Günstige heimische Kohle dominiert Indonesiens Strommarkt. Für den industriellen Ausbau der Erneuerbaren fehlen Anreize für Investoren. Zudem ändert sich der Rechtsrahmen ständig.
In der indonesischen Energiepolitik herrscht eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Zwar bekennen sich die politischen Eliten im Gleichschritt mit den Medien unablässig zum Klimaschutz. So hat Indonesien das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 unterzeichnet und 2022 auf dem G20-Gipfel auf Bali die Just Energy Transition Partnership (JETP) vereinbart, die den Komplettumbau der indonesischen Stromversorgung auf erneuerbare Energien in nur zweieinhalb Dekaden vorsieht - unter vollständigem Verzicht auf Kohleverstromung. Angesichts dessen könnte der unbedarfte Beobachter zum Schluss kommen, dass die Energiewende in Indonesien kurz bevor steht.
Doch die Realität sieht anders aus: Indonesien war zu keinem Zeitpunkt auf dem Kurs, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Im Januar 2024 hat die Regierung endlich auch offiziell das Scheitern eingestanden. Die Ziele sehen vor, dass der Archipel 23 Prozent seiner Primärenergie bis 2025 aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Immerhin steigerte Indonesien diesen Anteil von 5 Prozent im Jahr 2015 auf 13 Prozent im Jahr 2023. Doch ein genauer Blick zeigt: Die Anteile von Wasserkraft und Geothermie sind gar nicht gestiegen, Solar- und Windstrom ist in dem riesigen Archipel weiterhin fast nichtexistent.
Stattdessen basiert der Anstieg fast ausschließlich auf der Verwendung von Biodiesel im Tank, das mittlerweile die wichtigste Anwendungsform von Palmöl im Land ist. Zweiter Treiber ist Biomasse, deren Strom überwiegend kleinteilig jenseits der öffentlichen Netze zum Einsatz kommt, und die ebenfalls zu einem erheblichen Anteil aus Palmölernteresten bestehen dürfte. Für diese – statistisch gesehen – grünen Energien wurden vor allem auf Sumatra und in Kalimantan Abermillionen Hektar Primärwald gerodet.
Rekordförderung von Kohle
Stattdessen eilt Indonesien von Rekord zu Rekord bei der Kohleförderung. Die großen Reservoirs liegen vor allem im Osten Kalimantans. Wurden 2015 noch 461 Millionen Tonnen gefördert, so waren es 2023 bereits 775 Millionen Tonnen. Für 2024 hat die Regierung das Ziel von 922 Millionen Tonnen ausgegeben. Das entspricht einer glatten Verdoppelung gegenüber dem Jahr der Pariser Klimaschutzkonferenz.
Treiber der Entwicklung ist der Export des schwarzen Goldes vor allem nach China, Indien und Japan. Etwa drei Viertel der Fördermenge werden ausgeführt. Solange die Weltmarktpreise hoch sind, soll so viel Kohle wie möglich aus dem Boden geholt werden. Das geschieht im Tagebau, mit geringen Extraktionskosten. Die Exporterlöse sind gigantisch und füllen nebenbei den Staatssäckel. Im Jahr 2022 betrugen sie 55 Milliarden US$ und waren damit doppelt und dreimal so hoch wie in den Jahren davor. Aber auch die heimische Nachfrage nach Kohle wächst kontinuierlich, mit wachsendem Wohlstand und steigendem Strombedarf. Die Kohleförderer müssen ein Viertel ihrer Fördermenge zumeist deutlich unter den Weltmarktpreisen an die einheimische Kraftwerksbetreiber angeben (sogenannte "Domestic Market Obligation - "DMO").
Unter diesen Voraussetzungen scheint derzeit schwer vorstellbar, dass Indonesien bis 2050 seine Kohleverstromung einstellt, Werte von Billionen US$ im Boden belässt und freiwillig Wohlstand und Fortschritt zurückstellt. Vor einigen Jahren hatten deutsche Forschungseinrichtungen mehrere Dutzend Entscheider der indonesischen Energiepolitik interviewt. Die Befragten sagten, dass die aktuellen Erneuerbaren-Ausbauziele eher ein symbolischer Akt seien. Kohle sei ein Mittel, um Armut zu bekämpfen, die Industrialisierung voranzutreiben und Entwicklung in Regionen zu bringen, die andernfalls keine wirtschaftliche Perspektive hätten.
