Wirtschaftsumfeld | Indonesien | Konjunktur
Wirtschaft wächst 2022 um 5,3 Prozent
Indonesien verzeichnet das höchste Wirtschaftswachstum seit neun Jahren. Jedoch könnte im Jahr 2023 eine schwache Weltkonjunktur die Rate wieder unter 5 Prozent drücken.
22.02.2023
Von Frank Malerius | Jakarta
Laut Statistikamt BPS (Badan Pusat Statistik) ist das indonesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 real um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Es ist die höchste Wachstumsrate seit 2013. Zu den Gründen für die positive Entwicklung gehören Nachholeffekte aus den beiden Krisenjahren 2020 und 2021, ein Rekordaußenhandel mit einem Rekordüberschuss sowie Rekordauslandsinvestitionen – auch wenn an letzteren Zahlen Zweifel angebracht sind.
Indonesiens Wachstumsrate lag im Rahmen der jüngsten Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF), die im längeren Vorfeld allerdings mehrfach erheblich korrigiert worden waren. Vor allem der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und dessen Einfluss auf die internationalen Energiemärkte sorgte für große Unsicherheit. Indonesien könnte unterm Strich aber zu den wirtschaftlichen Gewinnern des Konfliktes gehören. So haben sich die Kohlepreise verdoppelt und dem Inselreich Rekordexporteinnahmen beschert. Zum Nachteil gerieten allerdings die hohen Weltmarktpreise für Öl, das Indonesien in großen Mengen in Form von Benzin und Diesel importieren muss.
Die Wachstumsprognosen für das Jahr 2023 gestalten sich ähnlich schwierig wie schon für das Jahr 2022. Die indonesische Zentralbank hat einen Korridor von 4,5 bis 5,3 Prozent angegeben. Der IWF hatte seine ursprüngliche Prognose im Oktober 2022 von 6,0 Prozent auf 5,0 Prozent gesenkt und im Anschluss sogar auf nur noch 4,8 Prozent herabgesetzt. Mit Ausnahme der niedrigen Wachstumsraten aus den Coronajahren 2020 und 2021 wäre das Indonesiens zweitniedrigste Wirtschaftswachstumsrate seit 2004.
Mitentscheidend dürfte die Entwicklung der Absatzmärkte sein, insbesondere für Rohstoffe, aber auch für Industriegüter. Derzeit steht die indonesische Textilbranche besonders unter Druck. Sie musste wegen schwacher Geschäftserwartungen in den USA und Europa bereits Zehntausende Angestellte entlassen.
Hohe Wachstumsraten im Osten
Wirtschaftliches Zentrum Indonesiens ist Java, wo nahezu 60 Prozent der Bevölkerung leben und auch fast 60 Prozent der Wirtschaftsleistung konzentriert sind. Fast die gesamte Leichtindustrie des Inselreichs ist dort angesiedelt. Auf den anderen Hauptinseln dominiert die Rohstoffwirtschaft. In Sumatra ist das vor allem Palmöl, auf Kalimantan Kohle und in Sulawesi (vor allem die Provinzen Zentralsulawesi und Südostsulawesi) und der Provinz Nordmolukken Nickel. Dessen lokale Verarbeitung zu Edelstahl und Vorprodukten für E-Auto-Batterien gewann in den letzten Jahren stark an Bedeutung.
Der Nickelsektor boomt und hat eine riesige, von China dominierte Stahlindustrie angezogen. So wuchs die Wirtschaft in Zentralsulawesi, der Hochburg der indonesischen Nickelindustrie, im Jahr 2022 um 15,1 Prozent, die verarbeitende Industrie um 30 Prozent. Die Wirtschaft der Nordmolukken legte durch die Ausbeutung der Nickelvorkommen 2022 sogar um 22,9 Prozent zu. Die verarbeitende Industrie wuchs dabei gegenüber dem Vorjahr gar um 77 Prozent.
Anteil der verarbeitenden Industrie nimmt weiter ab
Die indonesische Industrie bietet ein uneinheitliches Bild. Ihr Anteil an der Wirtschaftsleistung ist 2022 um fast einen Prozentpunkt auf 18,4 Prozent gesunken. Noch zur Jahrtausendwende hatte der Anteil bei rund 30 Prozent gelegen. Indonesien ist auf dem Weg in die Dienstleistungsgesellschaft, ohne je stark industrialisiert gewesen zu sein. Eine positive Ausnahme ist die Automobilindustrie, die 2022 eine Rekordproduktion erzielte. Grund ist der Ausbau Indonesiens zum Exporthub für japanische Hersteller.
Deutlich hinter dem allgemeinen Wirtschaftswachstum blieben die Landwirtschaft und die Bauwirtschaft zurück. Der Agrarsektor leidet unter geringer Technisierung und niedriger Produktivität. Als Folge daraus müssen immer mehr Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel importiert werden. Sie sind der drittwichtigste Importposten hinter chemischen Erzeugnissen und Maschinen.
Der Bausektor leidet im Bereich Infrastruktur unter einer klammen Staatskasse. Nach zwei Coronajahren mit ausufernden Staatshilfen ist nun wieder Haushaltsdisziplin angesagt. Viele geplante Projekte werden nicht umgesetzt oder verzögern sich deutlich. Die großen staatlichen Baufirmen, die den Bausektor dominieren, sind hoch verschuldet. Immerhin sichert ihnen der Bau der neuen Hauptstadt Nusantara in der Provinz Ostkalimantan ein erhebliches Auftragsvolumen. Der Hochbau leidet in den Städten unter großen Überkapazitäten. Durch die Einführung dauerhafter Home-Office Regelungen ist der Bürobau besonders betroffen.
Im- und Exporte schreiben Rekorde
Indonesien hat 2022 den Rekordaußenhandel aus dem Vorjahr um 23,8 Prozent übertroffen. Treiber der Entwicklung war das Exportplus von 26,1 Prozent auf einen Ausfuhrwert von 291,0 Milliarden US-Dollar (US$). Dieses ist zurückzuführen auf eine annähernde Verdoppelung der Exporterlöse von Kohle auf mehr als 50 Milliarden US$ sowie Rekordwerte bei der Ausfuhr von Palmöl und Stahl. Die Exporterlöse von Nickelprodukten verfünffachten sich nahezu auf fast 6 Milliarden US$.
Die Importe erhöhten sich 2022 um 21,1 Prozent auf 237,5 Milliarden US$. Hier schlug vor allem die Steigerung der Importkosten von Rohöl und Ölprodukten um 14 Milliarden US$ auf 35,5 Milliarden US$ zu Buche. Das entspricht einer Steigerung von mehr als zwei Dritteln. Größter Importposten sind Maschinen sowie Kfz und -teile. Sie wurden für etwa 70 Milliarden US-Dollar eingeführt – eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um etwa 25 Prozent.
Dämpfend auf die Wirtschaftsentwicklung wirkt hingegen der nach wie vor schwache Privatkonsum. Er wuchs 2022 lediglich um 4,9 Prozent und blieb damit deutlich hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurück. Sein Anteil an der Verwendung des Bruttoinlandsprodukts sank auf 51,9 Prozent. Vor wenigen Jahren hatte er noch bei fast 60 Prozent gelegen. Das bedeutet: Die Menschen haben noch kein Vertrauen in den Aufschwung und halten sich mit Anschaffungen zurück.