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Branche kompakt | USA | Chemische Industrie

Markttrends

Der Aufbau neuer Industrien begünstigt die Chemieindustrie. Investitionen in die Produktion von Halbleitern oder Elektroautos steigern den Bedarf für chemische Erzeugnisse.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Die amerikanische Chemieindustrie kann zuversichtlich in die Zukunft blicken. Laut Prognosen des Branchenverbandes American Chemistry Council (ACC) wächst die mengenmäßige Produktionsleistung im Jahr 2024 um 2,2 Prozent. Für 2025 wird mit einem Anstieg um 1,9 Prozent gerechnet. Die kurze Schwächephase 2023, in der die Produktion um etwa 1,3 Prozent zurückging, ist damit überwunden.

11 %

der weltweiten Chemieproduktion entfallen auf die USA.

Reindustrialisierung gibt der Chemienachfrage Aufwind

Auch auf lange Sicht versprüht der Verband Optimismus: Denn in den kommenden zehn Jahren soll die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen in den USA insgesamt um 15 Prozent steigen. Die Ursache liegt in einer regelrechten Renaissance der US-Industrie. Mehr als 80 Prozent der in den Vereinigten Staaten hergestellten Basis- und Spezialchemikalien fließen in andere Industriesektoren ein.

Förderprogramme wie der Inflation Reduction Act (IRA) oder der Chips and Science Act schaffen landesweit neue Produktionskapazitäten. Laut ACC wird die US-Industrieproduktion im Jahr 2025 um stattliche 3 Prozent zulegen, was die Nachfrage nach Chemieprodukten mit ankurbelt. 

Ein Paradebeispiel ist die Halbleiterindustrie: Seit dem Start des Chips Act wurden entlang der Wertschöpfungskette für Halbleiter über 80 Projekte angekündigt. Zusammengerechnet erreichen sie ein Investitionsvolumen von rund 450 Milliarden US-Dollar (US$). Infolge dürfte sich die Chipproduktion in den USA bis 2032 mehr als verdreifachen.

Zur Herstellung eines Mikrochips werden rund 500 verschiedene Spezialchemikalien benötigt. Als Nebeneffekt löste der Chips Act deshalb bereits knapp 30 Projekte für chemische Ausgangsmaterialien aus. Für die Herstellung von chemischen Halbleiterlösungen investiert das zu Merck aus Darmstadt gehörende Unternehmen EMD Electronics rund 300 Millionen US$ in Pennsylvania. Weitere Großinvestitionen gibt es beispielsweise durch Entegris in Colorado (600 Millionen US$) und Soulbrain in Texas (575 Millionen US$).

Automobilindustrie trägt zu höherer Kunststoffnachfrage bei

Das Interesse an Kunststoffen ist in den USA weiterhin ungebrochen. Laut Prognosen von Freedonia dürfte der Gesamtbedarf bis 2028 um insgesamt 1 Million Tonnen ansteigen. Dies entspricht einer durchschnittlichen Wachstumsrate von etwa 0,6 Prozent pro Jahr.

Insbesondere in der Automobilindustrie werden immer mehr Kunststoffe verbaut. Im Jahr 2023 enthielt ein in den USA verkauftes Kfz im Durchschnitt rund 193 Kilogramm Plastik. Damit stieg der Kunststoffanteil in Kraftfahrzeugen seit 2014 um 18,4 Prozent an. Durch die Elektromobilität wird sich dieser Trend verstärken. Laut Analysen des ACC ist die in einem elektrischen Mittelklassewagen verwendete Plastikmenge im Schnitt um etwa 48 Prozent höher als in einem vergleichbaren Verbrenner. Dabei dient Plastik beispielsweise der Gewichtsreduktion oder der elektrischen Isolierung.

Laut dem Marktforschungsinstitut Atlas Public Policy investieren die US-Autobauer rund 70 Milliarden US$ in den Aus- und Neubau von Werken für die Fertigung von Elektrofahrzeugen. Trotz der Verzögerungen bei einzelnen Projekten dürften die USA bis 2027 über Kapazitäten für den Bau von 5,5 Millionen Elektrofahrzeugen pro Jahr verfügen. Der Wert von 2023 würde sich damit verfünffachen, was auch den Bedarf an Kunststoffen mit nach oben zieht.

Impulse auch von Bauindustrie und Landwirtschaft

Ein wichtiger Treiber der Chemienachfrage ist die Bauindustrie. Der Neubau eines Einfamilienhauses verschlingt in den USA rund 15 Tonnen an chemischen Produkten. Sinkende Zinsen dürften für eine Belebung im Wohnungsbau sorgen. Der Branchenverband ACC rechnet für 2024 mit knapp 1,6 Millionen Baustarts. Im Jahr 2025 könnten die Arbeiten für rund 1,5 Millionen Wohneinheiten starten.

Neben Isoliermaterialien, Kunststoffrohren, Bodenbelägen und Fensterrahmen profitiert davon auch die Nachfrage nach Farben und Lacken. Nach Prognosen von ChemQuest dürfte die Gesamtnachfrage im Jahr 2024 um 2,8 Prozent auf rund 5,1 Milliarden Liter ansteigen. Mit einem mengenmäßigen Anteil von rund 60 Prozent bildet der Architekturbereich das wichtigste Marktsegment für Farben und Lacke in den USA. 

Nach einer Phase rückläufiger Entwicklung kehren auch die Agrarchemikalien auf den Wachstumspfad zurück. Die Herstellung von Düngemitteln soll 2024 um 2 Prozent und 2025 um 1,5 Prozent steigen. Bei Pflanzenschutzmitteln wird ein Plus von 3 Prozent beziehungsweise 0,5 Prozent erwartet. Nach einem Höchststand im Jahr 2022 sinken die Preise für Agrarchemikalien – und Düngemittel werden für die Farmen erschwinglicher. Das für Ende 2024 erwartete Wetterphänomen La Niña könnte jedoch in den südlichen Teilen des Mittleren Westens für Trockenheit sorgen, wovon insbesondere die Anbauflächen in der Kornkammer Kansas betroffen wären.

Wahlsieg von Trump mit Folgen für Chemieprojekte

Der 2021 verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA) sorgt mit seinen Steuergutschriften dafür, dass viele Chemiekonzerne in emissionsarme Technologien investieren. Carbon Capture and Storage (CCS) wird beispielsweise mit bis zu 85 US$ pro eingesparter Tonne CO2 gefördert. Mehr als zehn Großprojekte wollen CCS nutzen, um blauen Wasserstoff zu produzieren. Dieser dient als Basis für die Herstellung von blauem Ammoniak (für Düngemittel) oder synthetischen Kraftstoffen.

Die Projektentwickler verfolgen gespannt die Entwicklungen nach der US-Wahl, denn Donald Trump hat angekündigt, den IRA im Fall eines Wahlsieges rückgängig zu machen. Unternehmen wie ExxonMobil und Chevron lobbyieren bei den Republikanern dafür, dass die Förderung auch nach der Rückkehr von Trump ins Weiße Haus erhalten bleibt. Beide Konzerne wollen zusammengerechnet über 30 Milliarden US$ in emissionsarme Chemieprojekte stecken.

Als Hub für CCS-Projekte entwickelt sich insbesondere die Golfregion mit den Staaten Texas und Louisiana. Doch auch im Landesinneren tut sich etwas. So erhält Wabash Valley Resources von der US-Regierung 1,6 Milliarden US$ an Förderkrediten für ein Großprojekt in Indiana.

Stand: November 2024

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