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Special | Indien | CO2-Grenzausgleich

Indiens Industrie bangt um EU-Exporte

Die indische Industrie könnte durch den Grenzausgleichsmechanismus Marktanteile in der EU verlieren. Die Unternehmen müssen ihre Emissionen senken und investieren in Ausrüstung.

Von Boris Alex | New Delhi

Indien befürchtet durch den europäischen Grenzausgleichsmechanismus "Carbon Border Adjustment Mechanism" (CBAM) negative Folgen für die EU-Exporte. In den Anwendungsbereich fallen mit Eisen, Stahl und Aluminium sowie Erzeugnissen daraus wichtige Ausfuhrgüter der indischen Wirtschaft. 

Gerade für die indische Stahl- und Aluminiumindustrie steht mit CBAM viel auf dem Spiel. Die EU ist der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt für die Unternehmen. Rund ein Viertel der Exporte gehen in den Wirtschaftsraum. Zum Vergleich: Die indischen Ausfuhren im Jahr 2022 in die USA lagen mit 6 Milliarden US$ deutlich darunter. Im internationalen Vergleich ist der Kohlenstoffdioxid (CO2)-Fußabdruck der Produzenten des Subkontinents groß. Daher würde eine Verteuerung ihrer Produkte durch die Einführung der CBAM-Zertifikate, die die Importeure ab 2026 als Grenzausgleichsabgabe erwerben müssen, die Wettbewerbsposition der indischen Hersteller verschlechtern. 

CO2-Ausstoß weit über dem globalen Durchschnitt

Für die Produktion von einer Tonne Rohstahl fallen in Indien durchschnittlich 2,5 Tonnen CO2 an, so die Daten des indischen Stahlministeriums. In der EU ist es hingegen nur 1 Tonne CO2. Auch China, Japan, Südkorea und die USA liegen deutlich unter den indischen Emissionen. Bei der Herstellung einer Tonne Aluminium sind es in Indien 15,5 Tonnen CO2 – fast dreimal so viel wie im EU-Durchschnitt. In China, Australien und den USA ist der CO2-Verbrauch bei Aluminiumproduktion ebenfalls geringer.

Der Grund hierfür ist, dass im indischen Energiemix fossile Brennstoffen, dominieren. Vor allem Kohle hat einen Anteil am Primärenergieverbrauch von fast 60 Prozent. Erdöl macht ein Viertel aus. Zwar hat Indien beim Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte erzielt. Deren Anteil beträgt aber nur rund 5 Prozent. Die Regierung will bis 2030 die Stromerzeugungskapazitäten aus Solar, Wind und Biomasse auf 500 Gigawatt mehr als verdoppeln. Bis 2070 soll das Land klimaneutral sein.

Unternehmen investieren in effizientere Produktionsanlagen

Für energieintensive Industrien wie die Stahl- und Aluminiumproduktion führt derzeit kein Weg an fossilen Energieträgern vorbei. Dennoch verfolgen die Hersteller zum Teil ambitionierte Reduktionsziele: Tata Steel will den Ausstoß bis 2030 unter 1,8 Tonnen CO2 je Tonne Rohstahl drücken. JSW Steel peilt 1,95 Tonnen CO2 je Tonne Rohstahl an. Um dieses Ziel zu erreichen, will JSW in den nächsten Jahren 1,2 Milliarden US$ in seine Stahlproduktion investieren. Das bietet auch Geschäftschancen für deutsche Unternehmen: Im März 2024 hat JSW eine CO2-effiziente Anlage zur Herstellung von Flachstahlprodukten beim deutschen Anlagenbauer SMS Group in Auftrag gegeben.

CBAM könnte den Transformationsprozess in der Stahl- und Aluminiumbranche beschleunigen. Die indischen Hersteller befürchten, dass sich sich ihre Exporte in die EU kräftig verteuern werden. Schätzungen zufolge bewegen sich die Preisaufschläge durch die CBAM-Zertifikate je nach Produkt zwischen 15 und 35 Prozent. Um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, wollen die Unternehmen emissionsärmere Energieträger wie Wind- und Solarkraft im Produktionsprozess einsetzen. Mittelfristig soll auch grüner Wasserstoff Verwendung finden. Indien möchte hier bis 2030 jährliche Kapazitäten von 5 Millionen Tonnen aufbauen. Die Branche ist zudem an Lösungen zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage; CCS) interessiert. Tata Steel und JSW betreiben bereits CCS-Testanlagen in jeweils einem ihrer Stahlwerke.

Indien führt Handel mit CO2-Zertifikaten ein

Bei der Erfassung ihrer CO2-Emissionen sind die Unternehmen auf sich selbst gestellt. Inzwischen bieten aber eine Reihe von privaten Beratern Dienstleistungen zur Emissionsberechnung gemäß den CBAM-Anforderungen an. In Indien gibt es bislang keine CO2-Bepreisung. Die Regierung hat im Dezember 2023 die Einführung eines CO2-Zertifaktehandels (Carbon Credit Trading Scheme) angekündigt. Dieser soll bis zum 1. Januar 2026 bereit stehen – also wenn der Import nur noch mit CBAM-Zertifikaten möglich ist. Indien will erreichen, dass die eigenen CO2-Zertifikate im Rahmen des europäischen Grenzausgleichsmechanismus anerkannt werden.

Regierung geht gegen CBAM vor

Die indische Regierung versucht derweil, auf internationaler Ebene die Auswirkungen von CBAM für die Unternehmen aufzufangen. Der Handelsminister Piyush Goyal hat die Rechtskonformität von CBAM mit den Vorschriften des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens "General Agreement on Tariffs and Trade" (GATT) in Frage gestellt. Auf der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation Ende Februar 2024 in Abu Dhabi hat die Regierung ihre Bedenken zu den aus ihrer Sicht unilateralen protektionistischen Maßnahmen "unter dem Deckmantel des Klimaschutzes" zum Ausdruck gebracht. Man wolle aber mit der EU im Dialog bleiben, so ein Vertreter des Ministry of Commerce and Industry.

Dieser findet auf mehreren Ebenen und mit verschiedenen Stakeholdern statt. So kamen im Juni 2024 Vertreter der EU mit der indischen Regierung, Wirtschaftsverbänden wie Confederation of Indian Industry (CII) und Federation of Indian Chambers of Commerce and Industry (FICCI) sowie Unternehmensvertretern zusammen, um sich über das weitere Vorgehen bei CBAM abzustimmen. Dabei standen insbesondere die Auswirkungen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in Indien im Mittelpunkt. Diese sind - anders als die großen Stahlproduzenten - kaum auf CBAM vorbereitet , so die Aussage der Verbände. Die indische Regierung drängt darauf, dass KMU von den Anforderungen ausgenommen werden.

Die Deutsch-Indische Auslandshandelskammer unterstützt in ihrem Geschäftsbereich Sustain Markets Unternehmen bei der Einführung von CBAM-konformen Reporting-Instrumenten. FICCI, CII und andere Verbände bereiten ihre Mitglieder auf CBAM vor und bieten Informationsveranstaltungen an. Daneben gibt es private Berater, die CBAM-Dienstleistungen anbieten. 

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