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Branche kompakt | Italien | Pharmaindustrie, Biotechnologie

Branchenstruktur

Die italienische Pharmaindustrie ist forschungsstark, was deutschen Unternehmen gute Kooperationsmöglichkeiten eröffnet. Viele Hersteller erweitern ihre Kapazitäten.

Von Torsten Pauly | Mailand

Italien war 2022 der größte Pharmaproduzent in der EU, so die neuesten verfügbaren Angaben des europäischen Dachverbandes EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations). Der Wert der Pharmaproduktion hat sich 2022 und 2023 um insgesamt 51,2 Prozent auf 52 Milliarden Euro erhöht. Im gleichen Zeitraum sind die italienischen Exporte um zusammen 48 Prozent gestiegen. Farmindustria beziffert die Ausfuhrquote der italienischen Hersteller für 2023 auf 94 Prozent. Auch der italienische Importbedarf ist 2022 und 2023 um insgesamt 26,7 Prozent gestiegen.

Große Bedeutung hat die Auftragsfertigung und -forschung für andere Hersteller, Contract Development and Manufacturing Organization (CDMO). In diesem Segment waren italienische Pharmafirmen 2023 mit einem Umsatz von 3,6 Milliarden Euro führend in Europa. Ihr Anteil entsprach 23 Prozent der entsprechenden europäischen Gesamtproduktion.

Forschung setzt auf künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz gewinnt in Italiens Pharmaforschung und -entwicklung rasch an Bedeutung, nicht zuletzt wegen des zunehmend gängigen Open-Innovation-Ansatzes, das heißt der Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftszweigen. Im Jahr 2023 haben bereits 38 Prozent aller italienischen Pharmaunternehmen künstliche Intelligenz in ihrer Forschung eingesetzt, so Farmindustria. Diese kommt insbesondere bei der Entwicklung von Molekülen und der Analyse von Patientendaten zum Tragen.

Für klinische Studien haben die italienischen Pharmaunternehmen 2023 laut Farmindustria 700 Millionen Euro ausgeben. An erster Stelle stehen dabei neue Präparate zur Neoplasiebehandlung, gefolgt von Medikamenten für Nervenkrankheiten, Atemwegserkrankungen, Herzkreislauf- und Verdauungsstörungen. Etwa 38 Prozent aller klinischen Studien haben Orphanarzneien zur Behandlung seltener Krankheiten zum Gegenstand.

Insgesamt hat die Branche 2023, Farmindustria zufolge, 2 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Das waren 21 Prozent mehr als 2018. Diese Aufwendungen haben 2023 etwa 16,8 Prozent der Bruttowertschöpfung ausgemacht. Damit ist die Branche laut dem Verband der forschungsintensivste Zweig in Italiens verarbeitendem Gewerbe. Ein wichtiger VentureCapital-Fonds ist Future Health Ventures.

Lombardei ist europäisches Life-Science-Zentrum

Laut einer Studie des Industrieverbandes Assolombarda ist die Lombardei - gemessen an der Bruttowertschöpfung - die viertentwickelteste Life-Science-Region Europas, nach Baden-Württemberg, Katalonien und der Île-de-France. Einer Untersuchung von Listup zufolge waren dort 2024 auch 27 Prozent aller italienischen Pharma-Start-ups ansässig, darunter allein 19 Prozent in Mailand.

In der Lombardei waren 2023 insgesamt 37 Prozent aller italienischen Pharmabeschäftigten tätig. Weitere bedeutende Regionen sind Latium mit einem Anteil von 19 Prozent, die Toskana mit 11 Prozent, Venetien mit 8 Prozent und die Emilia Romagna mit 6 Prozent aller Stellen. Pharmacluster, Polo farmaceutico genannt, sind jedoch auch in anderen Landesteilen zu finden, etwa in Neapel und der Region Friaul - Julisch Venetien. In Piemont existiert unter anderem ein bedeutendes Cluster für Biotechnologie.

Ausländische Investoren haben große Bedeutung

Alle führenden internationalen Pharmakonzerne bedienen den italienischen Markt und unterhalten dort oft eine Produktion und Forschungsabteilung. Ausländische Branchenunternehmen haben laut Farmindustria eine größere Bedeutung als aus Italien stammende. Dies geht aus einem vom Verband erstellten Indikator hervor, der den Umsatz, die Investitionshöhe, den Export, die Beschäftigten und die Steuerzahlungen einbezieht. Hieran hatten Pharmafirmen mit italienischem Kapital 2023 einen Anteil von 42 Prozent. Auf Investoren aus den USA entfielen 26 Prozent, auf Pharmaunternehmen in anderweitiger ausländischer Hand weitere 32 Prozent.

