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Branchen | Italien | Chemische Industrie

Markttrends

Die Abnehmerbranchen entwickeln sich größtenteils positiv. Steigende Kosten für Energie und Rohstoffe bremsen die Dynamik. 

Von Oliver Döhne | Mailand

Auf Vorkrisenniveau

Die chemische Industrie erholte sich schneller von den Folgen der Coronapandemie als der Durchschnitt der verarbeitenden Industrie Italiens. Das Gesamtjahr 2021 schloss die Branche laut Verband Federchimica wahrscheinlich mit einem Plus von 8,5 Prozent ab, sowohl bei der Produktion als auch bei der Inlandsnachfrage, und befindet sich damit bereits wieder über dem Vorkrisenniveau. Der Import, der rund 60 Prozent des italienischen Inlandsmarktes ausmacht, ist 2021 um rund 8 Prozent angewachsen. Auch für 2022 stehen die Zeichen auf Expansion, auch wenn steigende Kosten für Energie und Vorstoffe den stabilen Aufwärtstrend etwas stören könnten.

Die dringend nötigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels setzen die Branche unter Druck, werden aber vorrangig als Chance gesehen. Als Beispiele nennt Federchimica-Präsident Paolo Lamberti die Gebäudeenergieeffizienz, die nachhaltige Mobilität, das chemische Recycling, eine Wiederverwendung von CO2 sowie sauberen Wasserstoff. Inlandsnachfrage und Import chemischer Erzeugnisse sollen laut Verband 2022 um jeweils 3,5 Prozent zulegen, die Produktion um rund 3 Prozent.

Bauchemikalien gefragt

Die Nachfrage nach Industriechemikalien nimmt stabil zu. Bereits im Juli 2021 übertraf die Industrieproduktion das Vorkrisenniveau von Februar 2020. Auch wenn viele Sektoren zum Ende des Jahres 2021 mit hohen Energiepreisen und Engpässen in der Logistik und bei einigen Vorprodukten zu kämpfen hatten, sind die Aussichten für 2022 insgesamt positiv. 

Die weiterhin gute Stimmung in der Bauindustrie dürfte auch die Nachfrage nach Farben und Lacken, Klebe- und Abdichtungsstoffen sowie weiterer Bauchemie gut in Gang halten. Besonders der staatliche Infrastrukturausbau mithilfe des europäischen Recovery Fonds sowie das Förderinstrument zur  Hausrenovierung "Superbonus" stärken die Branchenaktivität. Laut Bauverband Ance wirkt sich rund die Hälfte der europäischen Hilfsgelder positiv auf die Bauindustrie aus, immerhin über 100 Milliarden Euro. Die Bauinvestitionen könnten 2022 um rund 7 Prozent steigen.  

Kunststoffe im Wandel

Die Sondersteuer auf Einwegkunststoffe (Plastic Tax) kommt erst 2023, wirft aber bei bedeutenden Produzenten von Verpackungs- und Plastikbesteck in Italien bereits ihren Schatten voraus. Es sind zunehmend biologisch abbaubare Rohstoffe gefragt.

Aus der Automobilindustrie dürfte vorerst keine große Zusatznachfrage nach Zulieferungen konventioneller Kunststoffe, Beschichtungen und Lacke kommen, da die Kfz-Produktion zum Jahresende 2021 noch immer deutlich unter dem Vorkrisenniveau lag. Neben Chipmangel und dem elektrischen Wandel sind auch die bislang nur kurzfristigen Anreize der Regierung ein Unsicherheitsfaktor für die Kfz-Industrie. Der Stellantis-Konzern schloss zum Jahresende 2021 eines seiner beiden Turiner Werke und konzentriert die Produktion der elektrischen Modelle von Fiat und Maserati im Werk Mirafiori. Gleichzeitig entwickelt Stellantis eine eigene Batterie ohne Nickel und Kobalt.

Fasern und neue Materialien 

Steigende Nachfrage könnte laut Experten aus der Kfz-Industrie nach technischen Textilien und innovativen Materialien unter anderem für Sicherheit und Gewichteinsparung bestehen. Die Textilindustrie selbst entwickelt sich nach schweren Krisenschäden wieder positiver und setzte in den ersten 8 Monaten 2021 gegenüber dem Vorjahr 19 Prozent mehr um, bleibt aber wohl auch noch 2022 leicht unter dem Vorkrisenniveau. Dank des Aufschwungs dürfte aber 2022 für eine gute Nachfrage nach Farb- und Gerbstoffen, nachhaltig produzierten und abbaubaren Fasern und weiteren Textilchemikalien gesorgt sein.  

Die Elektroindustrie vermeldet, trotz Engpässen in der Halbleiterbelieferung, gute Absatz- und Produktionszuwächse, was die Nachfrage nach Lacken und Kunststoffe aus dieser Richtung beleben dürfte. Laut der Konsumforschungsfirma GfK wuchs der Absatz von Haushaltgeräten im 1. Halbjahr 2021 um 27,8 Prozent mit positiven Aussichten auch für 2022.

