Wirtschaftsausblick | Irland
Stetiges Wachstum trotz unsicheren Blicks in die Zukunft
Der robuste Arbeitsmarkt und erfolgreiche Pharmaexporte stärken die irische Wirtschaft. Kommen die amerikanischen Sonderzölle, könnte sich die Stimmung eintrüben.
20.12.2024
Von Leonie Schneiderhöhn | Bonn
Top-Thema: US-Zölle als wirtschaftlicher Dämpfer
Das irische Economic and Social Research Institute (ESRI) sieht ein großes wirtschaftliches Risiko in den potenziell steigenden Handelszöllen unter der neuen US-Regierung Trump. Denn die USA sind einer der größten Abnehmer von Pharmaprodukten aus Irland, einem der wichtigsten Exportgüter des Landes. Fast 40 Prozent der gesamten irischen Pharmaexporte gingen von Januar bis September 2024 in die USA. Steigen die Zölle auf diese Warengruppe, könnte der Handel zwischen Irland und den USA einbrechen und Irlands Pharmabranche ins Schlingern geraten.
US-Zölle würden nicht nur den Handel eintrüben, sondern auch spürbar die Steuereinnahmen der irischen Regierung schmälern. Denn Irland ist ein beliebter Standort für US-amerikanische Unternehmen. Nicht nur Pharmakonzerne, sondern auch Tech-Firmen wie Google, LinkedIn oder Meta sind hier ansässig. Die protektionistischen Pläne der US-Regierung unter Donald Trump könnten neue und bestehende Investitionspläne amerikanischer Firmen in Irland verlangsamen und im schlimmsten Fall stoppen. Damit könnten erhebliche Steuereinnahmen wegfallen, was die irische Konjunktur spürbar dämpfen würde.
Auch Stefanie Ziska, Geschäftsführerin der deutsch-irischen Auslandshandelskammer in Dublin, teilt die Einschätzung, dass es unter Trump zu einer stärkeren protektionistischen Wirtschaftspolitik kommen könnte. Sie sieht aber auch einen weiteren kurzfristigen Effekt: "Trump war während seiner ersten Amtszeit gegen internationale Steuerabkommen und könnte versuchen, die Einführung der globalen Mindeststeuer zu verzögern oder ganz zu blockieren. Das könnte Irland kurzfristig nutzen, da das Land weiterhin seine vergleichsweise niedrigen Steuersätze als Vorteil für US-Unternehmen anführen könnte."
Wirtschaftsentwicklung: Die Zeichen stehen auf Wachstum
Die EU-Kommission erwartet für Irland ein wirtschaftliches Wachstum von real 4,0 Prozent im Jahr 2025 und 3,6 Prozent für 2026. Aufgrund stark verzerrender Effekte ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Irland allerdings nicht der aussagekräftigste Indikator zur Einschätzung der wirtschaftlichen Lage. Die modifizierte Binnennachfrage, die um diese Sondereffekte bereinigt ist, gibt eine bessere Auskunft. Das irische Economic and Social Research Institute (ESRI) prognostiziert entsprechend eine Binnennachfrage in Höhe von 3,2 Prozent für 2024 und 4,1 Prozent für 2025.
Positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die Binnennachfrage wird 2025 der Privatkonsum haben, der von einem robusten Arbeitsmarkt mit höheren Löhnen profitiert. Hinzu kommen 2025 eine niedrige Inflation von voraussichtlich 1,9 Prozent und sinkende Zinsen. Auch in den kommenden Jahren soll der Privatkonsum konstant wachsen. Grund dafür ist unter anderem eine stetig steigende Nettozuwanderung von ausländischen Fachkräften und die Teilnahme von mehr Frauen am Arbeitsmarkt. Im Jahr 2025 soll erstmals in der irischen Geschichte die Zahl von 2,8 Millionen Arbeitnehmenden geknackt werden.
Besonders der IT-Sektor und die Pharmaindustrie werden durch ihre starken Exporte das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr erheblich stützen. Daneben dürften auch die geplanten staatlichen Investitionen in Höhe von 6 Milliarden Euro für 2025 in den Wohnungsbau die irische Wirtschaft weiter antreiben. Insbesondere im Hinblick auf die sich verschärfende Wohnungskrise kann hier mit einer Erleichterung gerechnet werden. Die Tageszeitung Irish Times fasste zusammen, dass jährlich etwa 85.000 neue Wohnungen in den nächsten 10 Jahren gebaut werden müssten. Ohne die angekündigten Investitionen waren es bisher schätzungsweise 33.000 neue Wohnungen in 2024 und 37.000 in 2025.
Die Erwartungen der lokalen Unternehmen für das Jahr 2025 sind positiv, wie aus einer Unternehmensumfrage der irischen Bankengruppe AIB hervorgeht. Rund 45 Prozent der Befragten rechnen mit einem Anstieg der Geschäftsaktivitäten, während nur 10 Prozent einen Rückgang erwarten. Befragte Dienstleistungsanbieter merkten an, dass eine robuste Nachfrage und ein günstiges wirtschaftliches Umfeld dazu beitragen dürften, die Geschäftstätigkeit in den nächsten 12 Monaten anzukurbeln.
Deutsche Perspektive: Weiterhin wichtiger Handelspartner
Irland hat einen neuen Exportrekord aufgestellt: Im September 2024 knackten die Ausfuhren zum ersten Mal einen monatlichen Wert von 22 Milliarden Euro. Mehr als zwei Drittel davon machten Güter aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie aus. Hauptabnehmer waren dabei mit Abstand die USA, gefolgt von Deutschland, den Niederlanden und Belgien.
Irland hat von Januar bis September 2024 im Vorjahresvergleich um 3,1 Prozent weniger aus Deutschland importiert. Betroffen sind dabei besonders Maschinen sowie Lebensmittel und lebende Tiere. Starke Zuwächse verzeichnen hingegen die Importe von chemischen Erzeugnissen und Pharmazeutika aus Deutschland.
Trotz der eher mauen Handelsentwicklungen investieren deutsche Unternehmen weiter in Irland. Der deutsche Halbleiterhersteller Infineon erweitert seine Personalkapazitäten vor Ort um 100 neue Stellen für Ingenieur-Fachkräfte. INIT, ein deutscher IT-Beratungsdienstleister, erhöht ebenfalls seine Personalkapazitäten am irischen Standort. Und auch in der medizinischen Industrie wird investiert: Der Medizinprodukthersteller Freudenberg Medical kündigte im Dezember 2024 bei der Eröffnung seiner neuen Produktionsstätte im irischen Leitrim an, 250 neue Stellen auszuschreiben.
Weitere Informationen zu Irland finden Sie auf der GTAI-Länderseite.
- Irland
- Wirtschaftsumfeld
- Wirtschaftsstruktur
- Konjunktur
- Außenhandel, Struktur
- Wirtschaftsumfeld