Wirtschaftsumfeld | Iran | Wirtschaftsstruktur
Diversifizierung trägt zur Resilienz bei
Die iranische Wirtschaft ist breit aufgestellt und verfügt deshalb über eine große Resilienz gegen Sanktionen. Die Abwesenheit westlicher Partner bremst aber die Entwicklung.
09.07.2024
Von Robert Espey | Dubai
Iran gehört weltweit zu den Ländern mit den größten Öl- und Gasreserven. Gemäß Angaben der Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC) lag Iran 2023 bei den nachgewiesenen Ölreserven auf Rang 3 (hinter Venezuela und Saudi-Arabien) und bei Gas auf Platz 2 (hinter Russland und vor Katar). Als Produzent und Exporteur von Gas und Öl ist Iran aber deutlich schlechter positioniert. Ein wesentlicher Grund sind die 2018 von Donald Trump wieder in Kraft gesetzten US-Wirtschaftssanktionen.
Öl- und Gassektor gewinnt wieder mehr an Bedeutung
Ohne die US-Sanktionspolitik wäre Iran ein deutlich größerer Öl- und Gasproduzent und entsprechend stärker wäre die Bedeutung des Öl- und Gassektors für die Volkswirtschaft. Nach vorläufigen Berechnungen der iranischen Zentralbank hatte die Öl- und Gasförderung 2023/2024 einen Anteil an der Bruttowertschöpfung von nur 8,5 Prozent zu laufenden Preisen. Vor der Reaktivierung der US-Sanktionen waren es 14,5 Prozent (2017/2018).
Bei der Ölproduktion setzt sich 2024 die Erholung fort. Aber das vor Reaktivierung der US-Sanktionen erreichte Niveau von 3,8 Millionen Barrel pro Tag (2017; nur Rohöl, ohne Kondensate) wird bei weitem noch nicht erreicht. Gemäß OPEC-Angaben lag die Rohölförderung 2023 bei durchschnittlich 2,9 Millionen Barrel pro Tag. Im 1. Halbjahr 2024 waren es schon durchschnittlich 3,2 Millionen Barrel pro Tag. Die Sanktionen hatten 2020 die Produktion auf 2 Millionen Barrel pro Tag absinken lassen.
Nach Angaben des iranischen Ölministeriums wurde 2019/2020 mit 2,1 Millionen Barrel pro Tag der Tiefpunkt erreicht. Im Juni 2024 soll die Förderung bei 3,6 Millionen Barrel pro Tag gelegen haben.
Die Produktionserhöhung spiegelt vor allem die Entwicklung der Ölexporte wider. Trotz fortbestehender US-Sanktionen gelingt es Iran, immer mehr Öl ins Ausland zu verkaufen. Hauptkunde ist China. Die Regierung spricht von mittlerweile 15 Abnehmerländern.
Iran will mittelfristig seine Ölförderkapazität von aktuell 3,8 Millionen auf 5,7 Millionen Barrel pro Tag ausbauen. Die Gasförderung soll von 1 Milliarde auf 1,5 Milliarden Kubikmeter pro Tag steigen. Die dazu notwendigen Investitionen werden mit 160 Milliarden US-Dollar (US$) veranschlagt.
Verarbeitende Industrie ist wichtigster Wirtschaftszweig
Das verarbeitende Gewerbe ist der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig. Zu laufenden Preisen bewegte sich der BIP-Anteil in den letzten fünf Jahren zwischen 16 und 22 Prozent. Für 2023/2024 werden 19,9 Prozent gemeldet. Die Petrochemie und die Kfz-Industrie sind die größten Sparten des verarbeitenden Gewerbes.
Trotz der Wirtschaftssanktionen baut Iran die petrochemische Industrie kontinuierlich aus. Viele Projekte entwickeln sich aber deutlich langsamer als geplant. Nach Angaben der National Petrochemical Company existieren gegenwärtig 67 Petrochemiekomplexe mit einer jährlichen Gesamtkapazität von 90 Millionen Tonnen.
Durch Fertigstellung von 15 Petrochemieprojekten sollen sich die Kapazitäten 2024/2025 auf 100 Millionen Tonnen erhöhen. Für 2025/2026 werden 110 Millionen Tonnen als Zielmarke genannt. Bis 2035 sind 200 Millionen Tonnen angestrebt. Vor der Reaktivierung der US-Sanktionen war geplant, in Kooperation mit westlichen Partnern 120 Millionen Tonnen bis 2021 und 180 Millionen Tonnen bis 2025 zu erreichen.
