Special Indonesien Stromübertragung, -verteilung, Netze
Nationale Stromverteilung hat in Indonesien Vorrang
Indonesien fehlen Anreize für baldige transnationale Stromverbindungen. Auch Pläne für Leitungen zwischen den Hauptinseln sind vage. Zunächst werden die Netze dort integriert.
15.08.2022
Von Frank Malerius | Jakarta
Der indonesische Archipel besteht aus 17.000 Inseln, von denen etwa 6.000 bewohnt sind. Kaum irgendwo auf der Welt dürfte der Aufbau einer flächendeckenden Stromversorgung schwieriger sein. Dabei wurde Enormes erreicht: Nach Statistiken des staatlichen Strommonopolisten PLN haben mittlerweile 99 Prozent der indonesischen Bevölkerung einen Stromanschluss.
Die regionale Stromnachfrage ist dabei ungleich verteilt. Auf Java und Bali leben 60 Prozent der Bevölkerung, nahezu die gesamte verarbeitende Industrie ist dort ansässig. Drei Viertel des im gesamten Archipels benötigten Stroms werden in den Regionen erzeugt. Auf Sumatra, Kalimantan und Sulawesi liegen hingegen die großen Palmölplantagen, Kohlegruben, Erzschmelzen und Stahlwerke. Dort decken Diesel, Benzin und Kohle einen größeren Anteil des Energiebedarfs.
Das Java-Bali-Grid ist dementsprechend gut ausgebaut, es gibt kaum noch isolierte Netze. Das Stromnetz auf Sumatra ist ebenfalls weitgehend integriert, auch wenn zu vielen vorgelagerten Inseln noch keine Verbindungen bestehen. Aber schon auf Kalimantan und Sulawesi sind die Stromnetze der Ballungsräume nur teilweise verbunden. Im rückständigen Nusa Tenggara (kleine Sundainseln), den Molukken-Inseln und Papua gibt es hunderte isolierte Stromnetze, die vielfach mit Dieselgeneratoren betrieben werden. Durch Netzintegration wurde deren Einsatz in den vergangenen Jahren allerdings deutlich verringert.
Zwischen den Hauptinseln Java, Sumatra, Kalimantan, Sulawesi und Papua gibt es keine Übertragungsleitungen. Immer wieder wird über Planungen zu deren Verlegung berichtet. Doch der Zehnjahresplan des Ministeriums für Energie und Rohstoffe (ESDM) ist zurückhaltend, denn Java und Sumatra haben beide Überkapazitäten in der Elektrizitätserzeugung. Außerdem kann die geringe Nachfrage auf den anderen Inseln mit wenigen Kraftwerken und Generatoren vergleichsweise einfach bedient werden.
Inseln | Status Quo/Planung |
---|---|
Java-Bali | Gute Konnektivität, geplante Kapazitätserweiterungen der Leitungen zwischen Bali und Java |
Sumatra | Weitgehende Konnektivität, geplante Verbindungen mit den Inseln Bangka, Belitung und Kepulauan Riau; keine baldige Verbindung nach Java wegen beiderseitiger Überkapazitäten |
Sulawesi | Nord- und Südnetze nicht oder nur teilweise verbunden; Bau von Kraftwerken, um neue Erzschmelzen zu versorgen; laufende Verbindung kleinerer Stromnetze; keine baldigen Verbindungen zu anderen Hauptinseln geplant |
Kalimantan | Isoliertes Westnetz bezieht Strom aus Sarawak (Malaysia), Verbindungen mit Nord-, Süd- und Ostnetzen geplant; laufender Anschluss zahlreicher kleiner Stromnetze; keine baldigen Verbindungen zu anderen Hauptinseln geplant |
Molukken, Papua, Nusa Tenggara | Geringer Strombedarf; zahlreiche isolierte Stromnetze, vor allem auf kleineren Inseln |
Kontinuierlicher Netzausbau
Eine Herausforderung in der indonesischen Stromversorgung ist allerdings – wie in anderen Schwellenländern auch – der starke Anstieg der Nachfrage. Bei einem jährlichen Wirtschaftswachstum von mehr als 5 Prozent verdoppelt sich der Pro-Kopf-Stromverbrauch innerhalb von circa 12 bis 15 Jahren. Wenn es gelingt, mehr verarbeitende Industrie anzusiedeln, geschähe dies sogar noch schneller.
