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Lange erwartete Reform bei den Erneuerbaren sorgt für Skepsis
Die neue Verordnung verändert Abnahmepreise und Ausschreibungsregeln, bietet Investoren aber keinen verlässlichen Rahmen. Denn die Regierung kann jederzeit in den Markt eingreifen.
23.10.2022
Von Frank Malerius | Jakarta
Die indonesische Regierung hat am 13. September mit der Präsidialverordnung 122/2022 die lang erwartete Reform für die Erneuerbaren in der Stromerzeugung beschlossen. Sie ersetzt die Verordnung 50/2017, die bisher den Rahmen vorgab und zu keinem substanziellen Ausbau von nachhaltigen Erzeugungsformen geführt hatte. Die neue Verordnung verändert unter anderem das Vergütungssystem sowie die Ausschreibungsregeln. Dennoch fehlt Investoren weiterhin ein verlässlicher Rahmen.
Ein Kernstück der Verordnung ist der neue sogenannte "maximale Benchmarkpreis", zu dem der staatliche Strommonopolist Perusahaan Listrik Negara (PLN) den Produzenten grünen Strom abkauft. Er definiert eine Obergrenze, die bei einem Bieterverfahren von mehreren Wettbewerbern nicht überschritten werden darf. Diese Obergrenze richtet sich nach der Erzeugungsform, der Größe der Anlage sowie deren Betriebszeitraum (bis zu und mehr als 10 Jahre). Die Spannbreite liegt zwischen 4,17 US-Dollar-Cent pro Kilowattstunde für alte und große Solaranlagen und 11,47 US-Dollar-Cent für neue und kleine Anlagen. Die Preise für Strom aus Wasserkraft, Wind und Geothermie liegen innerhalb dieser Spannbreite.
Erzeugungskapazität | bis 10 Jahre | >10 bis maximal 30 Jahre |
---|---|---|
bis 1 MW | 11,47 | 6,88 |
>1 bis 3 MW | 9,94 | 5,97 |
>3 bis 5 MW | 8,77 | 5,26 |
>5 bis 10 MW | 8,26 | 4,96 |
>10 bis 20 MW | 7,94 | 4,76 |
>20 MW | 6,95 | 4,17 |
Regierung überprüft Abnahmepreise jährlich
Die maximalen Benchmarkpreise bieten potenziellen Investoren allerdings keinen verbindlichen Kalkulationsrahmen. Sie werden jährlich von der Regierung überprüft und können sich somit fortlaufend verändern. Derzeit dürfte die Preissetzung vor allem von Inflation und Währungsschwankungen beeinflusst werden. Zwischen Frühjahr 2021 und September 2022 verzeichnete die indonesische Rupiah teilweise Wertverluste von bis zu 10 Prozent gegenüber dem US-Dollar. Gegenüber dem Euro gewann sie hingegen um bis zu 15 Prozent. Die Zahlungen von PLN an die Stromproduzenten werden in Rupiah abgerechnet.
Analysten der indonesischen Bank Mandiri beschreiben die Einführung des maximalen Benchmarkpreises in einem Beitrag für die Jakarta Post als "ein bisschen merkwürdig". Schließlich habe PLN als Monopolist und einziger Käufer eine dominante Marktposition. Stattdessen wäre ein garantierter Minimalpreis angemessen. Jenseits der Benchmarkpreise lässt die Verordnung aber auch Ausnahmen zu, bei denen sich PLN und ein Produzent auf einen "Agreed Price" einigen.
Erzeugungskapazität | bis 10 Jahre | >10 bis maximal 30 Jahre |
---|---|---|
bis 1 MW | 11,23 | 7,02 |
>1 bis 3 MW | 10,92 | 6,82 |
>3 bis 5 MW | 9,65 | 6,03 |
>5 bis 20 MW | 9,09 | 5,68 |
>20 bis 50 MW | 8,86 | 5,54 |
>50 bis 100 MW | 7,81 | 4,88 |
>100 MW | 6,74 | 4,21 |
Osten des Landes lockt mit Anreizen
Zudem wurden regionale Multiplikationsfaktoren geschaffen. Jenseits der infrastrukturell gut entwickelten Inseln Java und Bali erhalten Erzeuger der Erneuerbaren einen Aufschlag von 10 Prozent (Sumatra, Kalimantan, Sulawesi) bis 50 Prozent (Papua) auf den Abnahmepreis. Einen zusätzlichen Aufschlag von 5 Prozent gibt es für kleinere Eilande jenseits der großen Hauptinseln.
