assets abschließend wieder in Staatsbesitz übergehen. Bis zum Ende des Finanzjahres 2024/2025 sollen insgesamt 25 Flughäfen einen neuen temporären Betreiber finden. Die Regierung erhofft sich von dem Programm in den nächsten vier Jahren zusätzliche Einnahmen in Höhe von 2,8 Milliarden US$.

Den Anfang machen die Flughäfen in Bhubaneswar, Varanasi, Amritsar, Trichy, Indore und Rajpur. Weitere bedeutende Einheiten, die temporär privatisiert werden sollen, sind Coimbatore, Nagpur, Chennai und Bhopal. Die Regierung hofft dabei auf ein ähnlich großes Interesse wie bei der letzten Privatisierungsrunde. Der Mischkonzern Adani Group hatte 2019 für 330 Millionen US$ sechs Flughäfen übernommen und angekündigt, ihr Engagement in dem Bereich weiter auszubauen.

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