Das mit 1.033 Millionen Euro umsatzstärkste Unternehmen aus Deutschland war 2023 Merck Serono S.p.A. Es folgten Bayer S.p.A. mit 712 Millionen Euro, Boehringer Ingelheim Italia mit 429 Millionen Euro und Beiersdorf S.p.A. mit 292 Millionen Euro. Der Pharma- und Medizintechnikproduzent B.Braun hat 2023 etwa 156 Millionen Euro umgesetzt.

Wichtige Branchenunternehmen in ItalienUmsatz in Millionen Euro

Unternehmen

Umsatz 2023

Anzahl der Beschäftigten 2023

A. Menarini Industrie Farmaceutiche Riunite Srl

4.376

17.839

Chiesi farmaceutici S.p.A.

3.026

6.566

Recordati industria chimica e farmaceutica S.p.A.

2.082

4.455

Keridon S.p.A.

1.429

5.071

Sanofi Italia

1.423

1.522

Alfasigma S.p.A.

1.367

2.894

Novartis Farma SpA

1.361

1.554

Merck Serono S.p.A.

1.033

852

Italfarmaco S.p.A.

986

3.624

Pfizer Italia S.r.l.

978

954

Quelle: Mediobanca 2024

Insgesamt gab es 2023 laut Farmindustria 220 italienische Hersteller von Medikamenten und anderen Pharmapräparaten. Darüber hinaus haben 64 Unternehmen Grundstoffe für die Pharmaindustrie erzeugt. Im Jahr 2023 hat die italienische Pharmaindustrie 70.000 Menschen beschäftigt. Weitere 83.000 Arbeitsplätze waren indirekt von der Pharmaindustrie abhängig, etwa in der Logistik oder bei Zulieferern. Der durchschnittliche Nettoumsatz je Beschäftigten lag in der italienischen Pharmaindustrie 2023 bei 452.000 Euro. Das waren 173.000 Euro weniger als in Deutschland.

Hinter dem jüngsten Produktions- und Exportanstieg stehen hohe Investitionen in Sachanlagen, die sich 2021 und 2022 auf 2,9 Milliarden Euro summierten. Auch in den kommenden Jahren laufen Großprojekte.

Italiens Arzneimittelindustrie setzt auf umfangreiche Investitionen und ModernisierungAusgewählte Investitionsprojekte der pharmazeutischen Industrie in Italien (Investitionssumme in Millionen Euro)
Akteur/ProjektInvestitionssummeProjektstandAnmerkungen
Johnson & Johnson Medical

580

PlanungBis 2029 investiert der Konzern 580 Millionen Euro in Italien, darunter 125 Millionen in den Ausbau der Produktion in Latina
Chiesi farmaceutici S.p.A.

400

Planung, tw. BauBis 2030 entsteht ein neues Biotech-Zentrum in Parma
Merck Serono S.p.A.

160

BauErweiterung der Produktion in Bari
Novartis Farma S.p.A.

100

BauAufbau einer Produktion und Forschungsabteilung für radiopharmazeutische Krebsbehandlungen in Ivrea bis 2026
Zambon S.p.A.

70

Planung, tw. BauAufbau einer neuen Auftragsproduktion (CDMO) in Vicenza bis 2029
Novartis Farma S.p.A.

32

BauAufbau einer Forschungsabteilung in Torre Annunziata (bei Pompei)
Takeda Italia S.p.A.

30

Planung, tw. BauModernisierung der Produktion in Pisa und Rieti
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025; Unternehmensangaben

Besonders im Norden nimmt der Fachkräftemangel zu

Das zuletzt kräftige Wachstum bringt für die italienische Pharmaindustrie verschärfte Personalprobleme mit sich. Zwischen 2018 und 2023 hat die Branche die Zahl der Stellen um 9 Prozent erhöht. Der Fachkräftemangel ist aufgrund des hohen Anforderungsprofils noch ausgeprägter als in anderen Industriezweigen. Im Jahr 2023 hatten 54 Prozent aller in der Pharmaindustrie Beschäftigten einen Hochschulabschluss, weitere 36 Prozent hatten Abitur.

Der Mangel an Fachkräften ist im wirtschaftsstarken Norden noch weitaus stärker als im vielerorts strukturschwachen Süden Italiens. Von dort wandern Talente ab. Mangels fehlender Jobperspektiven haben zwischen 2012 und 2021 im Schnitt 12.000 Jungakademiker im Alter von bis zu 34 Jahren den Mezzogiorno verlassen. Dieser umfasst die sechs südlichen Festlandsregionen und die Inseln Sizilien und Sardinien.

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