Die petrochemische Produktion liegt unter ihren Kapazitäten. Nach offiziellen Angaben betrug der Jahresausstoß 2022/2023 rund 67 Millionen Tonnen. Schätzungen zufolge könnten es 2023/2024 bis zu 75 Millionen gewesen sein.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2) | Anteil an den Beschäftigten 3) |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 13,2 | 14,8 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung | 10,9 | 0,8 |
Öl- und Gasförderung | 8,5 | - |
Verarbeitendes Gewerbe | 19,9 | 17,2 |
Energieversorgung | 0,5 | 0,7 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung | 0,1 | 0,7 |
Baugewerbe | 5,8 | 14,2 |
Dienstleistungen | 49,6 | 51,6 |
Nach Angaben der Organisation Internationale des Constructeurs d’Automobiles (OICA) konnte Iran 2023 die Automobilproduktion um 12 Prozent auf 1,2 Millionen Fahrzeuge erhöhen. Die Reaktivierung der US-Sanktionen hatte die Produktion 2018 um 28 Prozent auf 1,1 Millionen Einheiten einbrechen lassen. Der Tiefpunkt wurde 2019 mit 0,8 Millionen Fahrzeugen erreicht.
Gemäß dem Industrieministerium erhöhte sich die Fahrzeugproduktion 2023/2024 um 8 Prozent auf 1,34 Millionen Einheiten. Hauptproduzenten waren die beiden staatlich kontrollierten Unternehmen Iran Khodro und Saipa. Bei privaten Kfz-Herstellern liefen 0,31 Millionen Fahrzeuge von den Bändern.
Irans Kfz-Sektor leidet unter großen Strukturproblemen. Aufgrund der sanktionsbedingt geringen Kooperation mit ausländischen Partnern besteht der Pkw-Ausstoß vor allem aus völlig veralteten, modifizierten Nachbauten ausländischer, insbesondere französischer Modelle.
Iran bemüht sich aber um eigenständige Entwicklungen. So hat Iran Khodro einen vollelektrischen Pkw (Modell Tara) vorgestellt, der mit einer 45 Kilowattstunden-Batterie eine Reichweite von 300 Kilometer haben soll. Eine kleine Firma in Shiraz, Khodro Sazan Jonoob, hat einen vollelektrischen, zweisitzigen Pkw entwickelt (Modell Oxygen; Reichweite: 220 Kilometer). Der Hersteller Modiran will das Modell Arrizo PHV des chinesischen Herstellers Chery montieren.
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Großraum Teheran und Ölprovinz Khuzestan sind führende Wirtschaftsregionen
Auf die Hauptstadtregion (Provinzen Teheran und Alborz) entfällt etwa ein Viertel der Wirtschaftsleistung des Landes. Der Dienstleistungssektor ist im Großraum Teheran dominierend mit über 80 Prozent der Wertschöpfung. Die beiden größten Sparten sind Immobiliendienstleistungen und der Groß- und Einzelhandel. In der Hauptstadtregion ist aber auch die verarbeitende Industrie stark vertreten. Etwa 20 Prozent der industriellen Wertschöpfung des Landes werden hier erbracht.
Provinz (Hauptstadt) | Anteil an der Bruttowertschöpfung (in Prozent) | Bruttowertschöpfung pro Kopf (in US$) 2) | Bevölkerung (in Millionen) |
Teheran (Teheran) | 22,6 | 3.855 | 14,0 |
Khuzestan (Ahvaz) | 13,9 | 6.669 | 5,0 |
Isfahan (Isfahan) | 6,1 | 2.710 | 5,3 |
Bushehr (Bushehr) | 5,4 | 10.343 | 1,2 |
Khorasan Razavi (Mashad) | 4,7 | 1.630 | 6,9 |
Fars (Shiraz) | 4,2 | 1.998 | 5,1 |
Kerman (Kerman) | 3,8 | 2.720 | 3,3 |
East Azarbayejan (Tabriz) | 3,6 | 2.123 | 4,0 |
Mazandaran (Sari) | 3,1 | 2.224 | 3,4 |
Alborz (Karaj) | 2,8 | 2.307 | 2,9 |
Die zweitwichtigste Wirtschaftsregion ist die Provinz Khuzestan, mit einem Anteil an der Wertschöpfung Irans von etwa 14 bis 15 Prozent. Die führenden Branchen der Provinz sind die Öl- und Gasförderung sowie die Petrochemie. Diese beiden Sektoren machen in Khuzestan mehr als drei Viertel der Wertschöpfung aus.