Das macht einen weiteren Netzausbau erforderlich. Nach Plänen des Energieministeriums sollen alleine zwischen 2020 und 2024 knapp 19.000 Kilometer Stromleitungen verlegt werden, etwa die Hälfte davon auf Sumatra. Der weitaus größte Teil der Übertragungsleitungen entfällt dabei auf Freileitungen mit einer Spannung von 150 Kilovolt (kV).
Ein fester Partner für den Ausbau der indonesischen Stromnetze ist das Unternehmen Siemens, das bereits seit den 1860er-Jahren im Archipel (ehemals niederländische Kolonie) tätig ist. Siemens fertigt vor Ort auch entsprechende elektronische Ausrüstung.
Erneuerbare bleiben vorerst schwach
Etwa zwei Drittel des in Indonesien erzeugten Stroms stammen aus der in großen Mengen vorhandenen Kohle. Die erneuerbaren Energien hingegen sind schwach ausgebaut. Ihr Anteil stagniert seit Jahren bei etwa 13 Prozent, wobei Wasserkraft das größte Segment darstellt. Fotovoltaik und Windkraft, die aufgrund ihrer Volatilität eine anspruchsvolle Netzarchitektur benötigen, sind bis auf wenige kleinere Projekte bisher nicht existent.
Energieträger | Anteil an Stromproduktion (in Prozent) |
---|---|
Kohle | 66,5 |
Gas | 18,7 |
Wasserkraft | 7,2 |
Sonstige | 7,6 |
Durch Solardachprogramme und den Bau einiger größerer Anlagen soll der Einsatz von Fotovoltaik expandieren. Doch Marktteilnehmer und Banken berichten über zahlreiche Hindernisse für den Einsatz dafür notwendiger ausländischer Technologie. Das gilt auch für andere regenerative Energien. Bei dem stockenden Ausbau der Erneuerbaren dürfte es schwierig werden, ihre Steigerungsrate mittelfristig nennenswert über dem Wachstumsniveau der allgemeinen Stromnachfrage zu halten.
Vage Planungen für vier Interkonnektoren
Vor dem Hintergrund der mangelnden Integration der größeren indonesischen Stromnetze und kaum vorhandener, volatiler Erneuerbarer fehlt derzeit der Anreiz für transnationale Stromübertragungsnetze in die Nachbarländer Malaysia und Singapur. Die einzige bestehende Verbindung führt auf Borneo vom malaysischen Bundesstaat Sarawak nach Westkalimantan. Nach Angaben von ESDM wurden über sie in den vergangenen Jahren zwischen 1,0 Terawattstunden und 1,7 Terawattstunden Strom aus Wasserkraft jährlich importiert. Laut UN Comtrade bezahlte Indonesien dafür zwischen 60 Millionen und 130 Millionen US-Dollar.
Ein weiterer Interkonnektor auf Borneo ist zwischen dem malaysischen Bundesstaat Sabah und Ostkalimantan geplant. Darüber hinaus soll im Rahmen der ASEAN-Grid-Initiative eine Verbindung zwischen der Freihandelszone Batam und dem in Sichtweite gelegenen Singapur entstehen, sowie eine weitere zwischen der Hauptinsel Sumatra und Singapur. Zudem arbeitet das deutsche Planungs- und Beratungsunternehmen Fichtner an einer Machbarkeitsstudie über einen Interkonnektor von Sumatra durch die Straße von Malakka zur malaysischen Halbinsel. Konkrete Zeitpläne für diese Projekte sind aber nicht bekannt.
Export von grünem Strom könnte verboten werden
Ende 2020 machten Projektpläne über große Solarparks auf Batam Schlagzeilen, die Singapur mit grünem Strom versorgen sollen. Lokale Behörden haben bereits entsprechende Absichtserklärungen unterzeichnet. Jedoch müsste dafür erst ein Seekabel durch die Straße von Singapur verlegt werden.
Zwischenzeitlich ist allerdings eine politische Debatte über ein Exportverbot für grünen Strom entbrannt. Dessen Befürworter wollen den Anteil erneuerbarer Energien in den heimischen Energiestatistiken steigern. Die Gegner sehen grünen Strom als ein normales Exportgut, mit dem sich Devisen erwirtschaften lassen. Letztlich dürfte die Wirtschaftlichkeit über die Realisierung dieses Projektes entscheiden.