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Branche kompakt | Kolumbien | Chemische Industrie

Kolumbiens Chemiebranche wird grüner

Die kolumbianische Chemieindustrie leidet unter einer schwachen Konjunktur. Mittelfristig bietet sie jedoch Chancen im Bereich grüner Chemie und Nachhaltigkeit.

Von Janosch Siepen | Bogotá

Ausblick der chemischen Industrie in Kolumbien

  • Chemiesektor leidet unter schwacher Entwicklung von Wirtschaft und Industrie.
  • Wirtschaftspolitik der Regierung belastet Ölproduktion und Petrochemie.
  • Tendenzen zu Nachhaltigkeit im Sektor eröffnen Geschäftschancen.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Oktober 2024

Markttrends

In den kommenden Jahren sind die Aussichten für die Branche gemischt. Die schwache Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes wirkt sich auf den Chemiesektor aus, der die Industrie beliefert. "Die meisten Chemieunternehmen in Kolumbien verfehlen im Jahr 2024 ihre numerischen Geschäftsziele", sagt Daniela Sotello, Direktorin des Komittees für chemische Industrie des nationalen Unternehmerverbandes ANDI. Viele Chemieunternehmen würden derzeit Ausgaben, Budgets, Investitionen und Personal kürzen. Auch 2025 dürfte sich die chemische Industrie mit einem Wachstum zwischen 1,6 Prozent und 2 Prozent nur schwach entwickeln, so Sotello. 

Chancen bei Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

Gleichzeitig könnten Trends zu mehr Nachhaltigkeit in der Chemiebranche Chancen eröffnen für deutsche Unternehmen mit Expertise in diesem Bereich. "Grüne Chemie ist derzeit eine der wichtigsten Fronten der Branche", sagt Sotello. Es herrsche eine breite Bereitschaft der kolumbianischen Chemieindustrie, grüner zu werden. Diverse Firmen sorgen für mehr Nachhaltigkeit im Sektor. Yara kündigte 2023 die Dekarbonisierung seiner Düngemittelanlage an, L’Oréal weihte bereits 2019 eine klimaneutrale Kosmetikfabrik bei Bogotá ein. Das Unternehmen Monómeros und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit unterzeichneten eine Vereinbarung zur Implementierung von Technologien, die die Distickstoffmonoxidemissionen in einer Salpetersäureanlage um 85 Prozent reduzieren sollen.

Gute Bedingungen für biologische Betriebsmittel

Aufgrund seiner Fülle an landwirtschaftlichen Abfällen hat Kolumbien ein enormes Potenzial für biochemische Produkte. Abfälle von Kochbananen, Zuckerrohr und Bananen eignen sich für eine Vielzahl an biochemischen Produkten wie Stärke, Ethanol, Amylasen, Bioethanol, Proteine und Cellulasen. Das Land zählt diverse Ethanoldistillerien und -raffinerien (Zuckerrohr) sowie Biodieselanlagen (Palmöl). Volkswagen testete zwischen 2023 und 2024 diverse mit Bioethanol betriebene Fahrzeuge. L’Oréal strebt bis 2030 an, dass 95 Prozent der Inhaltsstoffe biobasiert sind. Das Staatsunternehmen Ecopetrol gab Anfang Oktober 2024 bekannt, dass es mit Tests zur Produktion von erneuerbarem Flugtreibstoff (SAF), unter anderem basierend auf Palmöl und Altspeiseöl, beginnt.

Stimmen aus der Industrie

"Wir blicken sehr positiv auf die nahe und mittelfristige Zukunft der Palmölnutzung in Kolumbien. Denn das Potenzial, Palmöl abholzungsfrei in Kolumbien zu produzieren, ist im Vergleich zu Südostasien noch enorm. Durch Palmöl kann man zum Beispiel Mineraldiesel oder Kerosin ersetzen. Die weltweite Nachfrage steigt derzeit enorm. Palmöl aus Kolumbien kann Abhilfe schaffen." Das sagt Roberto Echeverría, Geschäftsführer Lateinamerika bei Cremer Oleo.

"Besonderes Potenzial besteht bei Biomethan als Energieträger - gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Energieknappheit im Land im Jahr 2025. Biomethan kann künftig eine größere Rolle im nationalen Energienetz spielen, beispielsweise im Transport. Wir stellen bereits entsprechende Technologie für die Transportflotte eines Zuckerproduzenten und Technik für ein Palmölunternehmen bereit", berichtet Juan López, Geschäftskoordinator bei Evonik in Kolumbien.