Zu niedrige Einspeisetarife
Wer ein realistisches Szenario für erneuerbare Energien in Indonesien entwerfen will, kommt um die Anerkennung der großen volkswirtschaftlichen Bedeutung von Kohle nicht herum. Sie ist der Grund, weshalb sich Erneuerbare schwertun. Lange Zeit hat sich die Regierung gesträubt, überhaupt einen verbindlichen Rechtsrahmen für sie zu schaffen. Wer eine Geothermieanlage oder ein Solarkraftwerk bauen wollte, musste die Abnahmepreise mit dem Monopolisten PLN verhandeln, ohne dass es überhaupt festgelegte Untergrenzen gab.
Über die 2022 endlich rechtsverbindlich festgeschriebenen Einspeisetarife gehen die Meinungen in der Branche auseinander. Jedenfalls haben sie keinen Investitionsboom bei den Erneuerbaren ausgelöst. Denn PLN hält weiter die Fäden in der Hand. Vertreter der Erneuerbaren beschreiben den Monopolisten als ausgesprochen harten Verhandlungspartner um Abnahmepreise, der bei grünem Strom zu wenig Zugeständnissen bereit ist. Daher gelten viele potenzielle Erneuerbaren-Projekte in Indonesien weiterhin als "not bankable".
Und die Rechtsunsicherheit wurde keineswegs beseitigt. Beispielhaft dafür stehen die zahlreichen Gesetzesänderungen für Solardachanlagen in den vergangenen Jahren. Neuen Anreizen folgten kurz darauf immer wieder neue Hürden. PLN ist stets darauf bedacht, von privaten Betreibern nicht zu viel voll vergüteten Strom in die öffentlichen Netze einspeisen zu lassen. Deshalb gibt es in dem den Äquator umfassenden Archipel bis heute nur einige wenige Tausend Solardachanlagen, die meisten davon von auf Imagepflege bedachte Unternehmen.
Tipps für den Markteinstieg- Die vielen laufenden Gesetzgebungsprozesse genau verfolgen
- Sich Lobbygruppen anschließen (z. B. der Europäischen Handelskammer "EuroCham")
- Starken einheimischen Partner suchen
- Geduld haben
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Hohe Local-Content-Anforderungen
Private Unternehmen in der Stromproduktion arbeiten in der Regel nach dem Modell Build-Operate-Transfer (BOT), bei dem die Anlage nach einem festgelegten Zeitraum (oft 30 Jahre) in den Besitz von PLN übergeht. Mittlerweile können sie unter Umständen aber auch ohne "Transfer" weiterbetrieben werden. Schwierigstes Thema neben den Einspeisetarifen ist für die Erneuerbaren jedoch Local Content. An den hohen Anforderungen scheitern zahlreiche Projekte. Indonesien stellt kaum eigene Technologie her, will aber teure Importe vermeiden. Solaranbieter berichten, dass bei Projektausschreibungen meist ein Großteil der Elektronik aus indonesischer Herstellung kommen muss, die aber qualitativ minderwertig ist.
Doch auch Local-Content-Regelungen sind Marktteilenehmern zufolge bisweilen verhandelbar. Die besten Chancen auf Realisierung haben prestigeträchtige Projekte, die auf Regierungsebene vereinbart werden. Ein Beispiel ist eine Ende 2023 in Westjava ans Netz gegangene schwimmende Solaranlage. Sie ist das erste größere Solarkraftwerk in Indonesien überhaupt. Betreiber ist die Mubadala Investment Company aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Präsident Joko Widodo weihte sie ein.
Preissensible Ausschreibungen
Viele Erneuerbare-Projekte werden von PLN ausgeschrieben. Laut Marktbeobachtern hat sich das indonesische Ausschreibungswesen gegenüber früheren Zeiten zwar verbessert. Dennoch entspricht es nicht westlichen Standards, noch immer herrscht Intransparenz. Viele Ausschreibungen im Energiebereich gelten Branchenkennern zufolge in dem schwierigen Umfeld für ausländische Unternehmen als uninteressant. Dass sich Projekte über Jahre verzögern, gehört zur Normalität. Oft bevorzugt der Prozess einseitig die günstigsten Anbieter.
Auch der Import von Technologie bereitet häufig Probleme, insbesondere jenseits der großen Häfen auf Java. Grund können sich kurzfristig verändernde Gesetzeslagen, Korruption oder schlicht erratische Maßnahmen sein. Logistiker können stundenlang über die vielfältigen Facetten gescheiterter oder verzögerter Einfuhrprozesse berichten. Experten berichten aber auch, dass der Importprozess vor allem durch eine zunehmende Digitalisierung an Transparenz gewonnen hat.
Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.
Von Frank Malerius
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Jakarta