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Israels Handelshäfen fast vollständig privatisiert
Der größte Hafen des Landes wurde an private Investoren verkauft. Nur noch einer der sechs Handelshäfen ist in Regierungsbesitz. Jetzt sind mehr Wettbewerb und Expansion angesagt.
29.07.2022
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Im Juli 2022 erwarb ein indisch-israelisches Konsortium den staatseigenen Hafen von Haifa, den größten des Landes. Der Wert der Transaktion liegt bei 1,2 Milliarden US-Dollar (US$). Der indische Partner, Adani Ports, übernimmt 70 Prozent der Anteile, während die israelische Chemie- und Logistikgruppe Gadot 30 Prozent der Hafengesellschaft halten wird.
Neue Häfen in Betrieb
Mit dieser Privatisierung ist der von einer Kapazitätserweiterung begleitete, groß angelegte Strukturwandel der israelischen Hafenwirtschaft nahezu abgeschlossen. Gegenwärtig sind im Lande sechs Handelshäfen tätig. Die beiden großen alteingesessenen Häfen, Haifa Port im Norden und Ashdod Port im Süden der israelischen Mittelmeerküste, haben in jüngster Zeit privatwirtschaftliche Konkurrenz bekommen.
In Haifa nahm im Sommer 2021 der sogenannte Bayport seinen Betrieb auf. Dabei handelt es sich um einen Containerhafen, der Frachter mit bis zu 24.000 Zwanzig-Fuß-Standardcontainern (TEU) abfertigen kann. Bayport wird im Rahmen einer Regierungslizenz von der chinesischen Shanghai International Port Group betrieben.
Anfang 2022 wurde der ebenfalls auf 24.000-TEU-Schiffe ausgelegte Southport in Ashdod eröffnet. Der Betrieb dieses Hafens wurde der auf Containerterminals spezialisierten schweizerischen Gesellschaft Terminal Investment Limited übergeben.
Bisher spielen die beiden neuen Häfen eine untergeordnete Rolle. Nach Angaben des Zentralamts für Statistik (Central Bureau of Statistics) entfielen im 1. Quartal 2022 nur 1,4 Prozent des gesamten in den Handelshäfen erzielten Güterumschlags auf Bayport und lediglich 0,3 Prozent auf Southport. Allerdings befinden sich beide in einem Expansionsstadium und werden den beiden "alten" Konkurrenten in der jeweiligen Stadt scharfen Wettbewerb bieten. Das war auch die Absicht der israelischen Regierung, die im vergangenen Jahrzehnt den Bau von Bayport und Southport initiiert hat.
Fracht | Umschlag |
---|---|
Verladen | 19.124 |
Haifa | 9.140 |
Ashdod | 7.909 |
Eilat | 2.075 |
Israel Shipyards | 0 |
Gelöscht | 38.329 |
Haifa | 17.656 |
Ashdod | 16.066 |
Eilat | 149 |
Israel Shipyards | 4.458 |
Insgesamt (Verladen und gelöscht) | 57.453 |
Nur noch einer der sechs Handelshäfen in Staatsbesitz
Zwei weitere, viel kleinere Handelshäfen sind Israel Shipyards in Haifa und der Hafen von Eilat (Eilat Port - Website nur auf Hebräisch) am Roten Meer. Israel Shipyards ist ein Privatunternehmen, das sich auch auf Schiffbau spezialisiert. Der Hafen von Eilat wiederum wird von der Schifffahrtsfirma Papo Maritime im Rahmen einer Regierungslizenz betrieben.
Von diesen sechs Häfen wird nur noch Ashdod Port als staatseigenes Unternehmen geführt. Allerdings muss auch er sich auf den neuen Wettbewerb einstellen und hat bereits umfangreiche Investitionen zur Steigerung seiner Leistungsfähigkeit getätigt. Mit der Veräußerung des Hafens von Haifa hat damit für Israels Hafenwirtschaft endgültig eine neue Ära begonnen.
Hoffnung auf internationales Geschäft
Die israelische Regierung verspricht sich von dem kräftigeren Wettbewerb, der durch die privatwirtschaftliche Orientierung der Hafenwirtschaft und die gestiegene Zahl der Häfen entsteht, besseren Service und niedrigere Kosten für die Hafenkunden. Für die Häfen aber stellt sich die Frage, wie die durch die Inbetriebnahme von Bayport und Southport schlagartig gestiegenen Kapazitäten ausgelastet werden sollen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gewicht der in den Häfen umgeschlagenen Waren stagniert. Zwar nimmt der mit gelöschten Waren erzielte Umschlag zu, doch stagniert oder sinkt das Gewicht der verladenen Waren.
Jahr | Insgesamt | Gelöscht | Verladen |
---|---|---|---|
2017 | 57.936 | 37.430 | 20.506 |
2018 | 58.716 | 38.482 | 20.234 |
2019 | 57.693 | 38.083 | 19.610 |
2020 | 57.453 | 38.329 | 19.124 |
2021 | 58.707 | 40.409 | 18.298 |
Unter diesen Umständen sind die Häfen auf eine kräftige Expansion ihres internationalen Geschäfts angewiesen. Eine Schlüsselrolle wird dabei die Frage spielen, inwieweit es ihnen gelingt, in das Hub-Geschäft einzusteigen beziehungsweise dieses auszubauen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Nutzung israelischer Häfen an der Mittelmeerküste als Umschlagplätze für Länder östlich von Israel.
Letzteres wird entscheidend von der geopolitischen Situation in der Region abhängen. Nach Angaben der israelischen Wirtschaftszeitung The Marker gibt es Interesse von jordanischer Seite, seinen Außenhandel verstärkt über Haifa abzuwickeln.
Indischer Käufer gibt sich zuversichtlich
Die Notwendigkeit, das internationale Geschäft auszubauen, ist den Hafengesellschaften klar. So erklärte der Geschäftsführer von Adani Ports, Karan Adani, zur Übernahme des Hafens von Haifa, seine Gesellschaft erwarte, dass Israel sich in der längeren Frist zu einem Verkehrsknoten sowohl für Europa als auch für den Nahen Osten entwickeln werde. Nach Einschätzung der israelischen Wirtschaftszeitung Globes wird der Hafen von Haifa nicht zuletzt den Umschlag von Stückgut steigern müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Die Übernahme der Mehrheitsanteile am Haifaer Hafen hat, zumindest nach Meinung einiger Beobachter, auch eine geopolitische Komponente. So erklärte Lauren Dagan Amoss, eine Forscherin am Forschungszentrum für maritime Strategie und Politik (Reserach Center for Maritime Strategy and Policy) an der Universität von Haifa (Haifa University) gegenüber Globes, angesichts der chinesisch-indischen Rivalität hätten indische Unternehmen ein Interesse daran, die chinesische Präsenz in Israel nach Möglichkeit einzudämmen. Ihrer Meinung nach erkenne Indien in den letzten Jahren zunehmend die Bedeutung des Nahen Ostens und versuche, seine Präsenz in der Region, die der chinesischen hinterherhinke, auszubauen.