Branchenstruktur und Rahmenbedingungen

Im Jahr 2023 machte der Chemiesektor 4,5 Prozent der kolumbianischen Bruttowertschöpfung aus und war damit der wichtigste Wirtschaftszweig des verarbeitenden Gewerbes, so Zahlen des nationalen Statistikamts DANE. Kolumbien beherbergt damit den drittgrößten Chemiesektor in der Region. Auf die Petrochemie entfällt der größte Teil der Chemiebranche in Kolumbien. Der Staatskonzern Ecopetrol ist das bedeutendste Unternehmen in diesem Subsegment. Das Petrochemie- und Kunststoffcluster Mamonal bei Cartagena ist der wichtigste Hub der Branche. Dow produziert hier unter anderem Polyurethane, Esenttia stellt Polypropylen her, Yara produziert Düngemittel und Cabot stellt Industrieruße und Verstärkungsmittel für Gummiprodukte her. 

Nach Umsätzen ist Kolumbien der drittgrößte Markt für Pharmazeutika in Lateinamerika. Wichtige Firmen sind Tecnoquímicas und Procaps. Im Jahr 2023 waren Deutschland und die Vereinigten Staaten die Hauptherkunftsländer der kolumbianischen Importe menschlicher Pharmazeutika, so Zahlen der Investitionsförderungsagentur ProColombia. Ein weiterer wichtiger Sektor ist die Agrochemie. Kolumbien nutzt in Lateinamerika am meisten Düngemittel pro Hektar Ackerland. Lieferanten von Agrochemikalien sind hauptsächlich China, USA und Russland. 

Deutschland ist drittwichtigster Lieferant

Laut Zahlen von ANDI war Deutschland 2023 drittwichtigster Lieferant der chemischen Industrie Kolumbiens. Zahlen des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) zufolge zählten deutsche Chemieunternehmen (ohne Pharmaindustrie) im Jahr 2022 etwa 3.000 Beschäftigte und einen Umsatz von 800 Millionen Euro in Kolumbien. BASF unterhält Chemielabore für Farben, Asphalt und Pflegeprodukte. Bayer betreibt bei Barranquilla seine zweitwichtigste Fabrik für Pflanzenschutzmittel in Lateinamerika und forscht im Bundesstaat Valle del Cauca zu Pflanzenschutz und Maissaatgut. Weitere deutsche Firmen sind unter anderem Brenntag, Helm und Evonik.

Auf dem kolumbianischen Chemiemarkt herrscht großer Wettbewerb. China ist einer der bedeutendsten Konkurrenten. Das 2024 geschlossene Wirtschaftsabkommen zwischen Kolumbien und den Vereinigten Arabischen Emiraten verschärft die Konkurrenzsituation für deutsche Firmen. Nachhaltige Produktionspraktiken böten eine entscheidende Chance für Unternehmen aus Deutschland, sich von der Konkurrenz abzuheben, sagt Sotello. 

Rahmenbedingungen sollen für Nachhaltigkeit sorgen

Einige regulatorische Änderungen dürften künftig für mehr Nachhaltigkeit in der Chemiebranche sorgen, gerade im Kunststoffsektor. Darunter fallen die Besteuerung und das fortschreitende Verbot diverser Arten von Einwegplastik (Gesetz 2232). Zunehmende Verbote von chemischen Substanzen in der Landwirtschaft können mittelfristig auch die fortschreitende Nutzung von Biodünger und Biopestiziden interessant machen.

Institut für Produktregistrierung in der Kritik

Genehmigungen und Registrierungen sind bei diversen Produkten der chemischen Industrie nötig. Das Nationale Institut für Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachung INVIMA ist für die Registrierung vieler chemischer Produkte zuständig. Deutsche Unternehmensvertreter bemängeln langwierige Registrierungsverfahren. Das Gesundheitsministerium hat für viele Medikamente Preisobergrenzen erlassen. Das kolumbianische Landwirtschaftsinstitut ICA ist für die Zulassung chemischer Produkte wie Tierarzneien oder Düngemittel zuständig. Die Unterdirektion für die Kontrolle und Überwachung chemischer Substanzen und Suchtstoffe registriert einige chemische Substanzen wie Acetate, Ammoniak, Chloroform, Lösungsmittel, Methanol oder Butanol.

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