Schon vorher hatte es Aufpreise für ein Engagement vor allem im unterentwickelten Osten gegeben. Sie hatten sich allerdings ausschließlich an den regionalen Erzeugerpreisen von PLN orientiert. Mit der neuen Verordnung werden bei den regionalen Abnahmepreisen nun auch Technologie, Größe der Anlage und deren Betriebszeit berücksichtigt.
Wenig Änderung bei Ausschreibungen
Die Ausschreibungsregeln bei Projekten für erneuerbare Energien gelten bisher als intransparent. Es gab sogenannte "Direct Selections" und "Direct Appointments". Durch die neue Verordnung gibt es keine grundlegenden Veränderungen. Immerhin wurden laut Analysten der indonesischen Kanzlei Oentoeng Suria & Partners Wettbewerbselemente eingeführt. Demnach soll es bei Windkraft und Fotovoltaik im Rahmen der Direct Selection ab dem maximalen Benchmarkpreis Bieterwettbewerbe geben.
Das weniger komplexe Direct Appointment soll vor allem bei Großprojekten zum Einsatz kommen, wie etwa dem Bau von Wasserkraft- und Geothermieanlagen sowie bei Erweiterungsprojekten.
Erzeugungskapazität | bis 10 Jahre | >10 bis maximal 30 Jahre |
---|---|---|
bis 5 MW | 11,22 | 6,73 |
>5 bis 20 MW | 10,26 | 6,15 |
>20 MW | 9,54 | 5,73 |
Kohlekraftwerke sollen stillgelegt werden
Die neue Verordnung 122/2022 beinhaltet, neben neuen Regeln für die Erneuerbaren, auch einen groben Plan zur vorzeitigen Stilllegung von Kohlekraftwerken. Das wird dank derzeit großer Überkapazitäten in der Erzeugung als praktikabel angesehen. PLN, das für etwa drei Viertel der Stromproduktion Indonesiens verantwortlich ist, soll sowohl eigene Kohlekraftwerke als auch entsprechende Anlagen der sogenannten Independent Power Producers (IPP) stilllegen. Woher Entschädigungszahlungen für die IPP kommen sollen, ist unklar. Neue Kohlekraftwerke sollen nicht mehr gebaut werden, mit Ausnahme von Anlagen, die sich bereits in Planung befinden oder Teil von industriellen Wertschöpfungsketten im Rohstoffsektor sind.
Wie der benötigte Strom mittel- und langfristig erzeugt werden soll, ist ebenfalls unklar. Denn sicher ist, dass der Bedarf im Gleichklang mit den hohen Wirtschaftswachstumsraten steigt. In den 20 Boomjahren vor der Coronakrise lief das Wachstum der Stromnachfrage in Indonesien auf eine Verdopplung alle zwölf Jahre hinaus. Derzeit werden zwei Drittel des indonesischen Stroms mit Kohle erzeugt. Sie ist günstigster Energieträger, dennoch muss Kohlestrom subventioniert werden, um ihn für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich zu halten.
Erzeugungskapazität | bis 10 Jahre | >10 bis maximal 30 Jahre |
---|---|---|
bis 10 MW | 9,76 | 8,30 |
>10 bis 50 MW | 9,41 | 8,00 |
>50 bis 100 MW | 8,64 | 7,35 |
>100 MW | 7,65 | 6,50 |
Experten bleiben skeptisch
Die Analysten von Oentoeng Suria & Partners sind bei der Bewertung der neuen Verordnung zurückhaltend. Sie gestehen der Regierung guten Willen zu, wagen aber keine Erfolgsprognose. Dafür gebe es zu wenig Veränderung in den Ausschreibungsregeln. Zudem böten die Abnehmerpreise zu wenig Anreiz für Investitionen. Welche Wirkung vom Gesetz ausgehe, zeige sich erst, wenn die Verordnung auf die derzeit geplanten Projekte angewendet werde.
Deon Arinaldo vom in Jakarta ansässigen grünen Think Tank IESR mahnt auf Anfrage "klarere Regeln bei Bieterverfahren" an, sieht in den neuen Abnahmepreisen aber immerhin bessere Finanzierungschancen für Projekte im Bereich Erneuerbare. Größtes Reformhindernis sei die Überkapazität in der Stromerzeugung, die den Anreiz für ihren Umbau nehme.