Vorstoffe für Konsumgüter anwachsend

Die Nachfrage nach Konsumgütern wie Lebensmitteln und Kosmetik wird 2022 voraussichtlich solide bis deutlich zulegen, daher bestehen gute Aussichten für Aromen, Zusatzstoffe, Enzyme, Stärke, Mikroorganismen, chemische Grundstoffe. Bei Agrar- und Lebensmittelprodukten legen die Konsumenten zunehmend Wert auf Herkunft und Inhaltsstoffe. Es ist mit Bedarf an Düngemitteln, Pflanzenschutz und anderen Kunststoffen für die Landwirtschaft wie Abdeckplanen und Gewächshäuser zu rechnen, wobei die Umweltverträglichkeit eine zunehmende Rolle spielt.

Die Kosmetikproduktion wächst stabil, was auch die Nachfrage nach Grundstoffen anregt. Laut Fachverband Cosmetica Italia lag der Branchenabsatz italienischer Kosmetik 2021 rund 10,4 Prozent über dem Vorjahr bei rund 11,7 Milliarden Euro, der Export, der rund die Hälfte des Absatzes ausmacht, sogar um 14 Prozent darüber. Das Vorkrisenniveau soll die Branche laut Cosmetica Italia im 2. Halbjahr 2022 erreichen. 

Die Nachfrage nach italienischen Medikamenten wächst in In- und Ausland. Laut Ratingagentur Fitch wird der Absatz 2022 um 1,4 Prozent auf 31,3 Milliarden Euro anwachsen, was sich angesichts des steigenden Bedarfs einer alternden einheimischen Bevölkerung einerseits und einer spezialisierten Produktion für den Weltmarkt auch in den folgenden Jahren fortsetzen dürfte. 

Die Nachfrage nach chemischen Produkten in der professionellen Reinigungswirtschaft und Hygieneprodukte für das Haus legte 2021 deutlich zu und auch für 2022 sind die Prognosen gut. In Pomezia bei Rom besitzt Procter & Gamble eine seiner modernsten Waschmittelfabriken sowie in Parma eine größere Produktion von Reinigungsmitteln. 


Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Italien (Investitionen in Millionen Euro)

Akteur/Projekt

Investitionssumme 

Projektstand

Anmerkungen

Versalis (ENI)

1.000

Unternehmensinvestitionsplan 2021/2024

Transformationsstrategie mit dem Ziel der Dekarbonisierung, der Entwicklung von Technologien im Bereich der Kreislaufwirtschaft und der Chemie aus erneuerbaren Quellen, unter anderem: Waste-to-Fuel-Anlage Porto Marghera, Pirolyse-Anlage für das Recycling von Autoreifen, Upgrade und Verdopplung der Kapazität der Bioraffinerie Porto Marghera bis 2024

Maire Tecnimont

130

Fertigstellung 2024 (Kazan)

Anlagenbau zur Polyethylen/Biopolymer-Erzeugung in Kazan (Russland), Bau einer CO2-Storage-Anlagen in Ravenna (für ENI)

Progetto Galileo , Gruppo Bracco

120

Ab Ende 2021

Erweiterung der Produktionskapazität  in Torviscosa

Novamont

100

Unternehmensinvestitionsplan 2021/2025

Erhöhung der Produktionskapazität von Biokunststoffen (weltweit), staatlich gefördert

Seri Plast -Unilever

75

Mitte 2023

Ex-Waschmittelwerk von Unilever wird von Seri Plast  auf die Produktion von Rezyklaten umgerüstet

Radici Group

35

Ab 2022

Ausbau von Kapazitäten für Kunststoffcompounds des Geschäftsbereichs "High Performance Polymers" in Cina (Suxiang) und Mexiko. Die technischen Polymere aus Polyamid (PA) und Polyester werden vor allem in den Bereichen Automobil, Elektronik, Wasserwirtschaft sowie für Konsumgüter eingesetzt

Goglio (Mailand / Italien)

30

Ab 2022

Entwicklung von umweltfreundlichen Kunststoffverpackungen

Novamont

20

Ab 2021

Weltweit erste Anlage in Terni zur Erzeugung eines neuen Monomers zur Herstellung von Biomaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen. Bau einer hochwertigen Biogasanlage in Bottrighe (Rovigo) für Produktion chemischer Zwischenprodukte aus erneuerbaren Quellen

Radici Group

15

Ab 2021

RadiciGroup investiert 15 Mio. Euro in eine neue Anlage zur Herstellung von Meltblown, dem Basismaterial der Schutzmasken

Alpla (Hard / Österreich)

5

2022

Der Verpackungshersteller Alpla investiert am Standort Anagni / Italien in den Bau einer Extrusionsanlage für lebensmitteltaugliches recyceltes PET aus Post-Consumer-Material

Versalis und Saipem/PROESA

k.A.

Ab 2022

Vereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Produktion von Bioethanol und Chemikalien aus Holzzellulose unterzeichnet. Die innovative Technologie stammt von Mossi & Ghisolfi (entwickelt 2018, übernommen von Versalis) 

Nextchem und Agilyx (Norwegen)/Pyrolyse

k.A.

Vereinbarung 2021

Weltweite Kooperation beim Bau von Pyrolyseanlagen zur thermischen Spaltung von Plastikabfällen und Produktion von nachhaltigen Kraftstoffen und Chemikalien

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest


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